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    Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers
    Von Jan Hamm

    Wie in jeder handwerklichen Branche kommt es auch an Filmsets immer wieder zu schweren, manchmal sogar tödlichen Unfällen. Dass dieses Risiko mit keiner noch so ausgefeilten Sicherheitspolitik ausschließbar ist, wurde zuletzt wieder mit jeweils einem Todesfall bei den Dreharbeiten zu „G.I. Joe 2: Die Abrechnung" und „The Expendables 2" auf traurige Weise ersichtlich. Die unvermeidliche Verantwortungsfrage ist ein Albtraum für alle Beteiligten – einer, aus dem manche nicht wieder erwachen. Beim Dreh des südkoreanischen Dramas „Dream" von 2008 wäre Lee Na-young ihrer suizidalen Figur beinahe ins Grab gefolgt, ehe die an einem Seil baumelnde Hauptdarstellerin in letzter Sekunde von ihrem Regisseur Kim Ki-duk befreit wurde. Als der traumatisierte Auteur das nächste Mal eine Kamera anwirft, vegetiert er bereits seit drei Jahren in einer einsamen Hütte vor sich hin. Er richtet den Apparat auf sich selbst und beginnt mit der Aufarbeitung seiner Depression, seiner Soziophobie und seiner Schreibblockade. „Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers" ist das berührende Selbstporträt eines gestrandeten Narzissten – und eine hochinteressante Auseinandersetzung mit filmischen Erzählformen.

    Mit beachtlichen 15 Produktionen in nur zwölf Jahren hat Kim Ki-duk eine internationale Arthouse-Fangemeinde um sich geschart, 2004 wurde er sogar gleich zwei Mal für die Beste Regie ausgezeichnet: auf der Berlinale („Samaria") und in Venedig („Bin-Jip"). Nach dem glimpflich verlaufenen „Dream"-Zwischenfall kam seine Karriere zu einem abrupten Stillstand. Ob er noch einmal hinter die Kamera zurückkehren würde, blieb lange unklar – bis „Arirang" in Cannes 2011 uraufgeführt wurde. Screen-Daily-Autor Dan Fainaru traf den Nagel auf den Kopf, als den experimentellen Streifen als „ultimativen Autorenfilm" bezeichnete. Sicher, Kim Ki-duk tritt hier als Protagonist, Produzent, Regisseur, Kameramann und Cutter in Personalunion in Erscheinung, andere Menschen kommen nicht vor. Gemeint ist aber viel mehr: Selten waren die auch in der Theorie schwer fassbaren Dimensionen des Kinos als Kommunikationsform so praktisch erfahrbar wie hier.

    Wenn Kim Ki-duk minutenlang seine mechanische Alltagsroutine zwischen Hauskatze, Kaffee und Heizofen inszeniert, eröffnet er seine Erzählung wie einen Spielfilm und führt sich samt expositorischem Off-Text als Protagonisten ein. Bis hierhin könnte „Arirang" locker als fiktives Arthouse-Drama durchgehen – doch dann durchbricht Kim Ki-duk die vierte Wand und wendet sich direkt an sein Publikum. Mal bitterlich weinend, dann wieder vulgär schimpfend rollt er seinen trotz internationaler Erfolge einsamen Lebensweg auf und lässt tief in seine Seele blicken. Wortlos fährt er seine versammelten Kinoplakate und Festivaltrophäen ab, nachdem er seinen ehemaligen Regie-Schülern Jeon Jae-hong („Beautiful") und Jang Hun („Rough Cut") vorgehalten hat, ihn für kommerzielle Projekte verraten zu haben.

    Dass der Narziss sein Elend so offen zelebriert, macht sein Selbstporträt umso berührender: Selbstgerechtigkeit gilt als Charakterschwäche, ist dabei aber in ganz unterschiedlichem Maße Teil jeder menschlichen Persönlichkeit. Sich dabei so transparent wie Kim Ki-duk zu machen, ist ein mutiger Schritt! Zu diesem Zweck variiert der Regisseur die Form seines Films ein weiteres Mal, wenn er mithilfe der Kamera auf sein Alter Ego trifft. Von einem PC-Bildschirm mit Kim-Ki-duk-Wallpaper aus erhebt Kim Ki-duk schwere Vorwürfe gegen Kim Ki-duk. Mit diesem Strafgericht schafft der Regisseur ganz nebenbei die perfekte Metapher für das narzisstische Phänomen der Extreme – das Scheitern und der Richtspruch sind hier gleichermaßen grandios.

    Und schon folgt der nächste Bruch: „Bin ich überhaupt so, oder mache ich all das für die Kamera?" Für einen Augenblick scheint Kim Ki-duk Zweifel zu hegen und wirkt dabei wie ein Gefangener seines eigenen Befreiungsfilms. Mit einer Szene aus „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling", in der ein Mönch einen Mühlstein durch den winterlichen Wald zieht und die der Regisseur unter Tränen auf seinem Rechner schaut, wird die Gegenthese aufgestellt: Solange im Fiktiven emotional Wahres zutage gefördert wird, spielt es keine Rolle, ob Film nun authentisch sein kann oder nicht. So schließt Kim Ki-duk den Kreis, kehrt zur Spielfilmdramaturgie zurück und stattet seinen ehemaligen Weggefährten jenseits des Kamerablicks einen tödlichen Besuch ab, ehe er den Revolver auf sich selbst richtet.

    Fazit: Kim Ki-duks auch ohne Werkkenntnis zugängliches und kompromisslos intimes Selbstporträt „Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers" wirft essentielle Fragen an das Kino auf und liefert damit den perfekten Gesprächsstoff für diskutierfreudige Cineasten. Chapeau, lieber Kim Ki-duk, und alles Gute!

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