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    Trash
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Trash
    Von Christoph Petersen

    Mit der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Spielen 2016 steht Brasilien und speziell die Metropole Rio de Janeiro wie selten zuvor im Fokus der Weltöffentlichkeit – und dabei richtet sich die Aufmerksamkeit nicht nur auf den bunten Karneval und die traumhaften Atlantikstrände, sondern auch auf die weitverbreitete Korruption und das staatliche Missmanagement. Kein Wunder also, dass sich Regisseur Stephen Daldry („Billy Elliot“) und sein Drehbuchautor Richard Curtis („Tatsächlich… Liebe“) gerade jetzt den Jugendroman „Trash“ von Andy Mulligan für eine Verfilmung vorgenommen haben, schließlich verhandelt der Autor genau jene Schattenseiten der brasilianischen Gesellschaft, die im Umfeld der sportlichen Großereignisse sowieso die weltweiten Schlagzeilen dominieren. Aber während sich das Abenteuer dreier müllsammelnder Teenager, die es mit der korrupten Polizei von Rio aufnehmen, tatsächlich als oft mitreißende südamerikanische Variante einer „Die drei ???“-Episode entpuppt, gehen die britischen Filmemacher bei ihrer Anklage der brasilianischen Missstände leider mit der Subtilität eines Vorschlaghammers zur Sache. In dieser Hinsicht ist „Trash“ einmal mehr ein mahnendes Beispiel für den alten Spruch: „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.“

    Kurz bevor José Angelo (Brasiliens Megastar Wagner Moura, „Tropa de Elite“) von einer Polizeieinheit geschnappt, gefoltert und getötet wird, kann er seine Brieftasche samt brisantem Inhalt noch auf die Ladefläche eines vorbeifahrenden Müllwagens werfen. Zwar lässt der korrupte Polizist Frederico (Selton Mello) sofort die Halde durchkämmen, aber da haben der 14-jährige Müllsammler Rafael (Rickson Tevez) und sein bester Freund Gardo (Eduardo Luis) die Tasche schon längst eingesackt. Selbst als Frederico eine stolze Belohnung auslobt, geben die Jungen das gute Stück nicht wieder raus, denn mit der Polizei arbeitet man nun mal nicht zusammen. Stattdessen machen sich die beiden mit Hilfe ihres in der Kanalisation hausenden Kumpels Ratte (Gabriel Weinstein) daran, die in der Brieftasche versteckten Hinweise zu entschlüsseln. Allerdings riskieren die Teenager bei dieser Schatzsuche immer wieder Kopf und Kragen, denn das Leben eines Müllsammlers ist im Moloch Rio kaum etwas wert und mit Ausnahme des Geistlichen Juilliard (Martin Sheen, „The West Wing“) und seiner Helferin Olivia (Rooney Mara, „Verblendung“) können die Jungen auch keinem Erwachsenen über den Weg trauen…

    Selbst wenn sie nicht ganz so fiebrig-intensiv wie in Fernando Meirelles‘ Meisterwerk „City Of God“ ausfallen, erweisen sich die Verfolgungsjagden und Versteckspiele in den Favelas von Rio de Janeiro auch in „Trash“ als echte Highlights: Mit ihren nur zur Hälfte fertiggestellten Gebäuden und den engen Gassen entpuppen sich die Armenviertel der Metropole für Rafael und seine Freunde als riesiger Abenteuerspielplatz, auf dem sie selbst gegen die ansonsten so klar überlegenen Polizeieinheiten einen deutlichen Heimvorteil besitzen. Aber auch wenn „Trash“ immer wieder an Kinderdetektiv-Abenteuer wie eben „Die drei ???“ erinnert, fasst Regisseur Daldry seine jugendlichen Protagonisten definitiv nicht mit Samthandschuhen an, sondern beschreibt ihre Welt angemessen als harsch: Immer wieder verschwinden Menschen spurlos und Rafael entgeht einmal nur der Exekution per Kopfschuss, weil einer der Polizisten schlicht keine Lust hat, für jemand anderen die Drecksarbeit zu erledigen. Dazu erweisen sich auch die drei in „Trash“ debütierenden jugendlichen Darsteller allesamt als Volltreffer. Mit einehmender Natürlichkeit und der nötigen Frechheit reißen sie den Zuschauer sofort mit in ihr gefährliches Abenteuer. Nur wenn sie zwischendrin direkt in die Kamera sprechen und wie in einem Reality-TV-Format das gerade Gesehene kommentieren, wirken sie plötzlich gehemmt und unnatürlich – auf diese den Handlungsfluss unterbrechenden und für das Verständnis unnötigen Passagen hätten die Filmemacher besser verzichtet.

    Leider will Daldry, deren vorherigen Filme „Der Vorleser“ und „Extrem laut und unglaublich nah“ ebenfalls durch einen Mangel an Fingerspitzengefühl aufgefallen sind, aber nicht nur ein spannendes Abenteuer erzählen, sondern auch noch haufenweise Kritik an der brasilianischen Gesellschaft unterbringen. Ob er dafür als außenstehender Europäer überhaupt der richtige Mann ist, sei einmal dahingestellt, aber ein wenig geschickter hätte er seine Anklagen ruhig verpacken dürfen. So werden den jugendlichen Protagonisten immer wieder Dialoge in den Mund gelegt, die eher wie ausdruckslos runtergerasselte Fakten wirken (etwa dass Kinder auf der Halde bei gleicher Arbeit nur halb so viel verdienen wie Erwachsene), und wenn Pater Juilliard korrupte Konzerne aufzählt, fordert er besondere Aufmerksamkeit für die Nennung der Internationalen Stadiongesellschaft und des Brasilianischen Fußballverbands ein, die bei weitem nicht die mächtigsten oder wichtigsten der erwähnten Organisationen sind. Und obwohl sich die Kritik ja eigentlich auf strukturelle Missstände in der Gesellschaft hinweisen soll, entpuppt sich Frederico dann doch als kaum ernstzunehmender Hollywood-Klischee-Psychopath, der erst mal Opernmusik in den CD-Player legt, bevor er einen Jungen im Kofferraum eines Polizeiwagens foltern lässt.

    Fazit: Spannender, aber auch arg moralinsaurer Jugend-Krimi im brasilianischen Müll- und Korruptions-Dschungel.

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