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    As Luck Would Have It
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    As Luck Would Have It
    Von Christian Horn

    Verglichen mit den ungehobelten Erstlingswerken des spanischen Regisseurs Álex de la Iglesia („Aktion Mutante", „El día de la bestia", „Perdita Durango") ist seine auf der Berlinale 2012 gezeigte Mediensatire „As Luck Would Have It" ein eher konventionell erzählter Film. Iglesia wahrt die Einheit von Ort, Zeit und Handlung und folgt auch sonst dem Regelwerk einer klassischen griechischen Tragödie. Öde ist der bissige Berlinale-Beitrag aber keineswegs. „As Luck Would Have It" unterhält glänzend von Anfang bis Ende und entlarvt die Mechanismen der Mediengesellschaft sowie der Werbebranche auf elegante Weise. Darüber hinaus punktet der Film mit ausformulierten Figuren und einer guten Portion Situationskomik. Am Ende stehen zwar keine wirklich neuen Erkenntnisse über die Macht der (medialen) Bilder, ganz sicher aber ein gelungener Kinoabend, der zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik einlädt.

    Als der arbeitslose Werbetexter Roberto (Jose Mota) eine Stelle bei Coca Cola ergattern will – immerhin hat er vor Jahren deren erfolgreichen Werbespruch „Der Funke des Lebens" („Life's a little spark") erfunden –, stößt der Familienvater auf wenig Gegenliebe. In seiner misslichen Lage besucht er das Hotel, in dem er mit seiner geliebten Frau Luisa (Salma Hayek) die Flitterwochen verbrachte. In der Zwischenzeit wurde unter dem Hotel ein antikes Amphitheater gefunden, nun steht dort ein Museum. Dann führt ein Unfall dazu, dass Roberto von einem Baugerüst abstürzt, mitten auf der Bühne landet und sich eine Eisenstange in seinen Hinterkopf bohrt. Bald fahren Medien vor und berichten über den Mann mit der Stange im Kopf, der nicht ins Krankenhaus transportiert werden kann und dessen Schicksal live im TV übertragen wird. Roberto, der geistig noch voll da ist, wittert seine Chance und möchte Kapital aus seiner plötzlichen Berühmtheit schlagen...

    Passend zur klassischen Art der Erzählung bleibt das imposante Amphitheater ab dem Moment des Unfalls der einzige Handlungsort des Films. Um den mit der Eisenstange im Hinterkopf herumliegenden Roberto versammelt Álex de la Iglesia, der mit Randy Feldmans Skript erstmals ein fremdes Drehbuch adaptierte, eine ganze Schar dubioser Gestalten mit verschiedensten Interessen. Etwa den Museumswärter, der Roberto mit seiner Handykamera filmt, die Museumsdirektorin, die um den Ruf ihres Hauses bangt, den überforderten Arzt oder den Bürgermeister, der vor allem an den Tourismus denkt. Dass die Bilder des unglücklich aufgespießten Roberto um die Welt gehen, hält indes nicht nur der Bürgermeister für eine Goldgrube. So verhandelt der von Roberto engagierte „Anwalt" beziehungsweise „Medienverwalter" Verträge mit der TV- und Werbebranche – als „Mann mit der Stange im Kopf" avanciert Roberto zur Marke.

    Zuerst kommt das Product Placement. Im weiteren Verlauf geht es dann beispielsweise um ein exklusives Interview mit Roberto, den die Reporter zum Volkshelden stilisieren, der an den Herausforderungen der Wirtschaftskrise zerbrochen ist. Die am Unfallort umherwuselnden und exzellent besetzten Nebenfiguren versieht Iglesia mit markanten Konturen. So ist Roberto nur in der ersten Hälfte noch der Star des Films. Fortan tritt seine von Salma Hayek („From Dusk till Dawn") verkörperte Ehefrau in den Vordergrund. Anfangs noch als Heim- und Herd-Gattin eingeführt mausert sich Hayek schnell zur starken Frau, die das Ruder in die Hand nimmt und ihren Mann vor dem ausufernden Irrsinn der Boulevardreporter schützt.

    Im Grunde geht es dabei um die Frage, in welchem Verhältnis Geld und Liebe zueinander stehen – über Hayeks sympathische Figur findet „As Luck Would Have It" darauf schließlich eine eindeutige Antwort. Gelungen am starken Schlussbild des Films ist vor allem, dass Iglesia bis dahin auf geschickte Weise mehrere Antworten offenlässt. Auf der Berlinale gab es nicht nur dafür, sondern auch bei anderen entscheidenden Hayek-Auftritten Szenenapplaus. Fraglos könnte „As Luck Would Have It" tiefer in die Materie vordringen, doch auf eine streng akademische Medienanalyse ist der Film von Beginn an nicht ausgerichtet. Vielmehr zählt hier die grandios absurde Situationskomik, die gleichzeitig auch über die Maßen tragisch ist.

    Harmlos ist diese Vorführung der Medienwelt aber keineswegs. So verteilt Autor Feldman etwa treffsichere Seitenhiebe auf das Schicksal der Minenarbeiter, die 2010 in Chile verschüttet und unter großem Trommelwirbel der Berichterstatter befreit wurden. Sein Publikum bringt er so langsam aber sicher in eine moralische Zwickmühle: Als Roberto einmal kurz vor dem Abtransport gen Krankenhaus steht, fiebert man plötzlich mit dem ansonsten eher unsympathischen „Anwalt" mit. Dieser meint nämlich, dass ein aufgespießter Typ im antiken Theater doch viel spektakulärer sei als ein Schwerverletzter in der Notaufnahme – damit dürfte er im dunklen Kinosaal mindestens verschämte Zustimmung erhalten.

    Fazit: Mit „As Luck Would Have It" präsentiert Álex de la Iglesia eine sorgsam zwischen Anspruch und Unterhaltung, zwischen Tragik und Komik austarierte Mediensatire, die mit einer absurden Prämisse, einem wunderbaren Schauplatz und plastischen Figuren begeistert.

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