Während die Deutschen über schwierige Zeiten jammern, gilt ihr Heimatland in den wirtschaftlich maroden Ländern Südosteuropas als Aushängeschild für das reiche Mitteleuropa. Die deutsch-albanische Ko-Produktion „Der Albaner" zeichnet diese Perspektive nach und zeigt das Schicksal eines jungen Albaners, der in Berlin binnen kurzer Zeit viel Geld verdienen möchte. Der Regiedebütant Johannes Naber kann sich dabei stets auf seinen glaubhaften Hauptdarsteller Nik Xhelilaj („Alive!") verlassen und erweist sich darüber hinaus als veritabler Geschichtenerzähler. Sein Drama, das erfolgreich in den albanischen Kinos lief und den diesjährigen Max-Ophüls-Preis erhielt, überzeugt trotzdem nicht vollends, weil die Erzählung insgesamt zu durchschaubar und konstruiert ausfällt.
In den albanischen Bergen ist das Leben stark von Traditionen sowie religiösen und familiären Werten geprägt. Hier führen Arben (Nik Xhelilaj) und Etleva (Xhejlane Terbunja) eine heimliche Liebesbeziehung, die sie nur nach einer Hochzeit offiziell machen könnten. Als Etleva schwanger wird, darf sie Arben nicht mehr sehen – außerdem will ihr Vater die Tochter an einen Geschäftsmann verheiraten, der als Mitgift die Schulden der Familie begleichen würde. Um ebendiese Mitgift selbst aufbringen zu können, entscheidet sich Arben für eine illegale Einwanderung nach Berlin. Hier will er bis zur Geburt des Kindes die benötigten 10.000 Euro verdienen, um seine Geliebte zu heiraten. Da Arben als Tagelöhner jedoch zu wenig verdient, gerät der junge Mann bald in die kriminellen Kreise um den zwielichtigen Damir (Stipe Erceg, „Die fetten Jahre sind vorbei")...
Sein Geld verdient Arben fortan als Schlepper, der illegale Einwanderer in einem Transporter nach Deutschland schleust. Sein polnischer Kumpel Slatko (Ivan Shvedoff, „Lichter"), den er noch aus der Zeit als Schwarzarbeiter kennt, steigt ebenfalls ins Geschäft mit ein. Immer wieder filmt Johannes Naber die vielen Geldscheine, die nach einer erfolgreichen Tour den Besitzer wechseln: Nachdem die Illegalen an einen weiteren Mann vermittelt wurden, hält der Auftraggeber Damir die Banknoten bündelweise in der Hand und verteilt die Anteile an seine Handlanger. Ohne Nachricht von seiner Geliebten in Albanien zählt Arben sein angespartes Geld und die Tage bis zur Geburt des Kindes. Nur die Hoffnung auf eine rechtzeitige Rückkehr in die Heimat zählt für ihn – es ist also ausgerechnet die Liebe, die Arben in eine Spirale des Scheiterns treibt.
Die Geschichte Arbens entwickelt Regisseur Naber zunächst als behutsam erzähltes Drama, bis er im letzten Drittel mit Motiven des Thrillers spielt. Dabei arbeitet er mit ruhigen Kameraeinstellungen und farbentsättigten, oft symbolisch aufgeladenen Bildern. Nabers Erzählsstrategie fällt jedoch bisweilen allzu platt und offensichtlich aus: Wenn Arben ein Babyspielzeug aus dem deutschen Verkaufsfernsehen bestellt und es später – als seine Pläne zu scheitern drohen – in einem Akt der Verzweiflung zerstört, doppelt Naber eine Einsicht, die dem Publikum auch ohne die übergroße Geste klar gewesen wäre.
Diese und andere konstruiert wirkende Handlungen torpedieren zudem das nuancenreiche Spiel des Hauptdarstellers und zerstören den authentischen Eindruck, den der Film vermitteln will – immerhin hat der Regisseur die langjährige Arbeit an seinem Drehbuch mit einer fundierten Recherche des Sachverhalts kombiniert. Nabers ursprüngliche Idee, das Material in einem Dokumentarfilm zu verarbeiten, zerschlug sich an der Schwierigkeit, illegale Einwanderer vor die Kamera zu bekommen. Das dokumentarische Moment scheint indes auch in der fiktionalen Bearbeitung durch – in vielen Details und beiläufigen Beobachtungen bietet „Der Albaner" Bilder der Lebenswirklichkeit illegaler Einwanderer, deren Erwartungshaltung auf oft bittere Weise enttäuscht wird. Umso bedauerlicher ist es, dass die Rahmenhandlung wiederholt ins Überdeutliche kippt und so die unmittelbare Kraft der Erzählung behindert.