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    Tom Sawyer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tom Sawyer
    Von Björn Becher

    Mangelndes Selbstbewusstsein kann man „Tom Sawyer"-Produzent Boris Schönfelder („Nordwand") nicht gerade vorwerfen. Für seine erste Kinderfilmproduktion nahm er sich mit Mark Twains Roman „Die Abenteuer des Tom Sawyer" gleich einen der größten Klassiker der Jugendliteratur vor. Als Inspiration nennt er zudem Detlev Bucks „Hände weg von Mississippi", ein Paradebeispiel für charmante und witzige Familienunterhaltung, sowie Peter Bogdanovichs bezaubernden Komödienklassiker „Paper Moon" - und legt die Messlatte damit noch höher. Außerdem hat er - ehe „Tom Sawyer" überhaupt in die deutschen Kinos kommt - bereits mit der Produktion des Sequels „Huck Finn" begonnen. Aber dieses Selbstbewusstsein hat seine Berechtigung, denn „Tom Sawyer" ist ein charmanter, spannender und kurzweiliger Kinderfilm – auch wenn Regisseurin Hermine Huntgeburth („Bibi Blocksberg") mitunter etwas zu stark aufs junge Publikum abzielt.

    Mitte des 19. Jahrhundert: Am Ufer des Mississippi liegt das kleine Nest St. Petersburg. Dort lebt Lausbub Tom Sawyer (Louis Hofmann), der seine Tante Polly (Heike Makatsch) immer wieder mit seinen Streichen zur Weißglut treibt. Meist an Toms Seite ist sein bester Freund Huckleberry Finn (Leon Seidel), der in einer Holztonne am Flussufer haust. Als sich die Jungs eines Nachts auf den Friedhof schleichen, sehen sie dort, wie der finstere Indianer Joe (Benno Fürmann) hinterrücks Doc Robinson (Sylvester Groth) ermordet und anschließend noch den einfältigen Trunkenbold Muff Potter (Joachim Krol) glauben lässt, selbst der Mörder zu sein. Den unfreiwilligen Zeugen ist klar, dass sie schweigen müssen, denn mit Indianer Joe legt man sich besser nicht an. Doch dann soll Muff Potter gehängt werden...

    Mark Twains passend betitelte Vorlage „Die Abenteuer des Tom Sawyer" ist weniger ein klassischer Roman als eine episodenhafte Sammlung vieler kleiner Geschichten, durch die sich ein roter Faden zieht. Wie die meisten anderen der bereits rund ein Dutzend Kino- und TV-Adaptionen zuvor, beschränken sich Regisseurin Hermine Huntgeburth und Drehbuchautor Sascha Arango auf die bekanntesten Episoden des Buches, darunter die Begegnungen der Jungs mit Indianer Joe, die Mordtat und Toms Schwärmerei für die schöne Richtertochter Becky (Magali Greif). Dabei gelingt es den Filmemachern, die herausgegriffenen Elemente überzeugend zu einer durchgehenden Handlung zu verdichten und den kindgerechten Spannungsbogen bis zum Ende zu halten.

    In Kulissen, die ursprünglich einmal für den Hollywood-Film „Unterwegs nach Cold Mountain" mit Jude Law und Nicole Kidman errichtet wurden, lässt Huntgeburth glaubwürdig und detailreich das dörfliche Missouri des 19. Jahrhunderts aufleben. Auch der Einsatz von deutschen Schauspielern schadet diesem authentischen Eindruck nicht. Wie treu die Filmemacher ihrer berühmten Vorlage bis in Einzelheiten sind, zeigt sich darin, dass sie auch Twains Bezeichnung „Nigger" – anders als die Herausgeber einiger neuerer Auflagen des Buches - nicht unter den Tisch kehren. Insgesamt ist Huntgeburths Film eine stimmige Adaption ohne willkürliche Anachronismen - nur der für eine größere deutsche Jugendfilmproduktion inzwischen offenbar obligatorische Rap-Song im Abspann – vorgetragen von den Jungdarstellern selbst – fällt hier als Fremdkörper negativ auf.

    An der Seite der sehr gut miteinander harmonierenden Jungdarsteller Louis Hofmann(„Danni Lowinski") und Leon Seidel („Teufelskicker") in den Hauptrollen stechen besonders Heike Makatsch („Hilde") und Benno Fürmann („Jerichow") aus der prominent besetzten Nebendarstellerriege heraus. Makatschs Tante Polly unterscheidet sich stark von der Vorlage und vor allem von bisherigen Adaptionen. Sie ist hier nicht nur jünger, sondern auch weniger garstig und zeigt deutlich mehr Sympathie und Verständnis für den Lausbub Tom Sawyer, ohne allerdings in den entscheidenden Momenten die nötige Strenge vermissen zu lassen. Dadurch wirkt auch ihre spätere Sorge um den Ziehsohn absolut glaubwürdig.

    Der heimliche Star des insgesamt ausgezeichneten Ensembles ist aber Benno Fürmann als Indianer Joe. Das richtige Outfit und ordentlich Schminke im Gesicht reichen dem erstklassigen Schauspieler, um ein authentisches Halbblut darzustellen. Vor allem beim gemeinsamen Abendessen mit Tante Polly und Tom zeigt er eine Glanzleistung. In Sekundenschnelle wechseln Fürmanns Mimik und gesamte Körpersprache zwischen mordlüstern-bedrohlichem Bösewicht und charmant-zuvorkommendem Hausgast. Allerdings wird das Potential dieser Figur nicht immer so gut ausgenutzt wie in dieser Szene oder in Toms düsteren Alpträumen. Die übrigen Konfrontationen zwischen Titelheld und Bösewicht werden meist recht schnell und glatt zum Guten aufgelöst. Auch der gegenüber der Vorlage leicht veränderte Showdown hätte aus der Sicht älterer Jugendlicher und Erwachsener noch eine ganze Spur mehr Intensität und Spannung vertragen können, aber Huntgeburth hält sich zurück, um die jüngeren Zuschauer nicht zu verschrecken.

    Fazit: Schon oft wurde „Tom Sawyer" verfilmt, aber selten so charmant wie hier: Hermine Huntgeburth gelingt eine der besseren Mark-Twain-Adaptionen, die vor allem für das Publikum der Sechs- bis Zwölfjährigen maßgeschneidert ist.

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