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    Dark Stone - Reign of Assassins
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Dark Stone - Reign of Assassins
    Von Björn Becher

    Bei den 67. Filmfestspielen von Venedig bekam John Woo aus den Händen von Festivaldirektor Marco Mueller, seinem Bewunderer Quentin Tarantino und seinem langjährigen Kompagnon Tsui Hark den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk überreicht. Es ist die Auszeichnung für eine Karriere mit vielen Höhen, aber auch einer ganzen Reihe von Tiefen. Vor allem in den Achtzigern, aber auch noch in den Neunzigern war John Woo das Nonplusultra in Sachen Action. Meisterwerke wie „The Killer" oder die ersten beiden „A Better Tomorrow"-Filme zählen zu den absoluten Klassikern des Genres. Und auch nach dem Sprung nach Hollywood zeigte Woo teilweise die alte Stärke. Nach den Auftragsarbeiten „Harte Ziele" und „Operation - Broken Arrow" legte er mit „Im Körper des Feindes" einen der besten US-Blockbuster der Neunziger vor. Doch dann ging es steil bergab. Vor allem der inszenatorische Totalflop „Mission: Impossible 2", aber auch „Windtalkers" und „Paycheck" waren weit von der Klasse seiner früheren Werke entfernt. Woos Karriere stockte, bis 2008 endlich ein Befreiungsschlag glückte. Der Regisseur kehrte für das zweiteilige Epos „Red Cliff" in seine chinesische Heimat und fand damit zu alter Klasse zurück. Nun arbeitet er weiter aus dem fernen Osten und bestätigt mit seinem neuesten Werk „Reign Of Assassins" den Aufwärtstrend. Auch wenn er hier nur als Co-Regisseur an der Seite seines jungen Kollegen Chao-Bin Su agiert, tragen die Action-Szenen des unterhaltsamen Wuxia-Films deutlich seine Handschrift.

    Auftragskillerin Drizzle (Kelly Lin) gehört zur Bande „The Dark Stone" und beschließt, nachdem sie ihren Geliebten ermorden musste, nie mehr jemanden zu töten und sich zur Ruhe zu setzen. Um vor Repressalien ihrer einstigen Mitstreiter verschont zu bleiben, lässt sie mit Hilfe eines Gifts ihre Gesichtszüge altern und lässt sich unter den Namen Zeng Jing (nun: Michelle Yeoh) als Tuchhändlerin nieder. So lernt sie den tollpatschigen Boten Jiang Ah-Sheng (Jung Woo-Sung) kennen, den sie schließlich heiratet. Als sie jedoch bei einem Banküberfall in die Bredouille gerät, muss sie ihre Kampfkünste erneut anwenden. Das wiederum erregt die Aufmerksamkeit ihres alten Bosses, des „Wheel Kings" (Wang Xueqi), der sowieso gerade in der Hauptstadt weilt. Denn er hat dasselbe Ziel wie die Bankräuber: die Überreste eines Mönchs, die ihrem Besitzer übernatürliche Martial-Arts-Fähigkeiten verleihen sollen. Mit seinen drei Top-Killern - dem Messerspezialisten Lei Bin (Shawn Yue), dem über Zauberkräfte verfügenden Magician (Leon Dai) und der ebenso schönen wie tödlichen Turquoise (Barbie Hsu) - macht er sich auf die Jagd nach Drizzle, die er für den Schlüssel auf der Suche nach dem Mönchsleichnam hält...

    Chao-Bin Su („Silk"), der vor allem als Drehbuchautor Erfolge feierte, bevor er schließlich auch auf dem Regiestuhl Platz nahm, nennt es den Traum jedes Kindes, einmal einen Schwertkampf-Film (Wuxia) zu drehen. Nachdem er das Drehbuch zu „Reign Of Assassins" fertig stellte, hatte er das Glück, dass John Woo es in die Hände bekam und sich der Regiestar nicht nur entschloss, das Werk zu produzieren, sondern dem mit großen Actionszenen noch unvertrauten Jungregisseur als Co-Regisseur zur Seite zu stehen. Und diese Kombination zahlt sich aus. Waren schon Woos frühere Werke visuell berauschende Kugelballette, für die der Begriff „in Schönheit sterben" maßgeschneidert war, knüpfen die Kampfszenen aus „Reign Of Assassins" nun nahtlos an Woos Meisterwerke an, nur mussten die Feuerwaffen eben Schwertern und einem Hauch Fantasy weichen.

    Auf den größten Unterschied zwischen Hollywood und China angesprochen, verwies John Woo darauf, dass einem in den USA von vielen Seiten in die Arbeit reingeredet wird und das Ergebnis so immer ein Kompromiss sei. In seiner Heimat sei der Regisseur hingegen immer noch der König, der ein grünes Licht oft schon bekomme, bevor es überhaupt ein finales Drehbuch gebe. Diese Arbeitsweise ist dem Auftakt von „Reign Of Assassins" deutlich anzumerken. Hier werden mit einer Geschwindigkeit Charaktere und Handlungsstränge eingeführt, die erst gegen Ende überhaupt wieder eine Rolle spielen, dass es manchen Traumfabrik-Produzenten zur Weißglut treiben würde. Hollywood-Bosse würden hier wohl nachdrücklich den fleißigen Einsatz des Rotstiftes empfehlen. Doch auch wenn Chao-Bin Sus Stil für den Zuschauer strapaziös ist und man erst einmal ein paar Minuten braucht, um die Menge an Informationen sacken zu lassen, lohnt sich die Anstrengung. Schließlich finden im actionreichen, amüsanten und hochdramatischen Finale alle Figuren und Storystränge wieder zusammen, was ohne die komplexe Einführung kaum möglich gewesen wäre.

    Fazit: Dass Regisseur Chao-Bin Su vor allem ein exzellenter Drehbuchautor ist, zahlt sich aus. Auch wenn sich bisweilen Wendung an Wendung reiht, Michelle Yeohs Figur nicht die einzige ist, die eine zweite Identität besitzt, und der Kitsch nie fern ist, erzählt „Reign Of Assassins" eine emotional ergreifende Geschichte, die genau die richtigen Anteile Action, Romantik, Humor und Drama vermischt. Dass da auch einige westliche Filme wie „Kill Bill" oder „Mr. and Mrs. Smith" überdeutlich Pate standen, verzeiht man da nur allzu gerne.

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