Ob man Michael „Bully" Herbigs Humorverständnis nun teilt oder nicht – seine bisherigen Regiearbeiten waren so erfolgreich an den deutschen Kinokassen wie sonst nur große US-Blockbuster. So direkt und brav seine Komik dabei auch ausfiel, so überzeugend beherrschte er sein Handwerk und produzierte mit überschaubarem Budget Kinobilder, die sich sehen lassen konnten. Sein größtes Talent aber war ein anderes: Wie kaum ein Zweiter verstand es Herbig, sich vor den heiligen Kühen deutscher Nachkriegs-Fernsehunterhaltung zu verbeugen und aus kollektiver Nostalgie - nicht nur kreatives - Kapital zu schlagen; so etwa geschehen mit kitschig-klobigen Krautwestern Marke Karl May („Der Schuh des Manitu") oder Sechziger-Science-Fiction wie „Raumpatrouille Orion" („(T)Raumschiff Surprise - Periode 1"). Das Konzept der Aufarbeitung poppiger Kultobjekte vergangener Jahrzehnte wurde mit „Wickie und die starken Männer" 2009 ein weiteres Mal höchst erfolgreich wiederholt. Mehr als fünf Millionen Zuschauer wollten das Leinwand-Update der beliebten Zeichentrickserie (1972 bis 1974) miterleben. Trotz ambivalenter Kritik des Kinder-Abenteuers brauchte man so keinen Draht zu den nordischen Göttern, um sich an fünf Fingern auszurechnen, dass bald eine Fortsetzung ins Haus stehen würde. Da „Bully" bereits früh signalisiert hatte, aus zeitlichen Gründen nicht zur Verfügung zu stehen, heuerte Produzent Christian Becker für „Wickie auf großer Fahrt" den Kinderfilm-erprobten Christian Ditter („Die Vorstadtkrokodile") an.
Viel hat sich in der wilden Welt der wüsten Wikinger aus Flake nicht geändert, seit der schlaue Häuptlingssohn Wickie (Jonas Hämmerle) dem schrecklichen Sven (Günther Kaufmann) die Stirn geboten hat. Noch immer muss Wickie um die Achtung seines bärbeißigen Vaters Halvar (Waldemar Kobus) ringen, der sich von der mangelnden Kampfeslust seines Sprösslings unverändert enttäuscht zeigt. So gewitzt sein Filius auch ist – ein echter Wikinger definiert sich in Halvars Augen durch seine Schlag- und nicht etwa seine Geisteskraft. Auf einem ihrer Raubzüge fällt Halvar und seiner Bande neben der jungen Diebin Svenja (Valeria Eisenbart) auch ein geheimes Büchlein in die Hände, in dem der Weg zu einem sagenumwobenen Eispalast und darin dem Hammer des Donnergottes Thor verzeichnet ist. Hinter dem ist auch der schreckliche Sven her, der kurz darauf Halvar aus Flake entführt und in seinem Verließ am „Kap der Angst" (!) gefangen hält. Nun ist es an Wickie, die reichlich belämmerte Bande seines Vaters anzuführen, Halvar zu befreien und Thors Hammer vor Sven zu erreichen.
Das größte Problem des Erstlings bestand darin, dass es „Bully" Herbig - der sich hier erstmals an einem bereits bestehenden Franchise versuchte - nicht immer gelang, einen gesunden Mittelweg zwischen Parodie und verklärender Hommage zu finden. Wo er bei seinen ersten Leinwandausflügen noch Narrenfreiheit hatte und sich der großen Persiflage auf Teufel komm raus hingeben konnte, hatte er es plötzlich mit einer beliebten Vorlage zu tun – und ging deutlich zahmer ans Werk. Immerhin galt es, sowohl die Fans von einst nicht zu vergrätzen und gleichzeitig den angestaubten Humor des Originals auf den neuesten Stand zu bringen. Dieser Drahtseilakt misslingt besonders deutschen Komödienmachern in schöner Regelmäßigkeit. Besonders „Jerry Cotton" geriet zuletzt zu einem Ärgernis. Auf überschwängliche Referentialität verzichtet Herbig-Nachfolger Ditter dieses Mal, stattdessen kommt er auf direktem Wege dem jüngeren Publikum entgegen.
Zielstrebig wird die aus allerhand Fantasy-Versatzstücken zusammengeklaubte Story – im letzten Akt im Eispalast bediente man sich etwa offenbar bei „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" – vorangetrieben. Das grenzwertige Stelldichein zahlreicher deutscher Stars, Sternchen und deutscher Comedians, die den Vorgänger noch in unangenehme Nähe der jüngsten Otto-Filme abtreiben ließen, wurde klugerweise ausgespart. Einzig Christoph Maria Herbst („Stromberg") als rechte Hand des schrecklichen Sven ist wieder mit von der Partie, aber nur in einer kleinen Nebenrolle. Der Gastauftritt von Model Eva Padberg als Anführerin eines Amazonen-Stammes fällt hingegen wider Erwarten durchaus charmant aus.
Die Kinderdarsteller derweil machen sich gut, auch wenn ihnen beizeiten die Natürlichkeit „echter" Kinder abgeht. Fassbinder-Veteran Günther Kaufmann („Whity ging nach Osten", „Querelle") begeistert wie schon im Vorgänger als schrecklicher Sven, stiehlt allen die Show und hat sich sein spätes Leinwand-Comeback damit redlich verdient. Kaufmann spielt den versammelten Cast, aus dem höchstens noch Waldemar Kobus als Wickies Vater Halvar hervorsticht, an die Wand und sorgt mit seinem komödiantischen Gespür für Highlights, die so manche unnötige Länge und das erwartungsgemäß überflüssige 3D vergessen lassen.
Fazit: Unterm Strich ist Christian Ditter mit „Wickie auf großer Fahrt" zwar kein „großes Kino", wohl aber nette Unterhaltung für abenteuerlustige Kinder gelungen.