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    I Shot My Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    I Shot My Love
    Von Christian Horn

    Im Dokumentargenre ist seit ein paar Jahren eine Entwicklung zu beobachten, die ganz wesentlich mit den neuen HD-Aufnahmetechniken zusammenhängt: Dokus werden zunehmend privater und intimer. YouTube-Clips zu allen denkbaren Lebenslagen, Partyfotos in den sozialen Netzwerken und selbstgedrehte Pornos stehen dabei am Beginn eines Prozesses, deren Früchte immer häufiger auch den Weg ins Kino finden. Ohne nennenswertes Budget auskommende Dokumentationen wie „Mein Halbes Leben", „88 - Pilgern auf Japanisch" oder „Postcard To Daddy" sind nur drei Beispiele dafür. Und auch der israelisch-stämmige Regisseur Tomer Heymann, dessen aktueller Film „The Queen Has No Crown" im Panorama der 61. Berlinale lief, legt nun mit „I Shot My Love" eine kammerspielartige Dokumentation vor, die in ebendiese Do-It-Yourself-Kerbe schlägt.

    Im Stile eines Essays stellt Tomer Heymann die Liebesbeziehung zu seinem deutschen Freund Andreas in den Fokus, wobei sein Augenmerk vor allem auf den kulturellen Unterschieden liegt, die eine Beziehung zwischen einem Israeli und einem Deutschen belasten könnten. Eine große Rolle spielt dabei Heymanns Mutter, bei der das Paar längere Zeit zu Besuch ist (mit „Coming Home - I Shot My Mother" widmet Heymann ihr übrigens auch noch einen eigenen, offenbar aus demselben Rohmaterial montierten Film). Eine Hüftoperation der Mutter, Weihnachten bei Andreas' Familie in Deutschland und viele weitere Episoden verbindet der Regisseur in „I Shot My Love" zu einem subjektiven und bisweilen sehr humorvollen Porträt.

    Oft geht es in der Besprechung eines Dokumentarfilms nur um den Inhalt. Aber das ist eine fahrlässig verkürzende Herangehensweise, denn wie bei Spielfilmen ist das eigentlich Spannende auch bei Dokumentarfilmen häufig die Inszenierung, die Ästhetik und die Montage. Gerade ein Film wie „I Shot my Love" lässt sich ohne diese Kategorien kaum erschließen. Das Thema ist lediglich leidlich interessant (eine von hunderttausenden Liebesbeziehungen: Wen kümmert‘s?), die Relevanz entsteht erst durch die filmische Umsetzung. Mittels der HD-Technik ist es Tomer Heymann nämlich möglich, Gespräche mit Andreas oder seiner Mutter in ungewöhnlich unmittelbarer Weise festzuhalten. In einer Szene diskutiert das Paar über seine Einstellung zur Liebe und die Zukunft der Beziehung: Was Lebenspartner für gewöhnlich unter vier Augen besprechen, macht Heymann so öffentlich. Formal betont er dabei das Private und Intime, indem er auf jegliche inszenatorischen Effekte verzichtet.

    Noch vor wenigen Jahren wurde vom Dokumentargenre gefordert, es solle „Ereignisse abbilden, die auch ohne die Anwesenheit der Kamera stattgefunden hätten". Für „I Shot My Love" wählt Heymann nun genau den gegenteiligen Ansatz, indem bereits die Auswahl des Bildausschnitts die stete Anwesenheit der Kamera reflektiert: Die abgerundeten Ecken lassen fast den Eindruck entstehen, der Zuschauer blicke persönlich durch den Sucher. Darüber hinaus verhandeln auch die Protagonisten selbst den Umstand, dass sie vor der Kameralinse agieren. Andreas erklärt, er sei nicht sicher, ob die Anwesenheit der Kamera Einfluss auf sein Verhalten habe: „Ich fühle mich noch immer nicht wohl damit." Außerdem findet er, dass sein Freund im toten Winkel hinter der Kamera die bessere Position innehabe – ganz genauso wie das Publikum.

    Nicht alle Momente in „I Shot My Love" sind für den Betrachter von Belang. Während vor allem die Beziehungsgespräche des Paares und der beklemmende Besuch bei Andreas' Eltern eine hohe Intensität erreichen, erscheinen einige der Alltagsbeobachtungen oder die Episode um das Hüftleiden der Mutter allzu banal. Dennoch funktioniert „I Shot My Love" als moderner und reflexiver Dokumentarfilm, der seine drei Protagonisten und deren Verhältnis untereinander in intimer Weise porträtiert: HD macht‘s möglich!

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