Ein zumindest handwerklich überlegenes Remake
Von Christoph PetersenSelbst 45 Jahre nach der Veröffentlichung seines ersten Romans „Carrie“ ist der Hype um Stephen King noch immer ungebrochen. Gerade in Hollywood scheint nach dem Release von „Es“, dem inzwischen mit Abstand finanziell erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten, ein regelrechtes Goldfieber ausgebrochen zu sein. Allein 2019 erscheinen drei große King-Adaptionen im Kino, namentlich „Es 2“, das „Shining“-Sequel „Doctor Sleep“ sowie eine weitere Adaption des Mega-Bestsellers „Friedhof der Kuscheltiere“, dessen erste Verfilmung von Mary Lambert schon 1989 unter den 25 erfolgreichsten US-Kinostarts des Jahres landete. Das eingespielte Regie-Duo Kevin Kölsch und Dennis Widmyer („Starry Eyes - Träume erfordern Opfer“) wetzt in seiner „Friedhof der Kuscheltiere“-Neuauflage eine ganze Reihe der offensichtlichsten Makel des Vorgängers aus, lässt gerade im letzten Drittel aber eben jene Konsequenz vermissen, die Kings Roman zu einem solchen grandios-deprimierenden Meisterwerk macht.
Der Arzt Louis Creed (Jason Clarke) und seine Frau Rachel (Amy Seimetz) ziehen gemeinsam mit ihren Kindern Ellie (Jeté Laurence) und Gage (Hugo Lavoie) aus dem stressigen Boston in die vermeintlich ruhige Kleinstadt Ludlow, Maine. Ihr neues Anwesen ist allerdings direkt an einer Straße gelegen, auf der ständig tonnenschwere Lastwagen vorbeirasen, während sich im Wald hinter dem Haus ein Friedhof befindet, auf dem die Kinder der Stadt ihre verstorbenen Haustiere beerdigen. Als an Halloween ihre Hauskatze Church (kurz für Winston Churchill) von einem LKW totgefahren wird, bietet Nachbar Jud Crandall (John Lithgow) an, Louis beim Bestatten des Tieres zu helfen. Statt auf den Tierfriedhof im Wald führt Jud Louis aber auf einen noch dahintergelegenen Indianerfriedhof, von dem alles mehr oder weniger „lebendig“ zurückkehrt, was man dort in der verfluchten Erde begräbt...
So gut wie neu: Schmusekätzchen Church nach einer Nacht auf dem Friedhof.
Stephen King wollte „Friedhof der Kuscheltiere“ nach dem Fertigschreiben zunächst eigentlich gar nicht veröffentlichen, ihm und seiner Frau erschien die Geschichte einfach zu düster und hoffnungslos. Letztendlich hat der Autor den Roman ein paar Jahre später überhaupt nur herausgerückt, um eine vertragliche Verpflichtung gegenüber seinem Verleger erfüllen zu können. Und es stimmt ja auch: Was auf den ersten Blick ein vermeintlich simples Horrorstück ist, verquickt in Wahrheit die Themen Verlust, Trauer und Schuld auf eine Weise miteinander, die den Leser mit äußerster Konsequenz mit in den Abgrund reißt – und zwar bis hin zum allerletzten Satz auf der allerletzten Seite.
Drehbuchautor Jeff Buhler („The Prodigy“) hat das Ende der Vorlage (und der ersten Verfilmung) in seinem Skript allerdings abgeändert. Jetzt gipfelt das Geschehen in einem Twist, den man womöglich ganz clever finden kann, der aber der Trauer-Metapher des Stoffes zuwiderläuft und ihr ein gutes Stück weit den emotionalen Punch raubt. Den Kinosaal verlässt man dieses Mal jedenfalls längst nicht so niedergeschlagen wie bei der ersten Adaption – vom Lesen des Romans, nach dem man sich erst mal auf unbestimmte Zeit unter der Bettdecke verkriechen möchte, mal ganz zu schweigen. Das ist vor allem deshalb so schade, weil Kölsch und Widmyer zuvor eine Menge Dinge richtig machen, die in der 1989er-Version längst nicht so gut klappen.
Das betrifft vor allem mal die Schauspieler, der grausam schlechte Dale Midkiff hat Mary Lamberts Verfilmung schließlich noch fast im Alleingang versenkt: Dass die sich zunehmend ins Unermessliche steigernde Verzweiflung seiner Figur trotz seiner miserablen Mimik zumindest im Ansatz rüberkommt, grenzt da schon an ein Wunder. Jason Clarke („Zero Dark Thirty“, „Planet der Affen: Revolution“) ist da natürlich ein ganz anderes Kaliber. Seinem zunächst noch so rational argumentierenden Louis Creed, der im Gegensatz zu seiner Frau nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, steht der Schmerz ab der Hälfte des Films buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Seine Augen werden immer leerer, bis er irgendwann als Hülle seiner selbst einfach nur noch funktioniert – eine Performance, die eine ganze Reihe von Entscheidungen sehr viel nachvollziehbarer macht, die in der ersten Leinwandadaption einfach nur beliebig und unmotiviert wirken.
John Lithgow („Planet der Affen: Prevolution“, „Dexter“) wurde ebenfalls nicht von ungefähr schon zwei Mal für einen Oscar nominiert. Aber weil im Umfeld seiner Figur doch eine ganze Reihe von Dingen dem Rotstift zum Opfer gefallen sind (etwa seine Frau Norma und vor allem die Erzählung über Timmy Baterman), ist Jud eben einfach nur der hilfsbereite Nachbar von gegenüber. Ebenfalls etwas zu kurz kommt diesmal der warnende Geist des totgefahrenen Schülers Victor Pascow (Obssa Ahmed). Schön ungemütlich sind hingegen wieder die Rückblenden mit Rachels älterer Schwester Zelda (Alyssa Brooke Levine). Diesmal allerdings nicht, weil die an Rückenmark-Meningitis leidende Teenagerin wie Ende der Achtziger von einem erwachsenen Mann verkörpert wird, sondern vor allem dank eines herausragenden Sounddesigns – von den Geräuschen ihrer verdrehten Gelenke bis hin zu dem sich in den Wänden festsetzenden Knatschens eines Speiseaufzugs.
Nur echt mit ganz viel künstlichem Nebel: der neue Friedhof der Kuscheltiere.
Sowieso schlagen die Jump Scares an vielen Stellen richtig schön fies ein. Vor allem die ständig vorbeirauschenden LKWs werden dabei immer wieder sehr effektiv eingesetzt. Zudem sieht der neue „Friedhof der Kuscheltiere“ erstaunlich gut und atmosphärisch aus – denn selbst wenn der auch örtlich reduzierte Plot eigentlich kaum spektakuläre Schauwerte zulässt, haben sich die Macher doch ein paar echt stimmungsvolle Motive einfallen lassen, etwa die Totenprozession einiger mit Tiermasken vermummter Schüler, die zum Klang einer Trommel zum – natürlich auch diesmal wieder falsch geschriebenen – Pet Sematary marschieren.
Nur an zwei Stellen wäre weniger womöglich doch wieder mehr gewesen: Zum einen sieht der Indianerfriedhof, der 1989 noch aus einigen schlichten Steinkreisen bestand, diesmal aus, als ob er eher in Mordor statt in Maine liegen würde. Und der fatale Unfall in der Mitte des Films wirkt nun zwar tatsächlich eine ganze Ecke spektakulärer, aber weil man doch deutlich sieht, dass der Tanklaster im entscheidenden Moment nun aus dem Computer stammt, mangelt es der eigentlich ganz zentralen Szene buchstäblich am nötigen Gewicht.
Fazit: Der neue „Friedhof der Kuscheltiere“ ist der ersten Verfilmung vor allem handwerklich und schauspielerisch in vielerlei Hinsicht klar überlegen. Zugleich macht er einen aber emotional längst nicht so fertig, wie es der abgründige Stoff eigentlich verlangt.