Als Regisseur schuf Luc Besson moderne Klassiker wie „Leon - Der Profi" und „Das fünfte Element". Doch diese ergiebige Schaffensphase hat er längst hinter sich gelassen und in den vergangenen Jahren nur noch ein erschreckend konventionelles Biopic („The Lady"), durchschnittliches Abenteuer-Kino von der Stange („Adèle und das Geheimnis des Pharaos") oder die weitgehend sinnfreie Kinderfilmreihe „Arthur und die Minimoys" inszeniert. Dafür ist der Franzose als Produzent umso erfolgreicher, vor allem wenn es um handfestes Actionkino geht, bei dem die Story sekundär ist, aber toughe und coole Hauptdarsteller zum Vergnügen des Publikums kräftig Hintern versohlen. In die gleiche Kerbe schlägt Besson nun als Produzent des Action-Reißers „Lockout", dem Kinodebüt der irischen Regisseure James Mather und Stephen St. Leger. Für die Mischung aus „Die Klapperschlange" und „Stirb langsam" im Weltraum fällt dem Duo zwar wenig Neues ein, aber es kann sich auf seinen Hauptdarsteller Guy Pearce verlassen. Der markiert mit Genuss die coole Sau und bereitet damit auch dem Zuschauer eine Menge Spaß, was darüber hinweghilft, dass „Lockout" vor allem visuell recht uneinheitlich geraten ist und zwischendurch richtig schlecht aussieht.
Im Jahr 2079 haben die USA ein Mittel gegen überfüllte Gefängnisse, gewalttätige Insassen und Ausbruchsversuche gefunden: MS One, eine Haftanstalt im Weltall, in der die Gefangenen ihre Zeit in einem Dauerschlaf absitzen. Auch Ex-CIA-Agent Snow (Guy Pearce) blickt 30 Jahren Haft auf MS One entgegen, denn Secret-Service-Chef Langral (Peter Stormare) hält ihn für einen Mörder und Verräter. Zur gleichen Zeit stattet Emilie Warnock (Maggie Grace) dem Hochsicherheitsknast einen Besuch ab. Die Tochter des US-Präsidenten glaubt, dass der Kälteschlaf mit Nebenwirkungen verbunden ist und lässt einzelne Insassen aufwecken, um sie zu interviewen. Dabei gelingt es dem verrückten Schotten Hydell (Joseph Gilgun) die Bewacher zu überwältigen und alle 500 Insassen von MS One aufzuwecken. Unter dem Kommando von Hydells älterem Bruder Alex (Vincent Regan) wollen die Häftlinge mit mehreren Dutzend Geiseln als Druckmittel ihre Freilassung erpressen. Snow soll sich nun im Auftrag des Weißen Hauses an Bord des Weltraumgefängnisses schleichen und Emilie heimlich von Bord bringen, bevor die Verbrecher merken, welch kostbaren Fang sie da in ihren Händen halten. Er lässt sich darauf ein, denn an Bord von MS One befindet sich auch der Schlüssel zum Beweis seiner Unschuld...
Das Regie-Duo James Mather und Stephen St. Leger ist seit 20 Jahren im Geschäft. Bislang drehte das Duo aber ausschließlich Werbe- und Kurzfilme, wobei die spektakuläre Verfolgungsjagd zwischen einem Kampfjet und einem Auto in dem 15-Minüter „Prey Alone" für internationale Aufmerksamkeit sorgte - auch bei Frankreichs Erfolgsproduzent Luc Besson, der die beiden Iren für „Lockout" verpflichtete. Überraschend am Ergebnis ist, dass der Film ausgerechnet im visuellen Bereich seine Schwächen hat - gilt das als Saint & Mather firmierende Regie-Duo doch als besonders versiert in der Greenscreen-Technik, den Aufnahmen vor einem vollständig grünen Hintergrund, der später durch ein beliebiges anderes visuelles Element ersetzt werden kann. Im Vergleich zu den handfesten Auseinandersetzungen zwischen Guy Pearce und wechselnden Bösewichten fallen jedoch gerade einige der Greenscreen-Szenen massiv ab. Da gibt es eine wilde Verfolgungsjagd durch das Washington D.C. der Zukunft, bei der sich Snow eines futuristischen Motorrads bedient, das als Mischung aus Batmans fahrbarem Untersatz in „The Dark Knight" und den entsprechenden Vehikeln in „Tron: Legacy" daherkommt. Leider wirkt die bis auf Guy Pearces Kopf komplett animierte Szene, als würde sie direkt aus dem Computerspiel zum Film stammen und dieses hätte schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Und auch wenn es dann zur Weltraumschlacht kommt, ist dies visuell wenig mitreißend.
Dass „Lockout" trotz visueller Schwächen Spaß macht, ist vor allem dem Hauptdarsteller zu verdanken. Wer zuletzt den extrem schmächtigen Guy Pearce („L.A. Confidential") in der HBO-Mini-Serie „Mildred Pierce" gesehen hat, wird sich verwundert die Augen reiben. In den gerade einmal drei Monaten Pause nach dem Dreh des TV-Kostümdramas hat sich der Schauspieler mehr als 20 Kilo Muskeln antrainiert und kann nun mächtige Oberarme präsentieren. In bester Bruce-Willis-Manier robbt er durch Lüftungsschächte und schaltet einen Gegner nach dem anderen aus. Zudem lässt er genüsslich den Misanthropen heraushängen. Das zeigt sich schon in der Eröffnungsszene, in der es Snow geradezu Spaß zu machen scheint, sich foltern zu lassen. Auch im weiteren Verlauf des Films hat er in jeder noch so brenzligen Lage einen flotten Oneliner auf den Lippen.
Mit Pearce mithalten kann nur Joseph Gilgun („This is England"). Der aufstrebende britische TV-Darsteller spielt mit breitem schottischen Akzent und lustvollem Ovceracting einen visuell entstellten, völlig durchgeknallten Psychopathen, der wahllos Geiseln abknallt, aber zugleich darunter leidet, dass ihn sein älterer Bruder nicht ernstnimmt. Daneben wiederholt Maggie Grace („Lost") weitestgehend ihre Opferrolle aus „96 Hours" und fungiert nebenbei auch noch als Verkörperung der gerechten Empörung gegen das unmenschliche Inhaftierungssystem der Zukunft. Zu viel kritischen Science-Fiction-Hintergrund sollte man aber bei „Lockout" nicht erwarten. Handlungsort und –zeit spielen hier keine größere Rolle als in den meisten in der Gegenwart angesiedelten Actionvehikeln, entsprechend fällt auch die Schilderung des Amerikas im Jahr 2079 erstaunlich unspektakulär aus. Schließfächer öffnet man nun mit Codewörtern statt mit Schlüsseln – viel mehr hat sich gar nicht verändert. Da hat das offensichtliche Vorbild, John Carpenters „Die Klapperschlange", deutlich mehr zu bieten.
In „Lockout" ist vieles allzu offensichtlich nur Mittel zum Zweck. Warum müssen die Sprengstoffkapseln, die Snow mit auf seine Mission bekommt, zu einem Halsband zusammengefügt sein? Weil es ein schöner Effekt ist, wenn er einen seiner Widersacher damit „schmückt" und so den Kopf vom Rumpf absprengt. Warum gibt es in einem Lüftungsschacht plötzlich drei Turbinen, die so viel Wind machen, dass man mit deren Hilfe schweben kann? Weil so ein „Luftkampf" mal etwas Abwechslung zu den ganzen Kloppereien auf Gängen bringt. Und warum muss eine Spritze zur Wiederbelebung einer Person direkt ins Auge (und nicht ins Herz oder sonstwohin) injiziert werden? Weil es seit Luis Buñuels Surrealismus-Klassiker „Ein andalusischer Hund" bekannt ist, welche eindringliche Wirkung die Verletzung von Augen in Großaufnahme auf das Publikum hat. Dass auch fanatische Logikfehlersucher bei „Lockout" voll auf ihre Kosten kommen werden, ist dem Film aber genauso einfach zu verzeihen. Zu viel Spaß macht die coole Show des Guy Pearce.
Fazit: Trotz einiger Schwächen ist „Lockout" ein weiterer ordentlicher Actioner aus der Schmiede von Luc Besson. Wer schon dessen „Colombiana", „96 Hours" und Co. mochte, wird auch mit dem muskelbepackten „Mr. Cool" Guy Pearce seinen Spaß haben. Das Weltraumsetting ist dabei wie so vieles in diesem kurzweiligen Action-Film nur Fassade.