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    Mortal Engines: Krieg der Städte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Mortal Engines: Krieg der Städte

    Peter Jackson im Epos-Modus

    Von Lutz Granert

    Erstaunlicherweise ist Peter Jackson kein sonderlich begeisterter Leser von Fantasy-Literatur und hat auch von der Erfolgsserie „Game Of Thrones“ nach eigenen Angaben bisher noch keine einzige Episode gesehen. Umso erstaunlicher ist es, dass der mit schwarzhumorigen Splatterfilmen wie „Braindead“ bekanntgewordene Filmemacher ausgerechnet mit seiner Adaption des zuvor für unverfilmbar gehaltenen Fantasy-Epos „Der Herr der Ringe“ ein gewaltiges Stück Filmgeschichte geschrieben hat. Als sich Jackson 2009 die Rechte an der „Predator Cities“-Tetralogie des britischen Autors Philip Reeve sicherte, sorgte die Nachricht dementsprechend für großes Aufsehen. Sieben Jahre und eine unnötig breitgewalzte „Der Hobbit“-Trilogie später nahm Jackson dann auch tatsächlich die Arbeit an der Umsetzung des ersten Teils auf. Während er selbst als Produzent für die Finanzierung des 100 Millionen Dollar teuren Projekts sorgte und zusammen mit Fran Walsh und Philippa Boyens die Romanvorlage zum Drehbuch umarbeitete, überließ er diesmal seinem Special-Effects-Designer Christian Rivers (oscarprämiert für „King Kong“) bei „Mortal Engines: Krieg der Städte“ den Regiestuhl. Und tatsächlich gelingt es dem temporeichen Fantasy-Epos, in Sachen Effekte einmal mehr neue Maßstäbe zu setzen. Aber der Plot weist doch immer wieder Lücken auf und die Inszenierung offenbart ausgerechnet in den Actionszenen merkliche Schwächen.

    Nachdem der 60-Minuten-Krieg die Erde verwüstet hat, ist in der fernen Zukunft ein erbitterter Kampf um die letzten Rohstoffe entbrannt. Gigantische mobile Raubstädte pflügen durch das Land. Eine besonders gefräßige von ihnen ist London, in welcher der unbedarfte Lehrling Tom Natsworthy (Robert Sheehan) im Naturkundemuseum gerade eine Ausbildung zum Historiker absolviert und Reliquien der „Damaligen“ aus dem Zeitalter vor dem Krieg katalogisiert. Als der an einem großen Energieprojekt arbeitende Oberste Historiker Thaddeus Valentine (Hugo Weaving) Neuankömmlinge aus einer einverleibten Stadt begrüßt, will die mutige Kämpferin Hester Shaw (Hera Hilmar) den Tod ihrer Mutter rächen und ihn umbringen. Tom kann das Attentat in letzter Sekunde verhindern, doch nach Hesters Flucht finden sich beide schließlich in den gefährlichen Outlands wieder. Als das ungleiche Duo von der Widerstandskämpferin Anna Fang (Jihae) aus einer misslichen Lage gerettet wird, offenbart sie ihnen Valentines wahre Absichten: Der Wissenschaftler plant, mittels einer gefährlichen Quantenenergiewaffe namens M.E.D.U.S.A. einen Wall im Osten zu durchbrechen und hier neue Jagdgründe zur Befriedigung des Ressourcenhungers Londons zu erschließen – und nur Tom und Hester können sein wahnsinniges Vorhaben noch vereiteln...

    Young-Adult-Fantasy, bei der Teenager regelmäßig in einer dystopischen Zukunft ihre Heldenhaftigkeit unter Beweis stellen müssen, ist seit einigen Jahren zumindest im Kino auf einem absteigenden Ast. Obwohl die Romanvorlagen von Philip Reeve mit ihren jugendlichen Protagonisten durchaus in dieses Genre fallen könnte, tun Peter Jackson und seine Mitstreiter deshalb gut daran, „Mortal Engines: Krieg der Städte“ bewusst nicht irgendwo zwischen „Die Tribute von Panem“ und „The Maze Runner“ einzusortieren. Abseits des (hier nur angedeuteten) Teenie-Herzschmerzes betreibt Christian Rivers hier ganz im Sinne der Vorlage und wie schon beim ersten Teil der „Herr der Ringe“-Trilogie vor allem beeindruckendes Worldbuilding. Nach einer verkorksten Voice-Over-Einleitung zu Beginn, die einen fehlenden Prolog einfach nicht ersetzen kann, schmeißt er den Zuschauer regelrecht hinein in diese dystopische Zukunft.

    Nach der Einführung in das belebte städtische Treiben Londons illustriert eine halsbrecherische Verfolgungsjagd durch eine Müllverwertungsanlage das monströs-maschinelle Innenleben der gigantischen fahrenden Metropole, für die Jackson eine speziell programmierte CGI-Software entwickeln ließ, um sie überhaupt angemessen in Szene setzen zu können. Doch das ist erst der Auftakt einer wahren Odyssee von Hester und Tom, die gleichsam einen Eindruck der weitläufigen Zukunftswelt gewährt. Dem unfreiwilligen Ausflug in die endlos erscheinende, unfruchtbare Steppe der Outlands folgt eine Hatz über eine im Himmel schwebende Ballon-Stadt bis hin zu einem massiven mittelalterlich anmutenden Wall mit Flugzeughangar. Gerade durch diese vielen Schauplätze erhält der Zuschauer einen guten Überblick über die Fronten beim tobenden Städtekrieg (wobei die Zahl der Akteure im selben Moment einfach viel zu hoch ist, um jedem von ihnen auch nur halbwegs gerecht werden zu können).

    Neben den zahllosen CGI-Effekten überzeugt „Mortal Engines: Krieg der Städte“ auch durch seine aufwändige Ausstattung. Die luxuriösen Interieurs im Haus von Thaddeus Valentine, die mit kreisrunden Monitoren versehene Kommandobrücke Londons oder auch die mit reichlich Kabeln zum Superwaffenlabor umgerüstete St. Paul‘s Cathedral im Steampunk-Stil überzeugen durch ihre Detailverliebtheit bis zum letzten golden schimmernden Wasserrohr. Hin und wieder schleichen sich dabei auch Anspielungen an die (Pop-)Kultur der Gegenwart als ironische Seitenhiebe in den Film: Da werden Minion-Statuen mit abgeblätterter Farbe als „amerikanische Gottheiten“ im Naturkundemuseum ausgestellt und ein unverderblicher Zucker-Riegel aus dem 21. Jahrhundert wird auf der Flucht des Duos zur abendlichen Brotzeit.

    Jackson tut gut daran, beim Stab weitestgehend auf vertrautes Personal zu setzen. Zusammen mit den Drehbuchautorinnen Fran Walsh und Philippa Boyens adaptierte er bereits die „Der Herr der Ringe“-Trilogie - und dem Trio gelingt auch hier wieder eine sorgfältig verknappte Adaption. Einzig die Hintergründe der engen Verbundenheit zwischen Hester und ihrem mechanischen Zieh-Vater Shrike (gesprochen von Stephen Lang), der ihr menschliches Leben einfordert und so immer wieder die Handlung vorantreibt, bleiben durch allzu vage bleibende Andeutungen zu nebulös. Mit Rivers arbeitet Jackson bereits seit „Braindead“ zusammen - und schon bei „Der Hobbit 3“ vertraute er seinem einstigen Storyboard-Zeichner und Special-Effect-Designer als Splinter unit director erstmals den Dreh von Zusatzmaterial an. In seinem Regiedebüt erweist sich Rivers nun als zuverlässiger verlängerter Arm von Jackson, der jedoch bei der Inszenierung temporeicher Actionsequenzen – abgesehen von den reinen Effekten – leider immer etwas überfordert wirkt. Gerade die Szenenauflösung beim finalen Luftangriff auf London lässt eine klare Linie vermissen, so dass die Übersicht, wer gerade wohin fliegt und wer was abschießt, wiederholt verlorengeht.

    Von den Schauspielern überzeugen vor allem die beiden jungen Hauptdarsteller: Hera Hilmar („An Ordinary Man“) begeistert nicht nur als wehrhafte Rächerin mit einer auffälligen Narbe im Gesicht (in der Romanvorlage fehlte ihr sogar ein Auge), sondern auch, wenn sie herzzerreißend um eine geliebte Person trauert. Der aus der selbstironischen Antihelden-Serie „Misfits“ bekannte Robert Sheehan kultiviert zunächst den snobistischen englischen Gentleman mit Vorliebe für seine Teatime, bevor er sich ebenfalls als Actionheld ins Getümmel stürzt. Die Musikuntermalung vom einstigen Progressive-DJ Junkie XL, der zuletzt auch schon den Score zu „Deadpool“ lieferte, wirkt mit ihren dick aufgetragenen dramatischen Streichern und ein paar düsteren Blechbläsern hingegen wie ein Best-Of von Hans Zimmers Allerwelts-Partituren.

    Fazit: „Mortal Engines: Krieg der Städte“ ist der kurzweilige Action-Auftakt zu einer geplanten Fantasy-Tetralogie, selbst wenn er lange nicht an die epischen Qualitäten der „Der Herr der Ringe“-Filme heranreicht. Hervorragende visuelle Effekte, eine verschwenderische Ausstattung und hohes Tempo kompensieren die eine oder andere erzählerische oder inszenatorische Schwäche.

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