Vorab ein Hinweis: der Genuss dieses Filmes lebt davon, dass man im Vorhinein nicht zu viel über die Hintergründe weiß, daher wird in dieser Review darauf verzichtet, näher auf Details einzugehen, um die Spannung zu erhalten. In jedem Fall bietet Source Code Raum zur Diskussion und zur Interpretation. Und er verliert nicht viel Zeit, bevor er voll durchstartet: Colter Stevens (Jake Gyllenhaal, Love and other Drugs - Nebenwirkung inklusive), der sich gerade noch in einem Helikopter über Afghanistan wähnte, erwacht in einem Chicagoer Zug. Ihm gegenüber sitzt eine unbekannte Frau (Michelle Monaghan, Somewhere), die munter auf ihn einquasselt und ihn Sean nennt. Stevens reagiert irritiert, weiß nicht, was um ihn herum und mit ihm geschieht. Der Blick in den Spiegel auf der Toilette lässt ihn erstarren. Das ist nicht sein Gesicht, das ihm entgegenblickt. Kurz darauf erschüttert eine gewaltige Explosion den Zug und Stevens kommt in einer Kapsel wieder zu Bewusstsein. Per Bildschirm ist er mit Colleen Goodwin (Vera Farmiga, Up In the Air) verbunden. Und die erklärt ihm das Unerklärliche. Stevens ist Teil einer Geheimoperation. Der "Source Code", ein bahnbrechendes Computerprogramm, macht es möglich, ihn beliebig oft in die Vergangenheit zu schicken und die letzten acht Minuten eines Sterbenden nachzuempfinden. Stevens Mission: er soll die Hintergründe des Attentats aufdecken. Und er steht unter Zeitdruck. Denn eine noch größere nukleare Bombe derselben Terroristen droht Millionen Menschen zu töten.
Unfreiwillig in einer Zeitschleife, verdammt dazu, immer und immer wieder das gleiche zu erleben - in diesem Dilemma steckte Bill Murray in der unvergleichlichen Komödie Und täglich grüßt das Murmeltier vor fast 20 Jahren. Der Charme des Films lag auch darin, dass beide, Protagonist und Zuseher, häufig wussten, was im nächsten Moment geschehen würde. Solche Momente finden sich auch in Source Code. Auch Dr. Sam Beckett sah in Spiegeln grundsätzlich das Gesicht eines Fremden und es ist kein Zufall, dass Bakula nun einen Cameo-Auftritt inklusive Nostalgie-Oneliner bekam.
Im Unterschied zu Sam Beckett ist Colter Stevens jedoch nicht in der Lage, die Vergangenheit zu ändern, wie ihm Goodwill und der Source-Code-Erfinder Dr. Rutledge (Jeffrey Wright) erklären. Was geschehen ist, ist geschehen, heißt es. Vom Soldaten werde lediglich erwartet, dass er Informationen zu den Hintermännern des Anschlags generiert. Und da beginnt es, heikel zu werden. Denn Stevens findet sich nicht damit ab, lediglich mit spärlichen Informationen abgespeist zu werden. Er beginnt, den Source Code zu seinen eigenen Gunsten zu nutzen - und stößt auf Erschreckendes. In den folgenden Szenen streift der Film spannende Fragen militärischer Ethik und entfaltet eine vielversprechende Tiefe, gibt diese aber rasch zugunsten eines zweifelhaft-rosaroten Endes auf.
Fazit: Freunde des filmisches Konjunktivs, jenem Was-wäre-wenn-Fragespiel als Quell unerschöpflicher Faszination, kommen bei Source Code durchaus auf ihre Kosten. Gleiches gilt für diejenigen, die schon den genannten Vorbildern etwas abgewinnen konnten. Dennoch wäre ein bisschen mehr Konsequenz, ein bisschen mehr Mut zum Fatalismus wünschenswert gewesen. Das Pathos, in dem die zweite große Regiearbeit des David-Bowie-Sohnes Duncan Jones versinkt, hinterlässt einen fahlen Nachgeschmack.