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    Der Seidenfächer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Der Seidenfächer
    Von Matthias Kaumanns

    Liebe und Freundschaft sind die treibenden Kräfte im Kino des US-Amerikaners Wayne Wang („Manhattan Love Story"). Besonders lauten Kritiker-Applaus gewann der in Hongkong geborene Regisseur zwar mit seinem Harvey-Keitel-Film „Smoke", der sich aber nur bedingt mit dem Großteil seiner anderen Filme vergleichen lässt. Vornehmlich zeichnet sich sein Werk durch hingebungsvolle Romantik und deutlichen Stilwillen aus. Mit seinem ausufernd episch erzählten Historien-Drama „Der Seidenfächer" führt Wang konsequent fort, was er mit „Töchter des Himmels" oder „Überall, nur nicht hier" an typischen Motiven etabliert hat und bleibt dabei seinem einfühlsamen Erzählgestus treu. Die Adaption von Lisa Sees Bestseller bietet eine interessante Gegenüberstellung vom China des 19. und dem des 21. Jahrhunderts. Trotz visuell spannender Gestaltung überzeugt „Der Seidenfächer" aber nur bedingt. Denn zur Frage etwaiger Zusammenhänge und Unterschiede zwischen den Zeiten hat Wang wenig mehr als Allgemeinplätze auf Glückskeks-Niveau parat.

    China im 19. Jahrhundert: Die beiden Mädchen Snow Flower (Gianna Jun ) und Lily (Bingbing Li) sind Schicksalsgenossinnen. Sie sind am selben Tag geboren, später bekommen sie mit sieben Jahren ebenso am selben Tag Lotusfüße gebunden – das traditionelle Schönheitsideal verlangt nach Frauen mit besonders schmalen Füßen, die also während der Wachstumsphase gestaucht werden sollen. Obwohl sie aus unterschiedlichen Gesellschaftsklassen kommen, werden die beiden zu „Laotongs" erklärt, Schwestern im Geiste. Nachdem sie verheiratet worden sind, bleiben sie heimlich in Kontakt, indem sie mittels einer Geheimschrift, hineingeschrieben in die Falten eines Seidenfächers, kommunizieren. China im 21. Jahrhundert: Die gestressten Großstädter Nina und Sophia (ebenfalls Bingbing Li und Gianna Jun) versuchen in Shanghai, ihre Freundschaft aus Kindestagen zu erhalten. Als Nina bei einem Unfall ins Koma fällt, beginnt Sophia über Verlauf und Wert ihrer Freundschaft nachzudenken...

    Bereits in den ersten Szenen von „Der Seidenfächer" findet Wang einen visuell reizvollen und vielsagenden Übergang vom traditionellen, in samtrote Farben getauchten China des 19. Jahrhunderts in einen von blauem Neonlicht überfluteten Partyraum, auf dessen Bühne zwei altertümlich gekleidete Damen zur Musik eines angestrengt-coolen DJs mit Sonnenbrille tanzen. Ganz in diesem Sinne werden immer wieder Umbrüche symbolisiert: Ein altes, heruntergekommenes Haus steht wie eine Festung der Nostalgie inmitten einer modernen Baustelle; eine Kunstausstellung zeigt Bilder von verstümmelten Lotusfüßen und traditionellen Fächern. Diese kraftvollen Themenbilder verpuffen in ihrer Wirkung jedoch zunehmend zugunsten einer arg naiven Parabel über Freundschaft und Liebe, die zu keinem Zeitpunkt wirklich Substanz gewinnt und inspiriert.

    Während Snow Flower und Lily darunter leiden, dass die Freundschaft zweier Frauen vom Patriarchat nicht geduldet wird, haben sich die Geschlechterrollen bis ins Shanghai des 21. Jahrhunderts immer wieder verschoben – bis hin zu Männern, die der Durchsetzungsfähigkeit ihrer Frauen nicht mehr gewachsen sind, so wie etwa Ninas Vater. Das Männerbild ist diffuser geworden. Dass Hollywoodstar Hugh Jackman bei seinem überraschenden Cameo(-Ständchen) als australischer Clubbesitzer sympathisch rüberkommt, verwundert kaum – dennoch bemerkt Sophia alsbald, dass er ihrer Freundin Nina nicht gut tun wird. Angesichts des Bemühens dem Wandel und der Komplexität der Geschlechterrollen gerecht zu werden, das hier und über weite Strecken zumindest spürbar ist, irritiert es, dass ältere Frauen in beiden Zeitebenen gleichermaßen verbittert und harsch auftreten, so beispielsweise Lilys Schwiegermutter oder Ninas hysterische Mutter – ebenfalls zwei Laotongs.

    Schließlich kommt es zur Überschneidung der beiden Zeitzonen, wenn Sophia plötzlich dem historischen Pendant ihrer Freundin Nina in einem Raum gegenübersteht. Der vieldeutige Blickwechsel der beiden – irgendwo zwischen Zweifel, Ratlosigkeit und Sentimentalität – bleibt interpretationsoffen und das Publikum darf darüber grübeln, was hier eigentlich passiert ist. Was ist geschehen mit dieser Freundschaft, die ja eigentlich nach einer Tradition des 19. Jahrhundert erzwungen worden ist? Und: Was möchte Wang hier eigentlich erzählen? Die Antwort darauf wird in einem elegischen Rückschau-Finale verkündet – viel mehr als Glückskeksweisheiten à la „Zeiten ändern sich, die Kraft der Liebe aber bleibt beständig" springen dabei aber nicht heraus.

    Fazit: „Der Seidenfächer" bietet stark inszenierte historische Gegenüberstellungen und wirft interessante Themen und Fragen auf – die Geschichte, anhand derer Wayne Wang all das durchexerziert, bleibt jedoch viel zu schematisch und sentimental, um wirklich zu fesseln.

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