Das bisherige Werk des Regisseurs François Ozon deckt eine große Bandbreite an verschiedenen Genres, Stimmungslagen und Themen ab: Die auf einem Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder basierende Tragödie „Tropfen auf heiße Steine" steht neben Filmen wie dem Psychogramm „Unter dem Sand", dem wendungsreichen Thriller „Swimming Pool", dem Drama „Die Zeit, die bleibt" oder „Ricky", einer eigenwilligen Mischung aus fantastischen Elementen und sozialem Realismus. Ozons neuer Film, „Das Schmuckstück", erinnert nun am ehesten an seine Musical-Komödie „8 Frauen", wenngleich der erzählerische Aufbau ein grundlegend anderer ist. Mit den beiden gestandenen Stars Catherine Deneuve („Belle de Jour") und Gérard Depardieu („Das Labyrinth der Wörter") in den Hauptrollen inszeniert der Franzose eine schwungvolle, lauschige und überaus kurzweilige Komödie.
Frankreich in den 70er Jahren: Monsieur Pujol (Fabrice Luchini) betreibt erfolgreich eine Fabrik für Regenschirme. Seine Frau Suzanne (Catherine Deneuve) führt ein unspektakuläres Leben in seinem Schatten – sogar sie selbst bezeichnet sich deshalb als „Schmuckstück". Während ihr Mann sie mit seiner Sekretärin Nadège (Karin Viard, „Delicatessen") betrügt, hütet Suzanne das Familienanwesen, geht zum Joggen in den Wald und betätigt sich als Hobby-Dichterin. Ihr Leben nimmt jedoch eine unverhoffte Wende, als Pujol in Folge eines Streiks einen Herzinfarkt erleidet und Suzanne auf Vorschlag des kommunistischen Abgeordneten Babin (Gérard Depardieu) vertretungsweise die Fabrikleitung übernimmt. Indem sie ihre Kinder Laurent (Jérémie Renier) und Joëlle (Judith Godrèche, „L´Auberge Espagnole") einstellt, bringt sie frischen Wind in den Betrieb. Schnell schließen die Arbeiter sie - ganz im Gegensatz zu ihrem verhassten Gatten - ins Herz, weshalb Suzanne ihren Posten gar nicht mehr räumen will, als Pujol aus dem Krankenhaus entlassen wird...
Dass seine Komödie in den Siebzigern spielt, lässt François Ozon sein Publikum von Beginn an deutlich spüren: Schon der mit unverkennbar aus diesem Jahrzehnt entlehnten, 3D-artigen Titelschriftzügen versehene Vorspann zeigt Catherine Deneuve beim Laufen in einem zeittypischen roten Adidas-Jogginganzug. Dass dann trotzdem noch die Jahreszahl 1977 eingeblendet wird, ist da fast schon überflüssig. Später sind es dann die allgegenwärtigen Tapeten mit Blumenmuster, die einen nie vergessen lassen, in welcher Ära man sich gerade befindet. Ähnlich deutlich macht Ozon, dass er mit „Das Schmuckstück" keinesfalls irgendeine Form von Realismus bedienen will. „Das Schmuckstück" ist eine verspielt-überzeichnete Komödie, nicht mehr und nicht weniger. Als Suzanne während des Joggens kurz innehält und ihr Blick zu pittoresker Musik in den Wald schweift, entdeckt sie unmittelbar in ihrer Nähe ein Reh, zwei Vögel, ein Eichhörnchen - und schließlich noch zwei heftig kopulierende Kaninchen. Ozon hatte schon immer einen Hang zum Kitschigen ebenso wie zum Ironischen, woraus er auch diesmal keinen Hehl macht.
In diesem Sinne will der Regisseur mit seiner Emanzipationsgeschichte auch weder den Zeitgeist reflektieren noch irgendwelche politischen Standpunkte an den Mann bringen. Ganz im Gegenteil, in „Das Schmuckstück" bekommen alle Beteiligten ihr Fett weg: Die anfangs unterdrückte, später emanzipierte Ehefrau; der reaktionäre, chauvinistische Gatte; der kommunistische, extrem beleibte Gewerkschafter – sie alle sind herrlich überhöhte Karikaturen. Ähnlich ergeht es auch den wesentlichen Themen Emanzipation, Arbeiterbewegung und Kommunismus, die Ozon auf im positiven Sinne unseriöse Art zum Auslachen freigibt. Letztendlich sympathisiert der Regisseur, der seine Aufmerksamkeit seit jeher lieber seinen weiblichen Figuren widmet, aber doch mit Catherine Deneuve. Indem er ihre überraschend selbstbestimmte (und an Affären nicht gerade arme) Vergangenheit, die zu Beginn so nicht zu erahnen ist, erst stückweise aufdeckt, erscheint Suzanne ihren männlichen Kontrahenten mit zunehmender Laufzeit immer überlegener.
Fazit: Mit „Das Schmuckstück" legt Francois Ozon eine ebenso amüsante wie lebendige Komödie vor, die besonders von ihren glänzenden Darstellern und smarten Dialogen profitiert. Der bisweilen karge Realismus aus „Die Zeit, die bleibt" und „Ricky" weicht hier einer leichtfüßigen Tonlage, die keine Langeweile aufkommen, mitunter aber ein wenig den nötigen Biss vermissen lässt.