Inzwischen kann eigentlich jeder einen Kinofilm machen. Die Rezeptur ist einfach: Es bedarf nur einer kleinen Digitalkamera, ein paar leidensfähiger Freunde und schon kann es im Prinzip losgehen – vorausgesetzt man hat eine zündende Idee. Gegen diese kostengünstige Art des Filmemachens ist grundsätzlich auch überhaupt nichts einzuwenden, sie belebt die Filmlandschaft sogar ungeheuerlich, weil viele Talente, denen es an teurem Equipment und potenten Geldgebern mangelt, so zeigen können, was in ihnen steckt. Einfühlsame Szeneporträts wie Love, Peace & Beatbox spielen den Vorteil des intimen Moments dieser Herangehensweise voll aus. In der Doku „Ein Traum in Erdbeerfolie“ sucht Regisseur Marco Wilms in seiner Vergangenheit nach einem bestimmten Gefühl, das er wieder zum Leben erwecken will. Im Verlauf des Films zeigt sich jedoch, dass diese Idee keine 84 Minuten trägt - und so bleibt am Ende nur ein etwas schmuckloser Ostalgiestreifen.
Die DDR ist seit nunmehr 20 Jahren Geschichte – und doch blickt eine sehnsuchtsvolle Generation noch immer gern zurück. So auch der 1966 geborene Marco Wilms, der seine Sturm und Drang-Jahre in Ost-Berlin verbrachte. Gerade in der Hauptstadt spürte man den Puls der Zeit. Wer speziell in der Modewelt etwas erreichen wollte, musste einfach hier hin. Wilms arbeitete als Model und kam so mit vielen Stars und Sternchen der DDR-Modewelt zusammen. Wilde Zeiten eben. Inzwischen ist Wilms ein sorgender Familienvater, der sich gerne an die alten Zeiten erinnert. Deshalb sucht er seine Freunde und Bekannte von damals auf, um zu sehen, was aus ihnen inzwischen geworden ist. Außerdem will er mit seinen Ex-Weggefährten neue Pläne schmieden: Es soll wieder so wie früher sein - wenigstens noch ein letztes Mal. Es wird sich verkleidet, eine Modenschau veranstaltet und eine Ost-Party gefeiert...
„Ein Traum in Erdbeerfolie“, der im Rahmen der Berlinale 2009 seine Uraufführung beging, ist nach genretypischen Prinzipien aufgebaut. Wie in jeder konventionellen Dokumentation erfährt man auch in diesem Film durch das Einspielen von historischen Videoaufzeichnungen etwas von der damaligen Zeit. Dazu gibt es Interviewsequenzen, Kommentare und viele Fotos. Auf dieser dokumentarischen Folie wird dann das eigentliche Anliegen ausgebreitet: Wilms‘ Wunsch, eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. Das Potential, hier mit dem Medium Film zu spielen, das ja auch ein Medium der Erinnerung ist, wird insofern verschenkt, dass der Wunsch nach Wiederbelebung „nur“ ganz wörtlich umgesetzt wird. So interessant viele der Informationen und die Aussagen der Zeitzeugen auch sind, dazu im Gegensatz steht der etwas läppisch anmutende Revival-Versuch in der Gegenwart.
Der Kinofilm von Wilms folgt einem gewissen Trend: Zum einen erreicht sein Werk im Jubiläumsjahr des Mauerfalls die Kinos und fügt sich somit in die Reihe der Filme ein, die aus dem offiziellen und inoffiziellen Geschichtsbuch der ehemaligen DDR schöpfen. Allerdings misst „Ein Traum in Erdbeerfolie“ sich so mit Filmen, die sehr viel kunstvoller mit dem Schatz der Vergangenheit umgegangen sind: etwa Jeder schweigt von etwas anderem oder Good Bye, Lenin!. Sogar der ebenfalls extrem niedrig budgetierte ostPunk! too much future schafft es, ein lebendigeres Bild der damaligen Untergrundszene zu zeichnen. Die beiden Dokus unterscheiden sich in erster Linie durch ihre Herangehensweise. Während in „ostPunk!“ ein sehr neutraler, dokumentarischer Ton angeschlagen wird, wird „Ein Traum in Erdbeerfolie“ doch deutlich vom Privaten des ganzen Unternehmens dominiert.
Der leicht trashige Stil von „Ein Traum in Erdbeerfolie“ resultiert einerseits aus den spärlichen Mitteln, mit denen er gemacht wurde. Andererseits passt das aber wiederum auch ganz gut zum Thema. Die DDR-Modewelt, von der hier nach und nach ein ganz gutes Bild entsteht, war ebenfalls davon geprägt, aus dem Wenigen, was zur Verfügung stand, etwas zu machen. Ob Wilms dies absichtlich intendiert hat, sei dahingestellt. Nichtsdestotrotz krankt der Film an seiner Grundidee. Alle dokumentarischen Rekonstruktionsversuche der damaligen Zeit rücken immer mehr in den Hintergrund, bis sie nur noch eine überflüssige Notwendigkeit sind, um den Zuschauer auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Dieser Eindruck entsteht vornehmlich deshalb, weil das Sachliche so unvereinbar neben dem kindlich-naiven Wunsch steht, alles könne noch einmal so wie früher sein.
Fazit: Die Zeiten haben sich unumkehrbar gewandelt. Versteht man „Ein Traum in Erdbeerfolie“ wie eine Art Gradmesser, an dem abzulesen ist, wie weit die deutsche Wiedervereinigung fortgeschritten ist, steht zumindest eine Erkenntnis felsenfest: Einen Weg zurück gibt es definitiv nicht mehr. Der Film zeigt unfreiwillig, dass die Wiederbelebung vergangener DDR-Tage - wenn überhaupt - nur fiktional möglich ist.