Was macht ein Regisseur, wenn sein letzter Film ein Flop war? Der leichteste Weg ist wohl, sich einfach an früheren Erfolgen zu orientieren. So macht es auch Sofia Coppola. Nachdem „Marie Antoinette" nur bei Teilen der Kritik Anklang fand und auch an den Kinokassen hinter den Erwartungen zurückblieb, greift sie kurzerhand auf die Zutaten ihres größten Hits zurück. Schließlich brachte ihr „Lost In Translation" nicht nur einen Oscar für das beste Drehbuch und weitere Nominierungen für die beste Regie sowie den besten Film ein, sondern überzeugte auch kommerziell als Sleeper-Hit. „Somewhere" ist nun gewissermaßen „Lost In Translation 2", doch wie bei den meisten „echten" Fortsetzungen bleibt die Qualität des Originals unerreicht. Der erneut auf eine gängige Hollywood-Dramaturgie verzichtenden Autorin und Regisseurin gelingen zwar wieder einige Szenen voller wunderbarer Skurrilität, aber nur allzu selten blitzen der Zauber und die Brillanz auf, die „Lost In Translation" zum modernen Klassiker machten.
Filmstar Johnny Marco (Stephen Dorff) lebt im legendären Chateau Marmont Hotel in Hollywood vor sich hin. Ohne jegliches Zeitgefühl schlägt er die Stunden und Tage mit Nichtstun tot, gelegentlich lässt er sich auch durch die Gogo-Girls-Zwillinge Cindy (Karissa Shannon) und Bambi (Kristina Shannon) unterhalten, hat bedeutungslosen Sex oder fährt mit seinem Ferrari aus. Dann zieht seine aus einer gescheiterten Beziehung stammende, elfjährige Tochter Cleo (Elle Fanning) für ein paar Tage bei ihm ein. Mit dem Konsolenspiel Guitar Hero, beim Eiskunstlauftraining oder bei einer Preisverleihung in einer italienischen TV-Sendung wird weitere Zeit verbracht. Zwischendrin erhält Johnny per SMS Beleidigungen von einem unbekannten Absender.
Im Mittelpunkt von „Somewhere" steht wie schon bei „Lost In Translation" ein gestrandeter Schauspieler, der durch eine unerwartete weibliche Präsenz allmählich aus seinem üblichen Trott gerissen wird. Während Bill Murrays Bob Harris aber eher am Ende seiner Karriere stand und mit Werbespots in Japan sein Geld verdiente, ist Stephen Dorffs Johnny Marco beruflich ganz oben, wenn auch persönlich ähnlich perspektivlos. Er ist verloren in einer Welt, zu der er keinen Zugang zu finden scheint. Er verlässt sein Hotel nur, um endlose Runden mit seinem Ferrari zu drehen oder um missmutig den PR-Pflichten für seinen neuen Film nachzukommen. Hier nimmt Sofia Coppola in einigen höchst amüsanten Szenen treffend das Filmbusiness aufs Korn: Da giften sich Johnny und sein von Michelle Monaghan („Eagle Eye", „Verliebt in die Braut") gespielter Co-Star an, nur um kurz darauf für die Fotografen das glückliche Filmpaar zu spielen. Während der Pressekonferenz zu dem Hirnaus-Actioner sitzt Johnny dann nahezu sprachlos den Reportern gegenüber, deren Fragen entweder schwachsinniger Gossip sind oder einen fast ebenso blödsinnigen pseudo-intellektuellen Hintergrund haben. Coppola präsentiert uns auch sonst immer wieder Sequenzen von entwaffnender Komik, etwa wenn sich die Gogo-Zwilinge in verschiedenen Outfits vor dem Bett von Johnny Marco abstrampeln und er beim ersten Mal sogar einschläft (wie auch später, als er eine Frau oral befriedigen will).
Die Einsamkeit des Protagonisten verdeutlicht Coppola mit einem brillanten formalen Schachzug. Sie isoliert ihn immer wieder auch visuell, etwa wenn er mit einer seiner flüchtigen Frauenbekanntschaften ins Bett steigt. Die Regisseurin zeigt nur das Schließen der Tür, der Zuschauer erhält erst Zutritt, als Johnny alleine aufwacht. Leider bleibt Coppola bei solchen Ansätzen stecken und es gelingt ihr kaum, die Themen von Einsamkeit und Orientierungslosigkeit zu vertiefen, so dass sich zu Beginn durchaus die Frage stellen lässt, was sie mit dem Werk eigentlich bezweckt. Ihre Verweigerung einer konventionellen Dramaturgie führt des Öfteren zu gewolltem erzählerischen Leerlauf. So zum Beispiel wenn sich „Jackass"-Star Chris Pontius, der Schauspieler mit der drittgrößten Rolle im Film, einfach immer nur auf Johnnys Couch herumlümmelt oder mal mit Cleo eine Runde Wii spielt, aber nie eine Bedeutung für die Geschichte selbst hat. In einer anderen Szene trifft Johnny im Fahrstuhl seines Hotels Benicio Del Toro. Der sagt in seinem Cameo-Auftritt keinen einzigen vollständigen Satz und ist dann wieder verschwunden. Das ist natürlich eine Anspielung auf die legendäre Geschichte rund um ein sexuelles Tête-à-tête von Del Toro mit „Lost In Translation"-Star Scarlett Johansson vor der Oscarverleihung 2004 in genau jenem Lift, aber diese Art von Selbstgenügsamkeit und Selbstbezogenheit ist in dieser Form kaum amüsant.
Erst mit dem Auftauchen Cleos findet Sofia Coppola nach und nach den Kern ihrer Erzählung und vertieft ihre Geschichte von Vater und Tochter treffend. Obwohl vom ersten Moment an spürbar ist, dass Cleo bisher nicht allzu viel Zeit mit ihrem berühmten Erzeuger verbracht hat, macht Coppola nicht den Fehler, die beiden nach Schema F erst auf Konfrontationskurs gehen zu lassen, dem dann eine Katharsis folgt, durch die Johnny dann plötzlich ein guter Vater ist. Sofia, die als Tochter des berühmten Francis Ford Coppola („Der Pate", „Apocalypse Now") selbst einschlägige Erfahrungen gemacht hat, zeichnet diese Beziehung deutlich differenzierter. Johnny ist von Anfang an ein liebevoller Vater, der nur hin und wieder von beruflichen Dingen abgelenkt wird. Wenn er Cleo beim Eislaufen zuschaut, ist er aufrichtig bei der Sache und widmet sich nur ganz selten kurz seinem Handy, um ein paar Nachrichten zu beantworten. Da die Chemie zwischen Coppolas Überraschungsbesetzung Stephen Dorff („Blade", „Public Enemies") und Filmtochter Elle Fanning („Der seltsame Fall des Benjamin Button") von der ersten Minute an stimmt, wirkt diese Vater-Tochter-Beziehung absolut glaubhaft.
Fazit: Die vielen Fans von „Lost In Translation" werden auch von „Somewhere" angetan sein, auch wenn er letztlich deutlich hinter der Klasse des Vorbilds zurückbleibt. Die Dialoge erreichen nicht das gleiche Niveau und so fehlt doch einiges zu einem vergleichbar magischen Kinoerlebnis, aber immerhin sind die komischen Intermezzi wie etwa Johnnys Auftritt in einer italienischen TV-Show meist gelungen. Einzelne Gags mögen nicht zünden oder zu lange ausgekostet werden, die Einlagen sorgen dennoch für die nötige Auflockerung der komplett dramaturgiefreien Geschichte.