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    The Crow
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Crow

    Kein Vergleich zum Original

    Von Julius Vietzen

    Remakes und Neuverfilmungen haben es oft schwer, doch Rupert Sanders’ „The Crow“ stand von Anfang an unter besonders kritischem Blick – nicht zuletzt, weil das Original von 1994 mit seiner einzigartigen Gothic-Atmosphäre, den hochstilisierten Bildern und dem tragischen Tod von Brandon Lee zum legendären Kultfilm wurde. Es wundert daher nicht, dass die neue Adaption der gleichnamigen Comicreihe von James O'Barr seit 2008 in der Entwicklungshölle schmorte, bis sie nun endlich realisiert wurde.

    Nachdem „The Crow“ Ende August 2024 unter anderem in den USA gestartet war, hagelte es so fast schon unweigerlich negative Kritiken und sogar Alex Proyas, der Regisseur des Originals, teilte – übrigens nicht zum ersten Mal – kräftig gegen die Neuverfilmung aus („Es ist, als würde man ein totes Pferd auspeitschen“). Und ja: Regisseur Rupert Sanders („Ghost In The Shell“) gelingt es in seinem „The Crow“ nicht, die einzigartige Mischung aus Melodrama und Action anzurühren, die das Original auszeichnete. Doch die Neuverfilmung überzeugt zumindest als eigenständige Adaption mit einigen wahnwitzig brutalen Actionszenen.

    Zu viele Tattoos, zu wenig Charakter: Bill Skarsgård als Eric Draven. LEONINE
    Zu viele Tattoos, zu wenig Charakter: Bill Skarsgård als Eric Draven.

    Eric Draven (Bill Skarsgård) hatte alles andere als ein leichtes Leben und so ist es wenig verwunderlich, dass er als Erwachsener irgendwann in einer gefängnisartigen Entzugsklinik endet. Dort lernt er Shelly (FKA Twigs) kennen, die dort auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit und den Handlangern des diabolischen Vincent Roeg (Danny Huston) gelandet ist. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf ineinander.

    Als Shelly jedoch auch in der Klinik von ihren Häschern aufgespürt wird, flieht das Paar, um unterzutauchen. Doch ihr Glück währt nur kurz, als sie von Shellys dunkler Vergangenheit eingeholt und beide auf brutale Weise ermordet werden. Eric findet sich anschließend allerdings in einer Zwischenwelt wieder, wo ihm eine mysteriöse Gestalt namens Kronos (Sami Bouajila) enthüllt, dass er aufgrund der grauenhaften Umstände seines Todes keine Ruhe findet. Als untoter Rächer kann er auf die Erde zurückkehren und hat die Chance, die Dinge ins Reine zu bringen, wenn er seine und Shellys Mörder zur Rechenschaft zieht...

    Ein Blutbad

    „The Crow“ beginnt – nach einer kurzen Rückblende in Erics traumatische Vergangenheit – mit einem Blutbad, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Während der Opening Credits schwimmt die Hauptfigur in einem Meer aus Blut, während die Kamera immer wieder über die zahlreichen Tattoos auf Erics Körper gleitet. Das ist gleich doppelter Hinsicht ein Vorgeschmack auf die kommenden 112 Minuten:

    Denn „The Crow“ hat sich die FSK-Altersfreigabe ab 18 Jahren wirklich redlich verdient. Dabei sind die (allerdings gar nicht mal so zahlreichen) Actionszenen zwar stets sehr brutal – da muss sich Eric die Gedärme in den aufgeschlitzten eigenen Bauch zurückschieben oder einen Gegner mit einem in seinem Körper steckenden Schwert aufspießen – verkommen aber nie zum reinen Selbstzweck.

    Eric Draven metzelt gerade zahlreiche Gegner nieder. LEONINE
    Eric Draven metzelt gerade zahlreiche Gegner nieder.

    Vielmehr denkt Regisseur Sanders Erics unsterblichen Rachefeldzug konsequent und mit einer verstörenden Körperlichkeit, die den Schmerz seiner Verletzungen spürbar macht. So setzt er zumindest in dieser Hinsicht andere Akzente als das Original. Übrigens ist das zugleich eine interessante Parallele zum kurz zuvor erschienenen Superhelden-Megahit „Deadpool & Wolverine“, in dem bei den zahlreichen Kämpfen zwischen den quasi unsterblichen Titelfiguren jegliche Fallhöhe fehlt.

    Sanders hingegen zeigt – zumindest am Anfang – dass Eric zwar nicht sterben kann, wohl aber die Schmerzen erleidet, die eine Schusswunde in der Brust oder ein offener Bruch bedeuten. Und davon kassiert Eric zunächst einige, schließlich ist er nach seinem Tod zwar unsterblich, aber nicht auf einmal ein Superheld. Selbst wenn die Figur später ohne mit der Wimper zu zucken von Dutzenden Kugeln durchbohrt wird, haben die Kämpfe so eine andere Körperlichkeit und Wirkung als die zwar blutigen, aber doch wenig eindringlichen Auseinandersetzungen der Titelhelden im Marvel-Blockbuster.

    Will ein zweiter "John Wick" sein … und scheitert damit

    Allerdings erweist sich ausgerechnet eine eigentlich als Actionhöhepunkt des Films fungierende Sequenz als große Schwäche. Eric ballert sich hier durch ein Opernhaus und man kann spüren, dass die „John Wick“-Reihe mit Keanu Reeves beim reihenweise Ausschalten von Gegnern Pate stand. Deren Eleganz geht „The Crow“ zwar ab, was aber mit noch mehr Brutalität ausgeglichen wird.

    Dass Sanders und seine Editoren Chris Dickens und Neil Smith die Action gegen Szenen aus der parallel stattfindenden Opernaufführung schneiden, hat jedoch nicht den gewünschten Effekt. Statt das Gezeigte irgendwie dramatisch zu überhöhen oder gar mythologisch aufzuladen, ist das Gegenteil der Fall: In einigen Momenten wirkt das blutige Gemetzel durch die Untermalung mit auf- und abschwellender klassischer Musik samt Streicher-Pizzicati unfreiwillig komisch. Das passt aber überhaupt nicht zum grimmigen Tonfall der Szene. Hier wäre weniger mehr gewesen. Es ist übrigens nicht die einzige irritierende Schnitt-Entscheidung, auch einige Übergänge zwischen Szenen wirken unausgefeilt.

     Die Liebesgeschichte zwischen Eric und Shelly überzeugt nicht. LEONINE
    Die Liebesgeschichte zwischen Eric und Shelly überzeugt nicht.

    Der bereits erwähnte Vorspann teasert neben dem Blut noch ein anderes wichtiges Element der Neuverfilmung an: Erics Tattoos. Nicht nur hier, auch später lässt Sanders die Kamera immer wieder über die umfangreiche Körperkunst gleiten. Vor allem ein zwischen die Schulterblätter tätowiertes Gedicht scheint es ihm angetan zu haben und wird immer gezeigt – egal, ob unter Dusche oder beim Sex mit Shelly.

    Die Tattoos sollen uns offensichtlich etwas über den nach Rache dürstenden Protagonisten erzählen, was Sanders auch über die schäbig-schicke Garderobe von Eric und Sally sowie das Designer-Apartment, in dem sie lebt, oder sein von ausrangierten Schaufensterpuppen bevölkertes Versteck versucht. Doch Make-Up, Kostüme und Sets ersetzen nicht die fehlende Figurenzeichnung. Zwar bemühen sich Sanders und seine Drehbuchautoren Zach Baylin und William Schneider beim Auftakt in der Entzugsklinik und dem anschließenden Leben von Shelly und Eric redlich, die beiden als Seelenverwandte zu zeichnen, wirklich glaubhaft ist ihre große Liebe jedoch nie.

    Da helfen auch keine Tattoos: Die Liebe fehlt!

    Zu platt und zu formelhaft wirkt das alles – zumal es auch noch ständig in eigentlich unnötigen Flashbacks und Echos wiederholt wird. In der Pressevorführung sorgten die kitschigen Liebesschwüre für unfreiwillige Lacher – eine Reaktion, die die Filmschaffenden sicher nicht beabsichtigt hatten. Viel authentischer als dieses aufgesetzte Melodrama wirken die seltenen Anflüge von Selbstironie. So fragt etwa Shelly in einer Szene, ob wohl lauter von Selbstzweifeln geplagte Jugendliche zu ihrem Grab pilgern würden, wenn sie und Eric jetzt einfach von einer Brücke in den Tod sprängen.

    Immerhin macht „ES“-Horror-Clown Bill Skarsgård als manteltragender, dunkel geschminkter Rächer eine gute Figur. Dagegen bleibt vor allem Musikerin FKA Twigs in ihrer ersten Filmhauptrolle sehr blass, was aber nicht allein ihr Verschulden ist. Schließlich scheidet Shelly früh aus der Handlung aus. Eine große Enttäuschung ist auch Bösewicht-Veteran Danny Huston („Wonder Woman“) als Vincent Roeg. Der Charakterschauspieler hat spürbar darunter zu leiden, dass die Motivation seiner Figur bis zum Schluss ein (leider nicht besonders faszinierendes) Rätsel bleibt.

    Fazit: Rupert Sanders’ „The Crow“ erreicht nicht die emotionale Tiefe des Originals, vor allem, weil die Liebesgeschichte zwischen Eric und Shelly nicht überzeugt. Trotz brutaler Actionszenen fehlt dem Film die Eleganz und Atmosphäre, die das Original unvergesslich machte.

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