Miranda July ist das Multitalent der amerikanischen Independentkunstszene. Sie schreibt Kurzgeschichten, hat eine ganze Reihe von Internetprojekten und war mit einer interaktiven Kunstskulptur 2009 auf der Viennale in Venedig vertreten. Und ist sie ist natürlich Filmemacherin. Mit ihrem Erstling „Ich und Du und Alle, die wir kennen" gewann sie den Spezialpreis der Jury in Sundance und mehrere Preise in Cannes. Ihr zweiter Film „The Future" feierte erneut in Sundance seine Premiere. Aufgrund einer Kooperation zwischen dem von Robert Redford gegründeten amerikanischen Independent-Festival und der Berlinale läuft „The Future" nun bei den Berliner Filmfestspielen. Was das Werk allerdings im dortigen Wettbewerb verloren hat, diese Frage kann wohl selbst Dieter Kosslick nicht beantworten. Sollte es nicht das Ziel eines A-Festivals sein, künstlerisch und/oder inhaltlich außergewöhnliche Filme in seiner bedeutendsten Sparte zu versammeln? „The Future" ist nichts davon, sondern schlicht und einfach eine belanglose Nabelschau der Filmemacherin, die rein gar nichts zu sagen hat. Da helfen auch fluffige Katzenpfoten nicht.
Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish Linklater) sind ein Paar in den Dreißigern. Sie gedenken ihr Leben ein wenig zu verändern, indem sie eine kranke Katze adoptieren, die angeblich nur noch ein halbes Jahr zu leben hat. Doch als sie von der Tierärztin erfahren, dass das Tier es bei guter Pflege vielleicht auch noch fünf Jahre überlebt, ergreift sie die Panik. In fünf Jahren sind sie 40, 40 ist schon wie 50 und mit 50 ist das Leben quasi vorbei. Also muss der letzte Monat bevor das Adoptivtier einzieht genossen werden. Jason kündigt seinen Telefonjob als IT-Berater und ist zu allen Schandtaten bereit. Eher unfreiwillig landet er in einer ehrenamtlichen Aufgabe als klinkenputzender Spendensammler für ein „Mehr-Bäume-in-Los-Angeles"-Projekt. Auch Sophie gibt ihre Stellung als Tanzlehrerin auf und will ein YouTube-Projekt starten: 30 Tänze in 30 Tagen. Um sich nicht von der „Konkurrenz" beeinflussen zu lassen, wird erst einmal das Internet abbestellt. Als ihr keine Choreographien einfallen, fängt sie gelangweilt eine Affäre mit dem deutlich älteren, alleinerziehenden Vater Marshall (David Warshofsky) an.
Miranda Julys Erstling stieß noch auf ein weitgehend positives Echo. Nur wenige Kritiker erkannten, dass der Regisseurin einfach keine tragfähigen Geschichten einfallen, was sie mit dem Zusammenstückeln mehrerer Einzelepisoden zu überspielen versuchte. Diese kreativen Grenzen werden in „The Future" nun ganz offensichtlich. Obwohl July auch hier manches Mal leicht ins Episodenhafte abgleitet, versucht sie diesmal doch, mit einer zentralen Geschichte den ganzen Film zusammenzuhalten. Damit scheitert sie allerdings kläglich. Die Konflikte eines Paares, das nicht weiß, was es mit seinem Leben anfangen soll und nicht einmal Differenzen in Worte fassen kann, sind ein höchst anspruchsvolles Sujet, dem July nie gewachsen ist. Wie die Lebenskrisen von Mittdreißigern, die im amerikanischen Independentkino immer wieder gerne thematisiert werden, amüsant und berührend dargestellt werden könnte zeigte jüngst etwa der „How I Met Your Mother"-Star Josh Radnor in seiner Komödie „Happythankyoumoreplease". Bei July hingegen fehlt der empathische Blick auf die Charaktere, jegliche Emotion bleibt auf der Strecke und natürlich ist das Leben für die Protagonisten nach dem Umkrempeln noch genauso großer Mist wie zuvor.
Zur inhaltlichen Leere gesellt sich leider ästhetische Konzeptlosigkeit. Die Filmemacher der sogenannten Berliner Schule haben vorgemacht, wie die Beziehungen der bürgerlichen Mittelschicht präzise filmisch seziert werden können. Als Beispiele seien hier nur „Montag kommen die Fenster" von Ulrich Köhler oder „Alle Anderen" von Maren Ade genannt. July geht es aber weder um analytische Beobachtung noch um amüsante Entwaffnung. Sie mäandert stattdessen von einer unausgegorenen Einzelszene zur nächsten. Skurrile Ideen wie der Einsatz der Katze als eine Art Erzählerin sollen der amerikanisch-deutschen Co-Produktion eine komische Note verleihen. Das Tier namens Paw Paw wird von Miranda July selbst mit nervtötend verstellter Stimme gesprochen, sein Beitrag besteht jedoch nur aus pseudo-philosophischen Worthülsen - von einem kleinen Vierbeiner als Erzähler ist wohl nicht mehr erwarten. Die Katzenmonologe werden in der Hoffnung auf ein paar gnädige Lacher zudem mit knuffigen, die Worte mit klarer Gestik unterstreichenden Pfoten bebildert. Doch damit nicht genug: Jason tritt später noch mit dem Mond, der übrigens Joe heißt, ins Zwiegespräch. Auch der erschöpft sich in Plattitüden und kann Jason, der von Hamish Linklater („The New Adventures of Old Christine") wie unter Schlaftabletten-Einfluss gespielt wird, nur den Rat geben, dass das Anhalten der Zeit - das ist das Bild, das July gleich mehrfach für den Stillstand der Beziehung des Paares bemüht - auch keine Lösung ist.
Fazit: Miranda July mag als Künstlerin ihre Stärken haben, das Drehen von Langspielfilmen gehört nicht dazu. Vielleicht würden ihr bessere Kurzfilme gelingen? Da ihr aber der internationale Festivalzirkus weiter Honig ums Maul schmiert, ist zu befürchten, dass July uns bald ihren dritten inhaltsleeren Spielfilm beschert. Vielleicht ist dann wenigstens die Berlinale bereit, ihr einen Platz im Wettbewerb zu verweigern.