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    Friedliche Zeiten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Friedliche Zeiten
    Von Nicole Kühn

    Wer mit einem beeindruckenden Erstling vorlegt, muss fortan mit erhöhten Erwartungen leben. Die 1978 geborene Regisseurin Neele Vollmar überzeugte nach mehreren erfolgreichen Kurzfilmen („Meine Eltern“) 2004 gleich mit ihrem ersten Kinospielfilm Urlaub vom Leben auf der ganzen Linie. Ihrem Stil, die Absurditäten des alltäglichen Lebens lakonisch herauszustellen, bleibt sie nun auch in ihrem zweiten Film „Friedliche Zeiten“ treu, findet dabei aber nicht immer die richtige Balance zwischen Überzeichnung und Glaubwürdigkeit. Die Macken der Figuren schieben sich schrill und zunehmend ermüdend in den Vordergrund und überlagern so die feinen Töne, in denen sich die Tragödie der Heimatlosen offenbart. Nichtsdestotrotz gelingt es dem Ensemble, immer wieder auch berührende Momente zu schaffen.

    Ende der 1960er Jahre in einer westdeutschen Kleinstadt: Familie Striesow lebt bescheiden in einer adretten Wohnsiedlung, Vater Dieter (Oliver Stokowski) arbeitet, Mutter Irene (Katharina Schubert) macht das Heim schön und die Kinder Ute (Nina Monka), Wasa (Leonie Charlotte Brill) und Flori (Tamino Wecker) gehen eifrig zur Schule. Doch der nette Schein trügt: Mutter Striesow, die von ihrem Mann zur Flucht aus der DDR gedrängt wurde, wittert allerorten Verbrechen, Verrat und vor allem den Ausbruch des Dritten Weltkrieges. Wie im Straßenverkehr findet sie sich auch in der Unübersichtlichkeit des Kapitalismus nicht zurecht, eckt überall an und versteckt sich deshalb am liebsten hinter dem heimischen Herd – besonders dann, wenn sie ihrem lebensfrohen Gatten mal wieder Untreue unterstellt. Die Ereignisse steuern unaufhaltsam auf eine familiäre Katastrophe zu, weshalb die aufgeweckten Kinder beschließen, den elterlichen Zwistigkeiten einen Riegel vorzuschieben…

    Der Mikrokosmos Familie entwickelt sich zum Faible der jungen Regisseurin Neele Vollmar. In „Friedliche Zeiten“ erzählt sie das Drama einer entwurzelten und neurotischen Mutter aus der unverstellten Sicht der Kinder. Die renommierte Drehbuchautorin Ruth Toma (Emmas Glück, Kebab Connection, Erbsen auf halb sechs) legt dabei vor allem den beiden älteren Mädels etwas zu altkluge Dialoge in den Mund, die zu sehr das aussprechen, was ein Erwachsener in vermeintlich kindlicher Sprache ausdrücken möchte. Vor allem, wenn es um die weltabgewandten Vorstellungen der Mutter geht, wird dies deutlich. Während die erwachsene Frau in kindliche Verhaltensweisen zurückfällt, übernehmen die Kleinen die Aufgabe, den Überblick zu bewahren. Bei diesem komplexen Familienthema schießt der Film etwas übers Ziel hinaus.

    Abgefedert wird dieses Manko durch die grandiose Darstellung von Nina Monka und Leonie Brill als Ute und Wasa Striesow, die sich trotz ihrer Gegensätzlichkeit ohne Wenn und Aber aufeinander verlassen können. Vor allem auf die weitere Entwicklung von Nina Monka, von der demnächst in „Yesterday“ von Norbert Baumgartner mehr zu sehen sein wird, darf man gespannt sein. Mit Katharina Schubert steht dem Nachwuchs eine junge Schauspielerin gegenüber, der ihre Theater-Herkunft anzumerken ist. Es gelingt ihr tatsächlich, zeitweilig Verständnis für Irenes überaus anstrengenden Neurosen zu wecken und sich wunderbar in die etwas künstlich und überstilisiert wirkenden Kulissen einzupassen. Ihre Phobie bleibt jedoch – ebenso wie das Verhältnis zu ihrem Mann - über große Strecken des Films weitgehend unverändert, so dass die großen Gesten zunehmend auf- statt eindringlich wirken. Es bleibt zu hoffen, dass Schubert ihr Talent demnächst auch in realistischer angelegten Rollen unter Beweis stellen darf.

    Was sich hinter der zum Teil überzogenen und recht klischeehaft vom Zeitkolorit geprägten Darstellung verbirgt, ist eine Tragödie, die mehr oder minder stark ausgeprägt viele Menschen durchleben: das Gefühl der haltlosen Verlorenheit. Das Leben der prägenden Kindertage aufgeben zu müssen, seine Heimat zu verlassen, Vertrautes oder vertraute Menschen zu verlieren – dieses Trauma lebt Irene hemmungslos aus. Der von ihrem Mann in scherzhafter Überheblichkeit gerne rezitierte Satz „selbst voll wie eine Haubitze fahre ich noch besser als du stocknüchtern“ zielt nicht nur auf Irenes Fahrkünste ab, er trifft auch auf ihre Verkehrstauglichkeit im neuen Leben überhaupt zu. Während sich Vater Dieter wie im Rausch allem öffnet, was die neue Freiheit ihm bietet, sammelt sie in ihrer Verstocktheit am Auto - stellvertretend für ihre Persönlichkeit - eine Schramme nach der anderen. Eingeschüchtert von den anderen Verkehrsteilnehmern treibt sie eher orientierungslos durch die Straßen, als dass sie das Steuer aktiv bewusst führt. Und auch hier sind es die Kinder, die rettend das Lenkrad herumreißen, statt wie Dieter über die Unbeholfenheit hinwegzulachen.

    Solchen wunderbar dramatischen wie komischen Augenblicken mehr Raum zu verschaffen, statt sie mit hechelndem Leerlauf ihrer Wirkung zu berauben, hätte dem Film sowohl mehr Tiefgang als auch mehr Unterhaltungswert verschafft. Das wäre auch dem bis in die Nebenrollen hochkarätigen Cast zu wünschen gewesen. Die immer wunderbare Anna Böttcher verschafft sich auch hier einen angemessenen Auftritt und die kurzen Gastspiele von Gustav Peter Wöhler, Meret Becker und Doris Kunstmann hätte man sich gerne auch noch etwas länger angesehen.

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