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    Veronika beschließt zu sterben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Veronika beschließt zu sterben
    Von Jonas Reinartz

    Der brasilianische Romancier Paulo Coelho gehört zu den zehn erfolgreichsten Autoren der Welt. Da erscheint es logisch, dass die Filmindustrie an seinen Stoffen Interesse zeigt. Nachdem die Hollywoodadaption seines ersten Bestsellers „Der Alchemist" seit 1993 in der Entwicklungshölle schmort, kommt nun „Veronika beschließt zu sterben" in die Kinos. In der Hauptrolle beweist die vornehmlich als „Buffy" in Erinnerung gebliebene Sarah Michelle Gellar, dass sie wider Erwarten zur ernstzunehmenden Schauspielerin gereift ist. Als Todessehnsüchtige, die langsam wieder das Leben schätzen lernt, zeigt sie eine nuancierte und sensible Leistung. So ist es ihr zu verdanken, dass das Werk der britischen Regisseurin Emily Young nicht zur gänzlichen Enttäuschung gerät. Platte Lebensweisheiten, diverse Längen, ein ärgerliches Twist-Ende sowie technische Mängel führen ihn gefährlich nahe an dieses Terrain heran, trotz der gutgemeinten „Carpe Diem"-Attitüde.

    Veronika Deklava (Sarah Michelle Gellar) müsste eigentlich zufrieden sein. Sie ist gerade einmal Mitte 20, hat einen gut dotierten Beruf und besticht durch ein attraktives Äußeres. Dies alles vermag sie jedoch nicht von immer wiederkehrenden depressiven Zuständen abzuhalten. Mitten in einer solchen Phase will sie sich durch eine Überdosis Tabletten das Leben nehmen. Ein Nachbar rettet sie im letzten Moment, so dass sie kurz darauf in eine Anstalt für psychisch Kranke gebracht wird. Dort eröffnet ihr der Leiter, Dr. Blake (David Thewlis), eine niederschmetternde Diagnose: Aufgrund der Unmengen an Medikamenten ist Veronikas Herz irreparabel geschädigt worden. Die noch verbleibende Zeit ist äußerst knapp bemessen. Nur mühsam kann sich die Todgeweihte an den Alltag inmitten der scheinbar verrückten Mitinsassen gewöhnen. Ihre Zimmergenossin Claire (Erika Christensen) hilft ihr bei diesem schwierigen Prozess. Ein weiterer Patient ist Edward (Jonathan Tucker), der nach dem Tod seiner Freundin das Sprechen aufgegeben hat. Angesichts von Veronikas Gegenwart geht eine Wandlung in ihm vor...

    Wie man spätestens seit den wirkmächtigen Betrachtungen des Philosophen Michel Foucault weiß, ist der Wahnsinn vor allem eine Konstruktion, die der Kontrolle der Mächtigen einer Gesellschaft unterliegt. Daher bietet es sich im Genre des „Irrenhausfilms" geradezu an, anhand von beispielhaften Einzelschicksalen die Ausgrenzung der scheinbar Verrückten zu illustrieren. So konnte etwa Milos Formans Oscar-Erfolg „Einer flog über´s Kuckucksnest" (1973) sogar „zum Dokument der Antipsychatrie werden", wie Filmhistoriker Thomas Koebner schreibt. Da Coelhos teilweise auf eigenen Erlebnissen beruhender Plot auf seine Grundzüge reduziert wurde, dient die Umgebung hier eher als Plattform, auf der sich die Wandlung der Protagonistin vollziehen kann. Von einigen Merksätzen abgesehen, wird diese bedeutsame Thematik nur angeschnitten. Durch die Verlegung von Slowenien in die USA ist von den politischen Implikationen der Vorlage überdies nichts übrig geblieben. Daher bietet sich dem Betrachter lediglich eine vor sich hinplätschernde Selbstfindungsgeschichte nach üblichem Schema, dessen altbekannte positive Botschaft zwar nobel ist, aber niemanden ernsthaft zum Nachdenken animieren wird. Am Schluss kommt es dann zwar noch zu einer Wendung, doch diese provoziert eher Kopfschütteln als Zustimmung.

    Obwohl Veronikas Vorgeschichte und Leid eher vage bleiben und daher die Anteilnahme des Publikums spärlich bleiben müsste, gelingt es Gellar mühelos, für sich einzunehmen. Sehr gefühlvoll, ohne jemals in Weinerlichkeit abzudriften, interpretiert sie ihre Rolle. Weitere seriöse Parts sind ihr ohne weiteres zuzutrauen. Die übrige Besetzung kann hingegen kaum Akzente setzen. David Thewlis übt sich routiniert in britischem Understatement. Melissa Leo und Jonathan Tucker verlassen sich auf ihre Präsenz, während die übrigen Schauspieler blass bleiben. Ein überraschender Auftritt von Barbara Sukowa („Lola"), einer der Ikonen des Neuen Deutschen Films, wurde leichtfertig verschenkt, so kurz erscheint sie nur auf der Leinwand. Erschwerend zu alledem kommt die Tatsache hinzu, dass Kameramann Seamus Tierney selten eine Einstellung gelingt, die nicht durch irgendeine Unschärfe negativ auffällt. Nicht nur bei den vielen extremen Close-Ups ist dies der Fall, wo es ja noch eher zu verzeihen wäre, sondern häufig auch bei halbnahen Einstellungen und Totalen. Die sporadisch auftauchende, dann jedoch überdramatische Filmmusik wirkt zudem eher störend.

    Trotz einer überzeugenden Hauptdarstellerin ist „Veronika beschließt zu sterben" nur bedingt zu empfehlen. Bis auf eine einzige Ausnahme völlig vorhersehbar und daher über weite Strecken langatmig, da alles auf die finale Moral von der Geschicht' hinkonstruiert wirkt, könnte der Film allenfalls Anhänger der Vorlage ansprechen, die jedoch nicht allzu viel erwarten sollten, da vieles ausgelassen wurde, vor allem, was die Nebenfiguren betrifft, die hier allenfalls als Staffage dienen.

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