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    Shinobi
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Shinobi
    Von Matthias Ball

    Man nehme die Liebesbeziehung aus Shakespeares „Romeo und Julia“, stecke sie in das Japan des frühen 17. Jahrhunderts und heize das Ganze mit einer kräftigen Dosis Martial-Arts-Action an: Fertig ist der Genre-Crossover. Serviert wird diese Kreation von Regisseur Ten Shimoyama als „Shinobi“, einer Adaption der Novelle „Kouga Ninpou Cho“ des japanischen Autors Futaro Yamada. Mit temporeichen Kämpfen, großen Gefühlen und politischer Intrige zielt Shimoyama auf die großen Themen des asiatischen Kinos, verpasst es jedoch, „Shinobi“ ein eigenständiges Gesicht zu geben.

    Japan im Jahre 1614: Mit dem Ende der Sengoku-Zeit ist nach Generationen des Kampfes auch zwischen den geheimen Ninja-Clans Kouga und Iga Frieden eingekehrt. Da die Bewohner beider Dörfer aufgrund ihrer außergewöhnlichen Kampf-Fähigkeiten noch immer einen Machtfaktor im Reich des Shoguns Ieyasu (Kazuo Kitamura) darstellen, plant dieser die Shinobi nun endgültig zu beseitigen. Mit dem Versprechen, dass der Sieger den nächsten Shogun bestimmen dürfe, startet Ieyasu ein Duell, in dem die jeweils fünf besten Kämpfer gegeneinander antreten sollen. Nachdem sich die beiden Clan-Ältesten in einem ersten Kampf gegenseitig töten, fällt die Verantwortung schließlich auf deren Enkel Gennosuke (Joe Odagiri) und Oboro (Yukie Nakama) zurück, die sich trotz der erbitterten Feindschaft beider Clans im Geheimen vermählt haben. Folgen sie der Aufgabe des Shoguns, wird einer von ihnen sterben, andernfalls riskieren sie die Existenz beider Shinobi-Dörfer…

    In der relativ kurz gehaltenen Einführung werden zu Beginn die Kämpfer beider Clans vorgestellt, wobei der Anteil an Filmzeit auf beide Dörfer etwa gleichmäßig verteilt ist. Der beabsichtigte Zweck dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Regisseur Shimoyama will der üblichen Einteilung in ein Gut-gegen-Böse-Schema entgegenwirken, um den Zuschauer über den Fortgang des Duells möglichst lange im Ungewissen zu lassen. Abgesehen von Gennosuke und Oboro, deren Geschichte im Mittelpunkt der Handlung steht, erhält der Zuschauer hier nicht mehr als einen groben Überblick, wer für welche Seite kämpft. Was die einzelnen Figuren im Detail voneinander unterscheidet, sind in erster Linie die verschiedenen, übernatürlichen Spezialfähigkeiten. Dementsprechend facettenreich fiel auch das Sortiment aus: angefangen bei der Gift versprühenden Schönheit Kagero (Tomoka Kurotani), bis hin zu den scharfen Krallenhänden Mino Nenkis (Shun Ito) und dem tödlichen Blick Oboros, ist der Kampfkunst kaum eine Grenze gesetzt.

    Seinen größten Fehler begeht Shimoyama bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, indem er dem Zuschauer jede Möglichkeit der Identifikation mit den Shinobi-Ninjas nimmt. So präsentieren sich die Figuren als Abziehbilder ihrer selbst, seelenlose Kampfmaschinen, denen es in der Folge nur ansatzweise gelingt, den finalen Showdown mit Spannung aufzuladen. Stattdessen tritt genau das ein, was grundsätzlich verhindert werden soll: Dem Zuschauer ist das Schicksal der Ninjas relativ egal. Getreu dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip geht einer nach dem Anderen drauf, ohne das auch nur der Hauch von Mitleid erregt wird. Zugegeben, eine Auseinandersetzung, die als solche auch ernst genommen werden will, fordert das ein oder andere Opfer – wenn jedoch schon von Beginn an klar ist, wer am Ende übrig bleibt, dann geht der Dramaturgie folglich schnell die Puste aus.

    Die Ausstattung kann zweifelsohne zu den großen Stärken von „Shinobi“ gezählt werden. Angefangen bei den Kamerafahrten durch die grünen Wälder japanischer Täler, über plätschernde Wasserfälle an Gebirgsseen, bis hin zu den ausdrucksstarken Kostümen – von der ersten Minute an vermitteln die Bilder den Eindruck, sich inmitten einer längst vergangenen Kultur zu befinden. Im Gegensatz zu Hero, der diese Ästhetik auch in den Kampfszenen bewahrt, zieht sich hier im Übergang ein tiefer stilistischer Graben. Aus kräftigen Farben wird ein dunkles grau, lange und ruhige Einstellungen werden durch hektische Perspektivwechsel ersetzt, mit denen ein Bezug zur „Shinobi“-Videospiel-Reihe hergestellt werden soll. Dabei haben es die Kämpfe durchaus in sich: Eisenstränge fliegen durch die Luft, Klingen werden geschwungen, Gift wird injiziert, Gliedmaßen abgetrennt und Wurfgeschosse platziert. Was vom Stil nicht jeden Geschmack treffen wird, ist zumindest handwerklich einwandfrei inszeniert. Auch die CGI-Effekte, die an anderer Stelle den ein oder anderen Aussetzer mit verschulden, sind hier passend eingesetzt und ermöglichen zum Teil sehenswerte Choreographien.

    So vielfältig wie die Genre-Einflüsse sind, so breit ist auch das von „Shinobi“ abgedeckte Themenspektrum. Zunächst ist es die Liebe zwischen Gennosuke und Oboro, später die Ehre und Loyalität gegenüber dem eigenen Clan und gegen Ende schließlich die tragische Aufopferung für die Zukunft des eigenen Volkes. Doch weder der geradlinige Verlauf der Erzählung, noch die beiden einzigen halbwegs ausgearbeiteten Charaktere sind in der Lage, die erdrückende Last an komplexen Spannungen dramaturgisch zu verarbeiten. Zusätzlich begleitet einen ständig das Gefühl, alles schon mal irgendwo anders besser gesehen zu haben: Ob es die Kämpfe in X-Men sind, oder die Optik aus „Hero“ – anstelle eigener Inspiration bleibt „Shinobi“ durchgängig Patchwork aus Altbewährtem. Für Fans des Genres aufgrund der kurzweiligen Action durchaus brauchbar, wer höhere Ansprüche stellt, sollte Curse Of The Golden Flower, den neuen Film von „Hero“-Regisseur Zhang Yimou, im Auge behalten.

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