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    Vielleicht, vielleicht auch nicht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Vielleicht, vielleicht auch nicht
    Von Andreas Staben

    Das Jahr 2008 steht in den USA ganz im Zeichen der Präsidentschaftswahlen. Seit Wochen bestimmt vor allem das Kopf-an-Kopf-Rennen um die demokratische Kandidatur zwischen Hillary Clinton und Barack Obama die Schlagzeilen. Die Gepflogenheiten des Wahlkampfs auf die amerikanische Art spielen nun auf unerwartete Art auch eine wichtige Nebenrolle in Adam Brooks' romantischer Komödie „Vielleicht, vielleicht auch nicht“. Der Weg ihres Protagonisten von der idealistischen Hilfskraft in Bill Clintons Kampagne 1992 zum zunehmend desillusionierten Werbefachmann vor dem Hintergrund der Lewinsky-Affäre und des anschließenden Amtsenthebungsverfahrens bis hin zur krisengeprägten Gegenwart der Bush-Ära wirft nebenbei ein reizvolles Schlaglicht auf die heutige Auseinandersetzung. Autor und Regisseur Brooks verleiht seiner Hauptfigur durch diese Einbettung eine Komplexität, die speziell bei männlichen Rollen in diesem Genre selten zu finden ist. Mit feinem Gespür für Schauplätze und Stimmungen, einem Schuss Melancholie sowie einigen gezielten kleinen Abweichungen von den gewohnten Erzählmustern gibt Brooks seinem Film eine ganz eigene Note, ohne auf die Vorzüge gelungener romantischer Komödien zu verzichten. Seine Riege attraktiver Stars in bester Spiellaune lässt weder den Spaß noch das Gefühlvolle zu kurz kommen.

    Der New Yorker Werbespezialist Will Hayes (Ryan Reynolds) erhält die Scheidungspapiere zur Unterschrift. Seine zehnjährige Tochter Maya (Abigail Breslin) möchte in dieser Situation alles darüber wissen, wie sich die Eltern kennen gelernt und verliebt haben. Will erzählt ihr schließlich von den drei Frauen in seinem Liebesleben. Er verwendet allerdings falsche Namen und überlässt es Maya herauszufinden, wer ihre Mutter ist. Die Geschichte beginnt 1992 in Wills Heimat in Wisconsin. Die erste Kandidatin ist seine Jugendliebe Emily (Elizabeth Banks), deren Beziehung auf die Probe gestellt wird, als Will nach New York zieht, um für Bill Clintons Wahlkampagne zu arbeiten. Im Big Apple lernt er dann eine alte Freundin Emilys kennen, die Journalistin Summer (Rachel Weisz), die ein eigenwilliges Verhältnis zum wesentlich älteren Professor Hampton Roth (Kevin Kline) pflegt und später auch mit Will anbandelt. Und dann ist da noch April (Isla Fisher), die im Wahlkampfbüro am Kopierer aushilft, sich nicht für Politik interessiert, aber zu allem offen ihre Meinung sagt. Es entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen ihr und Will, im Lauf der Zeit deuten sich romantische Gefühle an.

    „Vielleicht, vielleicht auch nicht“ beginnt eher nüchtern. Will schottet sich mit Musik auf den Ohren ab und navigiert durch den Trubel New Yorker Straßen, im Büro erwartet ihn die Post vom Scheidungsanwalt. Resignation liegt in der Luft, als er widerwillig dem Drängen der Tochter nachgibt und von seiner Vergangenheit erzählt. Mit der ersten Rückblende zum Ende seiner College-Zeit 16 Jahre zuvor tut sich eine Kluft auf. Wir treffen dort einen enthusiastischen jungen Mann in Aufbruchstimmung, den Kopf voller Hoffnungen und Ideale. Sein Optimismus lässt ihn die Trennung von seiner Freundin zunächst als rein räumlich begreifen. Aber schon in der Verabschiedung mit ihren Beteuerungen und verlegenen Witzen wird klar, dass es um mehr geht. Emily teilt die Träume ihres Freundes nicht, und spätestens bei ihrem Besuch in New York scheinen die Differenzen nicht mehr überwindbar zu sein. Elizabeth Banks (Jungfrau (40), männlich, sucht..., Slither, Seabiscuit) und Ryan Reynolds (Smokin´ Aces, The Amityville Horror) gelingt es trotz nur weniger gemeinsamer Szenen, die besondere Verbindung einer ersten großen Liebe spüren zu lassen, sowohl das Bedauern über ihr Nachlassen, als auch ihre dennoch anhaltende Bedeutung, sind absolut stimmig eingefangen.

    Eine überraschende Verbindung führt Will von Emily zur ehrgeizigen Summer. Die Mischung von Spitzzüngigkeit, Abgeklärtheit und unkonventioneller Lebensführung, die Rachel Weisz (Die Mumie, Das Urteil, Der ewige Gärtner, My Blueberry Nights) in gewohnter Klasse zur Geltung bringt, übt eine nachhaltige Faszination auf den Metropolen-Neuling Will aus. Allerdings lugt hinter der lockeren Fassade neben einem bitteren Zynismus auch eine leise Verzweiflung hervor, die Summer in die Arme des brillanten Erfolgsautors Hampton Roth treibt. Nur lässt sich dieser mit Vorliebe von ihr „Daddy“ nennen und kann weder einem starken Drink noch seinen Studentinnen in den unteren Semestern widerstehen. Kevin Kline (Ein Fisch namens Wanda, Grand Canyon, Der Eissturm) sorgt mit seinen Bonmots für die komischen Höhepunkte des Films, zugleich wird sich manche Edelfeder der Ostküsten-Schickeria womöglich genauer porträtiert finden als ihr lieb sein kann.

    Brooks stellt dem gesamten Politik-Betrieb ein vernichtendes Zeugnis aus, mit Aprils Tätigkeit für Amnesty International deutet er aber eine Alternative an. Der nach eigenem Bekunden unpolitische Wirbelwind ist für Will ein Anker in wechselhaften Zeiten. Isla Fisher (Scooby Doo, Die Regeln der Gewalt, Blind Wedding) profiliert sich mit lebhafter Natürlichkeit auch in sentimentalen Momenten. Die so oft gesehenen Gefühlskomplikationen zwischen Freundschaft und Liebe, bei denen eine antiquarische Ausgabe von „Jane Eyre“ eine gewichtige Rolle spielt, bekommen auch dank der frischen Darstellung einen Dreh, der „Vielleicht, vielleicht auch nicht“ weiter deutlich über den Durchschnitt hebt.

    Der Handlungsverlauf romantischer Komödien wird oft um eine einfache, nicht immer gute Idee herum konstruiert, der alles andere untergeordnet wird. Häufig verrät schon der Titel das Programm wie etwa bei Wie werde ich ihn los - in 10 Tagen. Adam Brooks, der als Autor auch an Wimbledon und French Kiss beteiligt war, beherrscht dieses Konstruktionsprinzip gut genug, um es gezielt zu erweitern und zu unterlaufen. Die Rahmenhandlung von Vater und Tochter dient nicht nur als Klammer für eine sich über Jahre hinziehende Erzählung, ihre Beziehung wird vielmehr nach und nach zum Kern des Films. Abigail Breslins Maya (Signs, Little Miss Sunshine, Rezept zum Verlieben) und Ryan Reynolds als Will, der durch alle Wendungen unsere Sympathien behält und echte Starqualitäten beweist, geben sich Sicherheit inmitten von Unwägbarkeiten. Wo das Genre sonst oftmals schale Gewissheit bereithält, setzt Brooks ansonsten auf ein beherztes „Vielleicht, vielleicht auch nicht“.

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