Den ‚königlichen‘ Namen trägt er nicht ohne Grund: Zwischen den vier Khans, die seit den 1990er Jahren in der nordindischen Filmindustrie Bollywood den Ton angeben, sticht Shah Rukh Khan heraus als der national wie international bekannteste und erfolgreichste Schauspieler der letzten zwei Jahrzehnte. Während die Bollywood-Größen Salman Khan („Dabangg“), Saif Ali Khan („Hum Tum“) und Aamir Khan („3 Idiots“) regelmäßig die Kinokassen ihres Heimatlandes klingeln lassen, ist Shah Rukh Khan ein globaler Megastar, dessen Name im Westen zum Synonym für die indischen Tanz-und-Gesangs-Melodramen geworden ist, die seit dem Medientrubel um Bollywood 2001 auch in hiesigen Gefilden populär geworden sind. Der 1,73 Meter große, schwarzhaarige Frauenschwarm mit dem breiten Lächeln und den prominenten Grübchen ist berühmt für seine humorvollen und emotionsgeladenen Rollen in aufwendigen, ambitionierten Hindi-sprachigen Unterhaltungsfilmen. Im Laufe seiner ereignisreichen Karriere konnte er sich aber auch als vielseitiger Schauspieler, wagemutiger Produzent und beliebter Fernsehmoderator profilieren. Der Lohn hierfür waren zahlreiche nationale und internationale Preise und Ehrentitel.
Vom Ausnahmeschüler zur unfreiwilligen Bollywood-Hoffnung
Shah Rukh Khan ist der Sohn eines Anwalts und einer Sozialarbeiterin und wuchs mit seiner älteren Schwester Shehnaz in einer muslimischen Familie in Delhi auf. Er besuchte die St. Columba’s School für Jungen in Neu-Delhi und erwies sich als herausragender Student und Sportler, was ihm die schulinterne Auszeichnung „Sword of Honor“ einbrachte. Der begeisterte Fußball-, Hockey- und Cricketspieler zog sich zu dieser Zeit eine Sportverletzung zu, was ihn dazu bewog, ins Schauspielfach zu wechseln und sich vom bekannten Theaterlehrer Barry John ausbilden zu lassen. Khans Vater starb 1981 an Krebs und seine Mutter 1991 an einer Sepsis. Mit einem Diplom der Wirtschaftswissenschaften vom Hansraj College in der Tasche zog Khan Anfang der 90er nach Mumbai, wo er nach ersten Rollen in Fernsehserien der späten 80er Jahre („Fauji“, „Circus“) sein Bollywood-Debüt in der Romanze „Deewana“ neben den damaligen Stars Divya Barthi und Rishi Kapoor gab. Der Film war ein Erfolg und Khan wurde mit dem Filmfare-Preis für das beste männliche Filmdebüt prämiert. Doch der selbstkritische Khan störte sich an dem seichten Material und nahm die Rolle in dem Bollywood-Film allein aus finanziellen Gründen an.
Vom obsessiven Liebhaber zum aggressiven Charmeur
In Folge mehrerer kommerzieller und künstlerischer Misserfolge wagte Shah Rukh Khan Khan einen in dieser Radikalität selten zuvor gesehenen Imagewandel und spielte in seinen nächsten zwei Filmen keine vorbildlichen, an ihrem Herzschmerz leidende Helden, sondern psychisch gestörte und gewalttätige Antihelden. Sowohl Yash Chopras unkonventioneller Liebesthriller „Darr“ mit Sunny Deol und Juhi Chawla, als auch Abbas Mustands Rachedrama „Baazigar“ (beide 1993) mit Kajol und Shilpa Shetty in kleineren Rollen wurden Überraschungshits und brachten Khan weitere nationale Filmpreise ein. Im selben Jahr glänzte er auch in seinem erklärten Lieblingsfilm, Kundan Shahs Geschichte eines jungen Musikanten und ewigen Verlierers: „Kabhi Haan Kabhi Naa“. Diese so Bollywood-untypischen Protagonisten läuteten eine neue Blütezeit des Bollywood-Films ein. Doch Khan fuhrt unbeirrt fort, mit seinem Image zu spielen, und wandte sich von den Schurkenrollen wieder ab, um sich mit seinem nächsten Film endgültig als Ikone des indischen und des romantischen Films zu etablieren.
Vom King Of Romance zum King of Bollywood
In der romantischen Komödie „Lovers wins Brides“, dem Regiedebüt Aditya Chopras, spielte Shah Rukh Khan 1995 die Rolle eines in England lebenden Inders, der sich auf einem Europatrip in eine junge Landsfrau (Kajol) verliebt und ihr bis nach Indien folgt, um ihren Vater von der Bindung zu überzeugen. Obwohl Khan persönlich nicht viel von Liebegeschichten hält, machte die erste romantische Leinwandpaarung von ihm und Kajol Filmgeschichte durch ihre oft im Anschluss kopierte Mischung aus Komik, Tragik und Romantik. Da ein Kino in Mumbai den Film seit dem offiziellen Kinostart immer noch täglich erfolgreich vorführt, gilt er als der am längsten laufende Film der Geschichte. Khan nahm im Anschluss weitere romantische Filmrollen an und hatte eine Reihe von großen Hits mit hochkarätig besetzten Produktionen wie Yash Chopras „Mein Herz spielt verrückt“ mit Madhuri Dixit, Karan Johars Regiedebüt „Kuch Kuch Hota Hai - Und plötzlich ist es Liebe“ neben Kajol und Rani Mukerji und Mani Ratnams provokante Terroristenliebesgeschichte „Von Herzen“, das international auf viel Beachtung stieß und es als erster indischer Film in die britischen Kinocharts schaffte. Doch das folgende Jahrzehnt sollte Khan noch viel bekannter machen.
Vielbeschäftigt und unfehlbar
Nach einer Hauptrolle neben Bollywood-Legende Amitabh Bachchan und Newcomer Aishwarya Rai in Aditya Chopras Drama „Love Stories“ (2000) setzte Shah Rukh Khan mit dem zweiten Film seines Freundes Karan Johar zum endgültigen Siegeszug über die globale Filmindustrie an. Das epische Familiendrama „In guten wie in schlechten Tagen“ mit den Stars Kajol, Amitabh Bachchan, Jaya Bachchan, Hrithrik Roshan und Kareena Kapoor in den Hauptrollen machte nicht nur den Bollywood-Film im Westen salonfähig, sondern auch Khans Gesicht omnipräsent. Der unermüdliche und zumeist erfolgreiche Vielfilmer Khan ließ nicht ab und übernahm Hauptrollen in historischen Kostümfilmen („Asoka - Der Weg des Kriegers“, „Flamme unserer Liebe“), modernen Liebeskomödien („Indian Love Story - Kal Ho Naa Ho“), albernen Highschool-Actionklamotten („Main hoon na“, dem von ihm produzierten Regiedebüt seiner guten Freundin Farah Khan) und komplizierten Beziehungsfilmen (Yash Chopras „Veer und Zaara - Die Legende einer Liebe“, Karan Johars „Kabhi Alvida Na Kehna“). Schauspielerische Kraftakte vollbrachte er in unkonventionelleren Filmen wie Ashutosh Gowarikers Identitätsdrama „Swades“, als harter Hockey-Coach in „Chack De! India“ und als autistischer Muslime in „My Name Is Khan“ neben Kajol. Mut zur Selbstparodie bewies er dagegen in Farah Khans Bollywood-Liebeserklärung “Om Shanti Om”, der süßen Liebesgeschichte „Ein göttliches Paar - Rab Ne Bana Di Jodi (Rab Ne Bana Di Jodi)“ und den effektvollen Actionfilmen „RA. One“ und „Don 2 - The King is Back“.
Der Muslime Shah Rukh Khan ist seit 1991 mit der Hinduistin Gauri verheiratet, die mit ihm eine Produktionsfirma führt. Sie haben einen Sohn und eine Tochter. Ihr Sohn spielte den jungen Shah Rukh in dem Film „In guten wie in schweren Tagen“.