Der mehrfach oscarnominierte australische Filmemacher Peter Weir gehört zu den angesehensten Regisseuren Hollywoods. Dennoch tun sich Kritiker oft schwer damit, ihm eine unverwechselbare Handschrift nachzuweisen. Als eine zentrale Figur im neuen australischen Film der 1970er Jahre verhalf Weir dem nationalen Kino mit einigen Kassen- und Kritikererfolgen zu globaler Anerkennung und ermöglichte seinem damaligen Star Mel Gibson die ersten Schritte zum Weltruhm. In den 1980ern wechselte Weir nach Amerika und gewann in den folgenden drei Jahrzehnten etablierten Leinwandpersönlichkeiten wie Harrison Ford, Robin Williams, Jim Carrey und Russell Crowe ungeahnte Facetten ab. Das Genrespektrum seiner sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik populären Werke reicht dabei von der romantischen Komödie ("Green Card") bis zum psychologischen Drama ("Der Club der toten Dichter"), vom subtilen Krimi ("Der einzige Zeuge") bis zur Mediensatire ("Die Truman Show").
Vom Dokumentarfilmer zum Kultregisseur
Peter Lindsay Weir ist der Sohn eines Immobilienmaklers und einer Hausfrau und wuchs in Sydney auf. Während seines Kunst- und Jura-Studiums an der Universität von Sydney schloss er sich wie seine späteren Regisseurskollegen Phillip Noyce ("Salt") und Bruce Beresford ("Miss Daisy und ihr Chauffeur") einer Gruppe von Experimentalfilmemachern an. Im Anschluss an sein Studium arbeitete Weir Mitte der 1960er als Produktionsassistent beim australischen Fernsehsender ATN-7, nutzte aber seine Freizeit und die technische Ausrüstung des Senders auch dazu, eigene experimentelle Kurzfilme zu drehen. Darauf folgten Dokumentarkurzfilme im Auftrag der Commonwealth Film Unit zum Zwecke der Aufzeichnung australischer Lebensweise und Kultur. Seinen ersten abendfüllenden Spielfilm drehte Weir schließlich Mitte der 1970er mit dem surrealen Kultfilmklassiker "Die Autos, die Paris auffraßen", einer skurrilen schwarzen Komödie über eine Kleinstadt, deren Bewohner gezielt Autounfälle mit durchreisenden Touristen provozieren, um von den dabei für die Opfer entstehenden Kosten zu profitieren.
Der neue australische Film und erste internationale Erfolge
Zur Speerspitze einer künstlerischen Bewegung, die von der Presse als "Australian New Wave" bezeichnet wurde, avancierte Peter Weir mit dem kunstvollen Kostümfilm "Picknick am Valentinstag". Das Mystery-Drama handelt von dem ungeklärten Verschwinden einiger Schülerinnen eines Mädcheninternats in der Felsgegend von Hanging Rock. Auf den für das australische Kino ungewöhnlich großen internationalen Erfolg des Films ließ Weir ein weiteres metaphysisches Drama folgen: In "Die letzte Flut" gibt Richard Chamberlain einen Anwalt, der einige Aborigines gegen eine Mordanklage verteidigen soll und plötzlich Visionen vom Weltuntergang hat. Der sperrige Thriller war nur ein mäßiger Hit an der Kinokasse. Die nächsten vier Jahre arbeitete Weir an einem Fernsehfilm ("Wenn der Klempner kommt") und am klassischen Antikriegsfilm "Gallipoli" über eine Schlacht während des Ersten Weltkriegs, in dem australische Soldaten für England ins Gefecht zogen. Ein junger Mel Gibson spielt darin einen Kurzstreckenläufer, der als Meldegänger zwischen den Kommandeuren eingesetzt wird. Auch in Weirs folgendem Film "Ein Jahr in der Hölle" war Gibson wieder dabei: Als Korrespondent im bürgerkriegsgeschüttelten Indonesien verliebt er sich in Sigourney Weaver und gerät zwischen die Fronten.
Der Weltenbummler in Hollywood
"Ein Jahr in der Hölle" war ein weiterer Kritikererfolg und Linda Hunt erhielt für ihre Darstellung des kleinwüchsigen Billy Kwan sogar einen Oscar. Peter Weir standen nun auch in Hollywood alle Türen offen. Mitte der 80er Jahre übernahm er die Regie beim Harrison-Ford-Vehikel "Der einzige Zeuge" und verblüffte mit einer meditativen Milieustudie der Glaubensgemeinschaft der Amish im unscheinbaren Gewand eines routinierten Krimis. Dafür gab es sowohl für den Regisseur, als auch für den Hauptdarsteller Harrison Ford Oscar-Nominierungen. Der war so begeistert von Weir, dass er sich gleich an dessen nächstem Projekt beteiligte, dem eigenwilligen Aussteigerdrama "Mosquito Coast" mit Helen Mirren und einem jungen River Phoenix. Die Geschichte über einen kauzigen Aussteiger, der mit seiner Familie in den Dschungel Zentralamerikas zieht, war allerdings zu düster für das große Kinopublikum. Das zeigte sich eher vom Schuldrama "Der Club der toten Dichter" berührt, in dem Robin Williams in der Rolle eines unorthodoxen und einfühlsamen Lehrers an einem strengen Internat nicht nur seine Schüler (darunter Ethan Hawke und Robert Sean Leonard), sondern auch die Zuschauer begeisterte. Der Film avancierte, nicht zuletzt hierzulande, zum Kultfilm.
Ausgelesene und nicht realisierte Filmprojekte
Seit Anfang der 90er Jahre hat Peter Weir nur eine Handvoll Filme gedreht. Das liegt zum einen daran, dass der sehr belesene Filmemacher sich immer akribisch vorbereitet, zum anderen zerschlugen sich allerdings auch viele Projekte vor Drehstart. Nachdem er Gérard Depardieu mit der romantischen Komödie "Green Card" an der Seite von Andie MacDowell den Durchbruch in Hollywood ermöglichen konnte, drehte Weir das ungewöhnliche Katastrophendrama "Fearless - Jenseits der Angst" mit Jeff Bridges und Rosie Perez. Im Anschluss verschwand er in der Versenkung und meldete sich erst fünf Jahre später mit der tragikomischen Mediensatire "Die Truman Show" mit Jim Carrey und Ed Harris wieder zurück, die als seine kommerziell wie künstlerisch erfolgreichste Arbeit gelten kann. Leinwand-Komiker Carrey glänzt darin in einer seiner ersten ernsten Rollen als ein Mann, der sein ganzes Leben in einer Reality-Show mitspielt, ohne davon zu wissen. Wiederum fünf Jahre später wurde "Master & Commander", ein historisches Schlachtenspektakel zu hoher See mit Russell Crowe, mit zehn Oscar-Nominierungen bedacht. 2011 folgte Weirs jüngstes Epos, das Gefängnisausbruchsdrama "The Way Back - Der lange Weg" mit Ed Harris, Colin Farrell, Jim Sturgess und Saoirse Ronan.
Peter Weir ist seit 1966 mit der Szenenbildnerin und Kostümdesignerin Wendy Stites verheiratet, mit der er bei mehreren Filmen zusammengearbeitet hat. Für das Kostümdesign von "Master and Commander" erhielt Stites eine Oscar-Nominierung. Das Paar hat zwei Kinder. Tochter Ingrid Weir übt den gleichen Beruf aus wie ihre Mutter.