Freunde des besonders abgefahrenen Arthouse-Kinos haben „Everything Everywhere All At Once“ wahrscheinlich eh schon auf dem Schirm, zeichnen dafür doch mit Daniel Scheinert und Daniel Kwan die Männer hinter „Swiss Army Man“ verantwortlich, einem poetisch-vulgären Robinson-Crusoe-Fantasy-Abenteuer mit Daniel Radcliffe als sprechende und furzende Leiche.
„Everything Everywhere All At Once“ hatte die Tage auf dem South by Southwest Film Festival Premiere, wird am 28. April 2022 in den deutschen Kinos starten und damit nur eine Woche vor dem Blockbuster „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“. Es darf einen nun überraschen, sollte Marvels Multiversum-Film auch nur annähern so viel Madness bieten wie „Everything Everywhere All At Once“.
Die Story: Michelle Yeoh In The Multiverse Of Madness
Evelyn (Michelle Yeoh) führt gemeinsam mit ihrem Mann Waymond (Ke Huy Quan) einen Waschsalon. Ihr Leben ist nicht so verlaufen, wie sie sich das gewünscht hat und das hat auch mit dem distanzierten Verhältnis zu ihrer Tochter Joy (Stephanie Hsu) zu tun. Mutter und Tochter fremdeln, wie auch Evelyn mit ihrem eigenen Vater stets fremdelte.
Als der Waschsalon einer Steuerprüfung unterzogen wird, mag das Prozedere zunächst sehr trocken anmuten, tatsächlich aber erfährt Evelyn alsbald, dass sie unterschiedliche Leben in unterschiedlichen parallelen Realitäten lebt und es an ihr ist, eine durch die Dimensionen reisende Bedrohung aufzuhalten.
Die Kritiken: Ein visuell überwältigendes und zutiefst menschliches ADHS-Vergnügen
Die Synopsis zu „Everything Everywhere All At Once“ mag der trocken-absurden Seite des Films gerecht werden, einen Eindruck von der unbändigen Energie dieses multidimensionalen Kung-Fu-Actioners vermittelt sie nicht. Hier hilft die Kritik von David Ehrlich ab, der sie für IndieWire verfasst hat, als eine der mehrheitlich positiven bis begeisterten ersten Kritiken. Es ist noch etwas früh für ein sicheres Urteil, es würde uns aber zumindest nicht überraschen, wenn die beiden Daniels mit „Everything Everywhere All At Once“ einen neuen Kultfilm geschaffen haben.
Der Film ist „genauso überladen, wie es der Titel impliziert, noch kindischer, als man annehmen kann und so kreativ entfesselt, dass die vorherigen Werke der Daniels im Vergleich wirken, als seien sie mit dem Minimalismus eines Robert Bresson inszeniert worden“, David Ehrlich in seiner sprachlich brillanten und im Urteil begeisterten Rezension.
Unter den 22 bisher erschienenen und bei Roten Tomatoes gelisteten Kritiken ist kein einziger Verriss. Das experimentierfreudige, visuelle Bombardement der Bilder hat auch Tim Grierson von Screendaily gefallen: „Kwan und Scheinert wechseln beständig das Bildformat, ohne müde zu werden, bauen manchmal Animationen mit ein und behandeln ihren Bildausschnitt ohnehin wie einen Spielplatz für endlose Experimente.“ Gleichzeitig werde „eine ergreifende Story über eine ältere Frau erzählt, die ins Reine kommen möchte mit ihrem nicht so wundervollen Leben.“
Das Stakkato der Bilder von „Everything Everywhere All At Once“ hat unter den Kritiker*innen mitunter zu Ermüdung geführt. Beispielhaft dafür sei David Rooneys Besprechung für The Hollywood Reporter angeführt. Obwohl fernab von einem Verriss, zeichnet sich hier dennoch ab, warum „Everything Everywhere All At Once“ anstrengend sein kann. „Wenn du mit Videospielen aufgewachsen bist, mag dich der andauernde Exzess des Films beglücken, und es mag dir egal sein, dass fast die gesamte Laufzeit wie ein Trailer geschnitten ist. Oder du magst dich erschlagen fühlen und bist froh, wenn es vorbei ist.“