
Bislang sind Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime, Disney+ und Co. Abspielstätten für Filme, die im Kino oder Heimkino zu sehen waren, oder für exklusive hauseigene Produktionen. Soweit es Kinofilme betrifft, bringen einem die Anbieter die Filme einfach in die eigenen vier Wände – mittels anderer Technik, aber sonst eben mit meist unverändertem Inhalt. Innovations-Fan James Cameron würde das gerne ändern.
Bei Filmen, die zuerst im Kino zu sehen waren, würde der „Avatar“-Regisseur die Streamingdienste in Zukunft gerne als Erweiterung des Kinos sehen und nicht mehr nur als alternative Abspielstätte. Was er damit meint, führte er in einem Gespräch mit seinem Regie-Kollegen Denis Villeneuve für Variety aus:
Cameron würde gerne Filme in zwei verschiedenen Versionen drehen, einmal fürs Kino und einmal fürs Streaming – und die Fassungen sollen sich signifikant in der Länge unterscheiden, auch wenn sie die gleiche Geschichte erzählen. Cameron möchte dadurch die Stärken des jeweiligen Mediums besser ausnutzen: „Ich will einen Film machen, der zur gleichen Zeit sechs Stunden und zweieinhalb Stunden lang ist. Es ist der gleiche Film. Man kann ihn dann sechs Stunden lang streamen, oder man geht ins Kino und hat eine verdichtete, aufregende, immersive Version dieser Erfahrung.“
"Das eine ist der Roman, das andere der Film"
Cameron betont, dass es trotz verschiedener Schnittfassungen, wobei die lange Version natürlich sehr viel mehr und längere Szenen enthalten würde, für ihn dann immer noch der gleiche Film sei: „Nur ist das eine dann der Roman, das andere ist der Film. Warum nicht? Lasst uns doch einfach diese Plattformen nutzen, wie es bisher noch nie gemacht wurde.“
Das klingt ganz nach Revolutionär James Cameron, der feststellt, dass es keine passenden Kameras gibt, um „Avatar 2“ nach seinen Vorstellungen unter Wasser zu filmen, und deshalb einfach selbst brandneue Technik entwickelt.
In der Tat wäre das eine Revolution, wenn in Zukunft Filme für Kino und Streaming unterschiedlich geschnitten werden würden. Aber Cameron kann noch so sehr erzählen, dass es der gleiche Film sei – letztlich würde es dann doch einen Unterschied machen, ob man bestimmte Szenen in der langen Fassung nun gesehen hat oder in der kurzen eben nicht.
Zwei Fassungen – doppelter Gewinn?
Eigentlich müssten da die Studios jetzt sofort hellhörig werden, denn hier lockt ja die Option, dass das Publikum den Film dann sowohl im Kino als auch bei einem Streamingdienst sehen will, um ja nichts zu verpassen – doppelte Einnahmen also, einmal fürs Kinoticket und einmal fürs Abo (oder für Premium-Inhalte).
Cameron scheint bei seiner Vision vorauszusetzen, dass die Menschen zuhause auf ihrem Sofa mehr Sitzfleisch beweisen und sich gerne längere Fassungen von Filmen ansehen würden, während das Kino wiederum mit dem Erlebnis-Faktor punkten kann. Das ist in der Hinsicht eine interessante Idee, als dass Streaming und Kino dann nicht mehr unbedingt konkurrieren, sondern eben unterschiedliche Erlebnisse bieten würden (vorausgesetzt der Streamingdienst veröffentlicht nicht zusätzlich auch noch die „kurze“ Kinofassung).
Denis Villeneuve pocht auf Kino-Erlebnis
Den Punkt „Erlebnis-Faktor Kino“ sieht James Camerons Gesprächspartner Denis Villeneuve auf jeden Fall genauso, doch von Streaming hält er nicht viel – woraus er rund um die Veröffentlichungs-Kontroverse zu seinem Sci-Fi-Epos‘ „Dune“ ja auch schon keinen Hehl gemacht hat.
In Villeneuves Augen hat Streaming nichts zu bieten, um eine echte Alternative zum Kino zu sein: „Ich denke, wie brauchen diese Art von massiver, immersiver, körperlicher [Erfahrung] – durch den Sound, das Atmos-System oder IMAX, wird es körperlich. Das ist etwas, das zuhause nicht reproduziert werden kann. Es gibt nichts Kraftvolleres als gemeinsam Emotionen im Kino zu teilen. Ich denke, als Menschen brauchen wir diese Art von Verbindung. Wir sind nicht dafür gemacht, isoliert zu sein. Ich bin also optimistisch. Ich hoffe, die Sprache des Kinos wird nicht zu sehr ans Fernsehen angepasst.“
Cameron liebt Innovationen – auch in "Avatar 2"
Strenggenommen widersprechen sich die beiden Regisseure da aber gar nicht. Nur während Villeneuve das Kino als dem Streaming überlegen ansieht, kann sich Cameron eine Nutzung beider Medien vorstellen, die auf die jeweiligen Stärken setzt. James Cameron behauptet dabei aber gar nicht, die immersive Wirkung des Kinos ließe sich zuhause reproduzieren – dieses Erlebnis sei nur im Kino möglich und soll dort auch beheimatet bleiben. Doch das Streaming könnte als neue Spielerei genutzt werden, um einen Film anders zu erzählen – konkret gesagt: länger.
Apropos länger: Ziemlich lange warten wir nun schon auf James Camerons spätes Sci-Fi-Sequel „Avatar 2“, in dem uns Cameron noch nie dagewesene Bilder und technische Finessen präsentieren will. Nach etlichen Verschiebungen um ganze Jahre steht nun ein Startermin fest, der endlich realistisch erscheint – denn der Film ist abgedreht und die Pandemie werden wir im kommenden Winter dann hoffentlich auch im Griff haben:
„Avatar 2“ soll nun am 14. Dezember 2022 ins Kino kommen. Und wer weiß, vielleicht sehen wir die dreimal so lange Version dann irgendwann bei Netflix…
