+++ Meinung +++
An den Kinokassen konnte „Wolfman“ sein Budget von üppigen 150 Millionen US-Dollar nicht einspielen. Die internationale Kritik zeigte sich ebenfalls wenig begeistert von Joe Johnstons „Der Wolfsmensch“-Neuauflage: Bei Rotten Tomatoes kommt der Werwolf-Horror auf verheerende 33% (bei über 100.000 Bewertungen!).
„Wolfman“, der am heutigen 27. Juni um 23:50 Uhr auf Nitro zu sehen ist, hat diese Häme in Gänze allerdings nicht verdient. Mögen die Effekte teilweise auch nicht sonderlich gelungen aussehen und Benicio Del Toro in der Hauptrolle eine überraschend deutliche Fehlbesetzung sein, so hat der Werwolf-Horror doch trotzdem einige Qualitäten.
Klassisches Monster im modernen Kino
Nachdem das MonsterVerse mit dem teuren „Die Mumie“ 2017 gnadenlos scheitern sollte und nicht einmal die Starpower eines Tom Cruise dafür sorgen konnte, dass die Universal-Monster (also die Mumie, der Unsichtbare, Dracula usw.) in dieser Form ihr festes Comeback auf der großen Leinwand feiern durften, hat man sich für eine recht heimliche Kurskorrektur entschieden – und zwar nach dem Prinzip von „Wolfman“.
Anstatt auf großes Budget zu setzen, engagierte man in Zusammenarbeit mit Blumhouse den Regisseur Leigh Whannell, der dann 2020 mit „Der Unsichtbare“ seine ganz eigene Interpretation des traditionellen Stoffes nach Schriftsteller H.G. Wells abgeliefert hat. Das Ergebnis war ein voller Erfolg – nicht nur kommerziell, sondern auch künstlerisch.
Hier wurde nämlich der Mut aufgebracht, althergebrachte Formeln aufzurütteln. Momentan arbeitet sich Leigh Whannell an einem weiteren Universal-Monster ab: Dem Wolfsmenschen! In der Hauptrolle hat er sich dafür Ryan Gosling gesichert, was definitiv hochgradig vielversprechend ist, für mich allerdings hätte „Wolfman“ von 2010 auch einen guten Startschuss für ein eigenes MonsterVerse geboten. Die Ansätze stimmen!
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"Wolfman" huldigt dem klassischen Monster-Kino
Joe Johnston hatte genügend Trümpfe in der Hand, um hier einen wirklich guten, stimmungsvollen Blockbuster zu erschaffen, der sich gerade in richtungsweisender Funktion als wertvoll hätte erweisen können. Mit ordentlich Budget, erstklassigen Schauspielern und einem saftigen R-Rating versucht „Wolfman“, das Hollywood-Kino mit dem Geist der britischen Hammer-Produktionen („Dracula“ mit Christopher Lee und Co.) zu vereinen.
Wirklich funktioniert das zwar nicht, weil die Bildwelten dann auf Dauer doch etwas zu künstlich wirken, als dass sie einen voll in diese schwarzromantische Welt saugen könnten, in der der Wolfsmensch durch die dichten Wälder streift und dem Mond entgegenheult. Auch der in der Hauptrolle zu sehende Benicio Del Toro zeigt sich ausnahmsweise seltsam orientierungslos und spielt hilflos gegen die Verwirrung an, die diese Rolle offensichtlich in ihm ausgelöst zu haben scheint.
"Wolfman" ehrt die Vorbilder und beißt zu!
Dennoch merkt man Joe Johnston Regie an, dass er die klassischen Vorbilder studiert hat und deren Einflüsse mal mehr, mal weniger deutlich als Zitate in seinen „Wolfman“ einbaut. Wenn das pelzige Monster in nebelverhangenen Wäldern auf der Jagd ist, dann gewinnt das oftmals ein morbides Flair, der an Zeiten erinnert, als James Whale („Frankenstein“) und Terence Fisher („Der Hund von Baskerville“) dem Publikum noch das Fürchten lehrten.
Im Gegensatz zu „Dracula Untold“ von 2014 oder „Die Mumie“ aber scheut man sich bei „Wolfman“ nicht davor, aufzuzeigen, wie das aussehen muss, wenn ein Werwolf einen menschlichen Körper mit seinem gewaltigen Gebiss und seinen riesigen Krallen bearbeitet. Wenn es in „Wolfman“ zu Gewaltmomenten kommt, dann zeichnen sich diese durch eine satte Härte und den nötigen Blutgehalt aus.
Hier wirkt „Wolfman“ dann auch nicht mehr so clean, wie es in anderen Szenen der Fall ist, wenn Joe Johnston den ehrenwerten Versuch unternimmt, Atmosphäre durch Ausstattung, Ausleuchtung und Sounddesign zu kreieren. Man kann nur hoffen, dass Leigh Whannell einige Tugenden dieses „Wolfman“ für seine Version übernimmt, dann bekommen wir bestimmt auch unseren rundum gelungenen Wolfsmenschen für die heutige Zeit.
Darum geht es in "Wolfman"
Tief im Herzen des Waldes finden Jäger eine furchtbar verstümmelte Leiche. Es handelt sich bei dem Toten um den Bruder des Shakespeare-Darstellers Lawrence Talbot (Benicio del Toro). Der junge Adelige begibt sich auf Spurensuche und wird zuerst mit abergläubischen Dorfgeschwätz konfrontiert.
An den uralten Fluch, der hier die Runde macht, glaubt Lawrence nicht, bis er bei seinen Ermittlungen in einem Landläuferlager selbst Opfer eines Angriffs durch ein bestialisches Ungetüm wird. Zwar sind die Wunden schnell wieder verheilt, doch bei der nächsten Vollmondnacht gibt es ein böses Erwachen für Lawrence…
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