In „Mignonnes“, der in den USA „Cuties“ heißt, ist die 11-jährige Amy (Fathia Youssouf Abdillahi) mit ihren Brüdern und ihrer Mutter aus dem Senegal nach Paris gezogen. Während ihre Mutter und vor allem ihre Tante eine streng konservative, religiöse Erziehung verfolgen, schließt sich Amy einer Tanzgruppe aus gleichaltrigen Schulkameradinnen an, die in knapper Bekleidung und mit aufreizenden Posen einen Tanzwettbewerb gewinnen will.
Die Darstellung der Tanzszenen und der Mädchen in ihren sexualisierten Outfits hat eine Welle der Kritik bewirkt, die sich u.a. auf Twitter zeigt und zu einer Petition geführt hat, in der Netflix-Kunden dazu aufgerufen werden, das Abo aus Protest gegen die angebliche Ausbeutung von Kindern zu beenden.
Das steckt hinter der Kritik
Die Kritik auf Twitter richtet sich gegen die Szenen an sich und auch dagegen, dass die Kinderdarsteller beim Dreh von Regisseurin Maïmouna Doucouré eindeutig sexuell konnotierte Bewegungen machen mussten. Bisweilen ist gar die Rede davon, dass Netflix mit dem Film Material für Pädophile zur Verfügung stelle.
In den USA hat der konservative, von einem christlichen Aktivisten gegründete Verband Parents Television Council ein Statement veröffentlicht (via Variety), in dem es u.a. heißt:
„Obwohl der Film ein wichtigstes Thema berührt, was wir unter anderen Umständen gutheißen würden, ist die Art, wie der Film damit umgeht, problematisch. Dieser Film hätte ein kraftvoller Tadel sein können für Popkultur, die Kinder sexualisiert und sie ihrer Unschuld beraubt.“
Der Widerspruch
Allerdings wird „Mignonnes“, der auf der Kritiken-Sammelseite Metacritic einen Kritiken-Score von guten 68 von 100 und einen User-Score von miserablen 0,6 von 10 hat, auch verteidigt. Neben dem Argument, dass die Protestler sich den ganzen Film ansehen sollen und nicht nur Ausschnitte, wird darauf verwiesen, dass die durch Popkultur und soziale Medien geförderte Sexualisierung von Kindern im Film ja eindeutig kritisiert werde.
Netflix selbst verteidigt den Film wie folgt (via The Wrap):
„‚Cuties‘ ist ein Kommentar gegen die Sexualisierung junger Kinder. Es ist ein prämierter Film und eine kraftvolle Geschichte über den Druck, unter dem junge Mädchen wegen Sozialer Medien und der Gesellschaft stehen. Wir ermuntern jeden, den diese wichtigen Probleme kümmern, sich den Film anzusehen.“
Meinung
Ich selbst habe mir „Mignonnes“ gestern angesehen. Ich kann verstehen, dass einen die Szenen der tanzenden Kinder abstoßen, ich selbst habe mich dabei sehr befremdlich gefühlt. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass im Film eine kritische Haltung durchscheint gegenüber einer Social-Media-Kultur, die junge Menschen zu diesem Verhalten verleitet.
Die Mädchen, die übrigens nicht mal vollumfänglich aufgeklärt sind, wollen Likes in den sozialen Netzwerken. „Mignonnes“ zeigt weibliche (Selbst-)Ausbeutung dabei an zwei Polen:
Hier die freizügigen Mädchen um Amy, die sich in sexuellen Posen zeigen, ohne ein Bewusstsein für die Konsequenzen zu haben (und die von einer erwachsenen Tanz-Jury nicht aufgehalten werden), dort die konservative Familie Amys, in der sich die Mutter (Maïmouna Gueye) dafür geißelt, dass ihr Mann eine neue Frau hat, während die Tante (Mbissine Therese Diop) ihrer Nichte Amy beibringen will, dass ihr Platz in der Küche sei.
Bereits zuvor war „Mignonnes“, den Netflix nach der Premiere auf dem Sundance-Filmfestival ins Programm aufgenommen hat, das Zentrum einer Kontroverse.
Es ging um ein Netflix-Poster zum Film, das die Mädchen-Tanzgruppe in knapper Bekleidung und sexualisierten Posen zeigte und vom Streamingdienst schließlich zurückgezogen wurde.
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