Seit dem heutigen 9. September 2020 steht das französische Drama „Mignonnes“ bei Netflix zum Abruf bereit. Damit hat der Streaminganbieter einen Film in seinem Angebot, der vor dem Start bereits (mindestens) zwei Mal für großes Aufsehen sorgte:
Im August 2020 veröffentlichte Netflix parallel zum Kinostart in Frankreich ein Poster, das sich allerdings dramatisch von dem Originalposter unterschied und im Internet für die sexualisierte Darstellung von Kindern kritisiert wurde.
Einige Tage später verbot dann die Türkei, dass Netflix den Film für türkische Kunden anbietet, da dieser die Ausbeutung von Kindern zeige und diese dazu verleiten könne, offen gegenüber Missbrauch zu sein, und ihre psychosoziale Entwicklung beeinträchtigen könne.
Gute Kritiken für "Mignonnes"
Allerdings wurde „Mignonnes“ auf der Berlinale und den Filmfestspielen in Sundance gezeigt und erhielt dort fast durchgängig positive und gute Kritiken, die das Coming-Of-Age-Drama als ein gut beobachtetes und erzähltes Porträt eines Mädchens loben, das sich zwischen konservativem Elternhaus und dem modernen Leben ihrer Klassenkameradinnen hin und her gerissen sieht.
Auch in Frankreich kam „Mignonnes“ gut bei Kritikern und Zuschauern an, wie das US-Branchenmagazin Deadline berichtet. Dass „Mignonnes“ (oder „Cuties“, so der internationale englischsprachige Titel) eine Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellt, scheint also eher nicht der Fall zu sein. Aber was ist mit dem Poster?
Regisseurin bekam Todesdrohungen
Im Gespräch mit Deadline erzählte die Regisseurin Maïmouna Doucouré, dass auch sie vorher nichts von dem Netflix-Poster wusste – und dass sie deswegen trotzdem Todesdrohungen bekam. Wie so häufig wurde hier (zumindest im Fall der Aufregung in den sozialen Medien über den Film) vorschnell ein Urteil gefällt, ohne dass die meisten Kommentatoren den Film überhaupt gesehen hatten.
„Ich habe das Poster im selben Augenblick wie das amerikanische Publikum entdeckt“, so Doucouré. „Meine Reaktion? Es war eine seltsame Erfahrung. Ich hatte das Poster nicht gesehen, bevor ich diese ganzen Reaktionen in den sozialen Medien bekam, Direktnachrichten von Leuten, Attacken gegen mich. Ich verstand nicht, was los war. Dann habe ich gesehen, wie das Poster aussah.“
„Ich habe mehrere Angriffe gegen meine Persönlichkeit erlitten von Leuten, die den Film nicht gesehen hatten und die dachten, dass ich tatsächlich einen Film gemacht hätte, der die Hypersexualisierung von Kindern verteidigt. Ich habe auch mehrere Todesdrohungen erhalten.“
Netflix-Boss entschuldigt sich bei Regisseurin
Immerhin meldeten sich schnell aber auch Stimmen zu Wort, die sich für „Mignonnes“ aussprachen (am prominentesten womöglich „Thor 3“-Star Tessa Thompson), und auch die französische Regierung habe sie stark unterstützt und wolle „Mignonnes“ künftig im Schulunterricht zeigen, so Doucouré gegenüber Deadline.
Und dann gab es noch einen Entschuldigungsanruf von Netflix-Co-CEO Ted Sarandos, nach dem zumindest die Regisseurin nicht mehr sauer auf den Streamingdienst ist: „Wir hatten mehrere Diskussionen, nachdem das passiert ist. Netflix hat sich öffentlich und auch bei mir persönlich entschuldigt.“