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    Interview mit "Nightlife"-Regisseur Simon Verhoeven: Ein Star wie Elyas M'Barek sagt nicht einfach so ja!

    Nach seinem Megahit „Willkommen bei den Hartmanns“ stehen auch bei Simon Verhoevens neuer Komödie „Nightlife“ alle Zeichen auf Erfolg – schließlich hat er diesmal die Stars Elyas M’Barek, Frederick Lau und Palina Rojinski mit im Gepäck.

    Warner Bros.

    Als wir uns nach einem halbstündigen Gespräch mit Simon Verhoeven in einem Berliner Nobelhotel verabschieden, ruft er noch hinterher, dass es damals einer der größten Schocks seines Lebens gewesen sei, als FILMSTARTS einen seiner ersten Filme – ziemlich harsch – verrissen hat. Trotzdem mag er uns noch – und wir seinen neuen Film „Nightlife“, eine sympathisch-turbulente Komödie über ein aus dem Ruder laufendes Date im Berliner Nachtleben, auch. Dementsprechend haben wir uns auch echt gut miteinander unterhalten...

    FILMSTARTS: Im Film wird oft das Wort „Nachtleben“ benutzt – gab es denn auch mal die Überlegung, den Film so zu nennen oder ist das einfach nicht cool genug? Ich glaube, „Nightlife“ wird im Film selbst ja gar nicht gesagt...

    Simon Verhoeven: ... doch, natürlich, der Heiko sagt doch ganz am Anfang: „Da kriegt man selbst mal wieder Lust, sich ins Nightlife zu stürzen!“ Ansonsten habe ich da gar nicht so drüber nachgedacht, der Titel stand für mich einfach schon sehr, sehr lange fest, weil ich das Projekt auch schon seit meinen Jugendtagen mit mir rumtrage und ich „Nightlife“ immer einen schönen Überbegriff fand, der von mir aber auch immer ein Stück weit ironisch benutzt wird. Wenn’s der Heiko sagt, dann hat das ja nichts Glamouröses, für ihn ist das halt auch einfach nur ein Spieleabend. „Nachtleben“ wäre auch schön gewesen, klingt aber auch mehr nach einem Film von Andreas Dresen.

    FILMSTARTS: Ja, das stimmt wohl. Gleich in der ersten Szene sehen wir, wie Elyas M’Barek und Frederick Lau als Barkeeper von allen Frauen angehimmelt werden – da hatte ich schon so ein wenig Angst, dass das jetzt in die Richtung eines Til-Schweiger-Hochglanzwerbespots geht. Aber du lässt das dann zum Glück direkt kippen, und der Sexappeal der Szene weicht Stress und Überforderung, wenn all die ins Bild gereckten Hände einfach nur möglichst schnell ihre Drinks haben wollen...

    Simon Verhoeven: Ja, absolut. Ich glaube, der ganze Film versucht damit zu spielen. Es ist ja auch so, dass diese beiden Typen, die da am Anfang so glamourös und umschwärmt dargestellt werden, eigentlich von etwas Stinknormalen träumen – nämlich von einem Fahrradausflug. Sonst hätte ich den Film auch nicht gemacht – einfach nur „das Nachtleben ist so geil“, das ist auch nicht mein Vibe.

    Nightlife

    FILMSTARTS: Ich bin allgemein fasziniert von Filmen, die sich durch die Nacht treiben lassen, von einem Ort zum anderen. Ich finde, dass man sich nachts auch ganz anders durch eine Stadt bewegt als tagsüber. Ist das auch eine Faszination von dir, die dich zu dem Film inspiriert hat? Schließlich geht gerade das letzte Drittel von „Nightlife“ genau in diese Richtung...

    Simon Verhoeven: Es fängt tatsächlich spät im Film an. Wenn ich meinen eigenen Film kritisch sehe, was ich auch immer versuche, dann muss man das schon so sagen. Es ist ein Film, der so ab Seite 40 im Drehbuch genau dieses Gefühl der Nacht zu entwickeln beginnt – und da liegt auch genau das, was ich an dem Film ganz besonders mag und liebe. Es gibt viele Filme von „Hangover“ bis „Before Sunrise“, die in einer Nacht spielen und die mich immer fasziniert haben, weil es eine ganz besondere Form von Reise ist.

    FILMSTARTS: Sind die Situationen denn alle ausgedacht. Oder gibt es auch persönliche Erlebnisse, die du im Drehbuch verarbeitet hast?

    Simon Verhoeven: Bei mir kommt das so ein wenig aus meiner Studentenzeit, als ich ein Date hatte mit einer Frau, deren Ex-Freund wiederum total eifersüchtig war. Sie hat mir dann immer wieder gesagt, dass es sein kann, dass wir hier irgendwann ganz schnell rausmüssen. Irgendwann wollte sie dann auch tatsächlich woanders hingehen, weil sie glaubte, dass ein Freund ihres Ex-Freundes uns gesehen hätte. Und ich dachte mir nur so: „Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein. Warum hast du denn nicht einfach abgesagt, wenn du einen gewalttätigen Typen hast?“ Ich hatte da echt Schiss.

    Und es ist auch nichts draus geworden, ich bin dann irgendwann einfach nach Hause gegangen. Aber da ist bei mir die Idee entstanden von einem Date, das plötzlich in eine ganz andere Richtung umschlägt. Wo es dann auch um Leben und Tod geht, wo eine so junge Beziehung, wenn sie da durchkommt, schon direkt krisenfest ist. Da kann sie nichts mehr erschüttern.

    FILMSTARTS: Nun hast du mit Elyas und Palina vorher schon mehrmals gedreht. Hast du die Rollen dann diesmal direkt für die beiden geschrieben – oder musst du ihnen das Drehbuch dann doch schon noch mal vorher zeigen?

    Simon Verhoeven: Auf jeden Fall. Bei so einem Star wie Elyas, da sind das schon auch ganz wichtige Entscheidungen für ihn. Das geht’s dann nicht um Freundschaft. Da kann ich ihm natürlich schon sagen, dass ich was für ihn schreibe – und das wusste er auch. Aber letztlich macht er dann nur solche Dinger, wenn er sie echt gut findet und auch glaubt, dass sie für sein Publikum funktionieren. Sicherlich kann er auch mal einen Arthouse-Film oder einfach mal was ganz anderes machen, um mit seinem Image zu spielen. Aber wenn er so einen Mainstream-Film wie „Nightlife“ macht, dann nur, wenn ihn das Drehbuch überzeugt – und da hätte Elyas auch überhaupt kein Problem, mir zu sagen, dass das nichts für ihn wird.

    Und unsere ersten Diskussionen waren auch nicht so, dass er sofort zugesagt hätte – da führt man schon längere Gespräche und schreibt auch weiter an der Figur, bis die Rolle so wird, dass sie ihn vollends überzeugt. Er ist jedenfalls absolut nicht der Typ, der einfach so sagt: „Klar, ich bin auf jeden Fall dabei, schick mir dann einfach das Skript.“ Verstehe ich aber auch – wenn jemand mit einem solchen Star-Status in einem großen kommerziellen Film etwas abliefert, was für sein Publikum gar nicht funktioniert, dann ist das kein kleiner Fauxpas. Das kann und will sich Elyas nicht erlauben – und deshalb ist er da, wo er ist. Freundschaft spielt dabei nur insofern eine Rolle, dass ich ihn einfach so gut kenne und weiß, wie er redet. Ob er „Idiot“ oder „Vollidiot“ sagt – ich kann mir das sofort vorstellen, wie er einen Dialog spielen würde. Trotzdem bleibt es ein Stück weit unberechenbar, was ihm dann wirklich gefällt.

    Das Geheimnis von Publikumserfolgen

    FILMSTARTS: In den vergangenen zehn Jahren gab es in Deutschland vielleicht eine knappe Handvoll Regisseure, die mit ihren Komödien immer wieder ein Millionenpublikum in die Kinos locken konnten. Du zählst auch dazu. Woran liegt das? Denn die Zuschauer kaufen ja selten tatsächlich wegen eines bestimmten Regisseurs ein Ticket. Habt ihr eine magische Formel gefunden? Oder habt nur ihr den Zugriff auf genau die paar Stars, die man in Deutschland braucht, um einen Hit zu landen?

    Simon Verhoeven: Naja, der Zugang zu den Schauspielern kommt, auch wenn sich das jetzt langweilig anhört, wirklich durch das Drehbuch. So war das zumindest bei mir. Ich hatte vor „Männerherzen“ zum Beispiel gar keinen Zugang zu Schauspielern – ich habe zwar welche gekannt, weil ich selbst als Schauspieler gearbeitet habe, aber es ist halt nicht so, dass man die dann einfach anheuern kann.

    Das würdest du auch nicht machen: Wenn dir jemand ein berufliches Projekt vorschlagen würde, bei dem du sagst, dass es sich nicht gut für dich anfühlt, dann machst du es auch nicht – egal, ob du denjenigen gut kennst oder nicht. Ganz einfach. Insofern habe ich den Zugang durch das Drehbuch zu „Männerherzen“ bekommen – das war ein Skript, bei dem die Schauspieler, also nicht die Agenten oder die Verleiher, nach dem Lesen sofort mitmachen wollten. Dadurch macht man dann den nächsten Schritt – und dann gibt es vielleicht von vorneherein ein wenig mehr Vertrauen, wenn man das nächste Buch schickt. Aber letztlich ist bei mir die Hauptarbeit immer am Skript – und deshalb dauert es bei mir auch immer so lange.

    FILMSTARTS: Du bist Regisseur, Drehbuchautor und hast eine eigene Produktionsfirma – alles mit einer klaren Ausrichtung auf ein möglichst großes Mainstream-Publikum. Damit bist du eigentlich prädestiniert für einen der finanziell hochkarätigen Netflix-Overall-Deals, von denen man fast im Wochentakt aus den USA hört...

    Simon Verhoeven: Ich habe mit Netflix noch nicht so viel Berührung gehabt. Ich habe mit denen schon auch mal gesprochen – und die haben sehr klug gesagt, dass ich bei ihnen machen kann, was ich sonst nirgendwo durchkriege: „Komm zu uns mit den Sachen, wo du sagst, das ist so verrückt, das kriege ich woanders sowieso nicht unter. Daran sind wir interessiert.“ Das fand ich schon spannend.

    Zugleich ist es aber natürlich mittlerweile auch so, dass sehr viele Leute Netflix-Serien machen – und deshalb gibt es nicht mehr diesen Reiz für mich, denn ich möchte in erster Linie gern Kino machen. Und solange ich das kann, solange man mir das Vertrauen dazu gibt, träume ich jetzt gar nicht so von Netflix.

    Aber was wahr ist: Es hat unglaubliche Möglichkeiten eröffnet, die es vorher einfach noch nicht gab – und manche Genres, in die auch eins meiner zukünftigen Projekte fallen könnte, gehen vielleicht auch ohne Netflix gerade gar nicht. Thriller zum Beispiel. Da sagt Netflix eben: „Wir können das machen. Denn bei uns schauen sich das so viele auch in anderen Ländern noch an, das lohnt sich für uns.“ Während man in Deutschland sonst sagt: „Es lohnt sich leider nicht. Da geht keiner rein.“ Es ist eben prinzipiell schon geil, zugleich ist es mir auch zu inflationär – ich komm gar nicht mehr nach...

    FILMSTARTS: ... niemand kommt mehr nach ...

    Simon Verhoeven: ... gut, dass du das sagst, denn wenn überhaupt noch jemand nachkommt, dann müsstest du das ja sein. Für mich gab es früher eine andere Art von Wertschätzung von Filmen und Serien, und du kennst das bestimmt auch, da hat dann wirklich jeder über „Twin Peaks“ geredet. Ich fand toll, dass es so verbindend war. Da brauchte man gar nicht vorher fragen – das kannte man einfach und man konnte drüber reden. Und das gibt es nicht mehr, stattdessen ist es zersplitterter – und es wird irgendwie auch wertloser dadurch.

    Gangstertypen zwischen Hüpfburgen

    FILMSTARTS: Wir wollen „Nightlife“ nicht spoilern. Aber zumindest über einen der Orte, an die es die Protagonisten in der Nacht verschlägt, müssen wir dann doch noch mal reden. Vor allem den Hüpfburgenverleih der Gangster – gibt es den Ort tatsächlich oder habt ihr einfach eine Lagerhalle gemietet und dort selbst einen Haufen Hüpfburgen aufgebaut?

    Simon Verhoeven: Nee, den gibt es tatsächlich. Das ist ein Kinder-Hüpfburgen-Paradies in Marzahn. Wir haben da allerdings noch ein paar Hüpfburgen dazu gebaut und sie anders hingestellt. Und es ist so laut – man erinnert sich da als Erwachsener gar nicht mehr dran, aber die Gebläse sind wirklich so lärmend, dass wir das ins Drehbuch aufnehmen mussten. Man hätte da sonst gar nicht drehen können. Deshalb sagt der Nicholas Ofczarek auch mit seinem österreichischen Akzent: „Könnts ihr mal den Scheiß ausmachen!“ Und dann fallen die Burgen alle so schön im Hintergrund in sich zusammen.

    Zu Beginn war das im Skript auch nur eine simple Lagerhalle – aber da dachte ich mir direkt: „Das kannst du nicht bringen. Das ist so sehr ZDF-Fernsehen. Das hat man schon so oft gesehen.“ Also habe ich mir gedacht, ob die Gangster da nicht auch noch was anderes machen könnten – Bushido hatte schließlich auch mal einen Aquarienhandel. Und so sind wir darauf gekommen, da einfach mal eine ganz andere Art von Location zu nehmen.

    FILMSTARTS: ... und die Besitzer machen sich keine Sorgen jetzt, dass ihr Hüpfburgenverleih nach dem Film plötzlich mit Koksgeschäften in Verbindung gebracht wird?

    Simon Verhoeven: Das hat die anscheinend nicht besonders gestört. Also sie wussten schon, was wir da drehen. Vielleicht fanden sie das sogar ein bisschen cool. Ist ja schließlich Berlin.

    „Nightlife“ läuft ab dem 13. Februar 2020 in den deutschen Kinos.

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