Für die 92. Oscar-Verleihung wurden die besten Filme und Filmschaffenden des Jahres 2019 in insgesamt 24 verschiedenen Kategorien nominiert. Wie im Vorjahr wird die große Gala in Los Angeles am Abend des 9. Februar wieder ohne Gastgeber stattfinden – wie übrigens zuvor schon 1939, bei den drei Verleihungen von 1969 bis 1971 sowie 1989.
Doch wer steckt überhaupt hinter den Oscars? Wer entscheidet darüber, wer als bester Film, bester Regisseur, beste Schauspielerin und bester Schauspieler 2019 gekürt wird?
Hinter den Oscars steckt die Academy
Die Oscars werden von der Academy Of Motion Picture Arts And Sciences vergeben, die 1927 vor allem auf Betreiben der großen Hollywood-Studios nach einer Idee des mächtigen MGM-Studiobosses Louis B. Mayer gegründet wurde. Damals steckte die Filmindustrie in einer Krise, man ergriff unterschiedliche Mittel der Förderung und hoffte dabei auch auf Aufwind durch eine prestigeträchtige Preisvergabe.
1929 wurde dann das erste Mal der Oscar verliehen.
Das sind die Oscar-Wähler
Die Bedeutung des Oscars rührt aber nicht nur aus der großen Historie, sondern auch aus der Tatsache, dass sich hier Filmschaffende gegenseitig auszeichnen – also diejenigen, die zumindest auf dem Papier am meisten Ahnung von den Hintergründen der jeweiligen Leistungen haben dürften.
Von Beginn an bestimmen so Filmschaffende selbst darüber, wer die besten Filmschaffenden des Jahres sind. Übrigens sind das neben denjenigen, die prominente Berufe vor und hinter der Kamera ausüben, auch technische Arbeitskräfte sowie u. a. juristisches Personal und Personen aus dem Filmmarketing.
Ursprünglich waren fast ausschließlich die Filmgrößen Hollywoods in der Academy versammelt, längst ist die Zusammensetzung aber viel internationaler geworden. Vor allem in den vergangenen Jahren wurden immer mehr Filmschaffende aus aller Welt eingeladen.
So ist die Academy gewachsen – von ursprünglich 36 Gründungsmitgliedern auf knapp 8.500 Mitglieder. Diese sind übrigens in 17 Abteilungen (und zwei Extra-Gruppen) mit jeweils einem Vorsitzenden organisiert, was für die Ermittlung der Oscarnominierten eine wichtige Rolle spielt (dazu später mehr).
Wie werde ich Oscar-Wähler?
Wer einmal Mitglied der Academy wurde, war es grundsätzlich auf Lebenszeit. Es gibt nur sehr wenige bekannte Ausnahmefälle, in denen Mitglieder wegen eines gravierenden Fehlverhaltens ausgeschlossen wurden. Vor einigen Jahren wurden die Regeln aber geändert, um zu verhindern, dass jemand einmal Mitglied wird, dann aber nie mehr in der Industrie arbeitet. Nun gilt die Teilnahme erst einmal nur für zehn Jahre, wird aber bei aktiven Mitgliedern immer wieder um zehn weitere Jahre verlängert und nach 30 Jahren dann auf Lebenszeit ausgeweitet.
Mitglied selbst wird man nur auf Einladung. Diese gehen einmal im Jahr raus.
Grundsätzlich gilt dabei die Regel: Wer für einen Oscar nominiert ist, wird für eine Einladung in Betracht gezogen, wobei diese trotzdem nicht zwangsläufig erfolgen muss, sondern sich die Academy im Einzelfall dagegen entscheiden kann. Zusätzlich werden vor allem Personen eingeladen, die von zwei Academy-Mitgliedern aus ihrer Branche empfohlen werden und bestimmte weitere Regeln für diese Branche erfüllen.
Bei der mit 1.324 Mitgliedern größten Academy-Abteilung der Schauspielerinnen und Schauspieler ist es neben der Empfehlung von zwei Kolleginnen und Kollegen so zum Beispiel Voraussetzung, in drei Kinospielfilmen eine Rolle bekleidet zu haben, von denen mindestens einer in den vergangenen fünf Jahren entstanden sein muss. Davon kann im Einzelfall aber auch abgewichen werden.
Man kann übrigens nur Mitglied in einer Academy-Unterabteilung sein, nicht in mehreren (also zum Beispiel bei den Autoren, dann aber nicht parallel auch noch bei den Regisseuren etc.).
So werden die Nominierten für die Oscars bestimmt
Nachdem wir nun geklärt haben, wer über die Oscars abstimmt, erläutern wir nun, wie die Nominierungen festgelegt werden, die es ja erst einmal braucht, bevor überhaupt Gewinner gekürt werden. Denn das machen nicht alle Academy-Mitglieder für alle Kategorien, weswegen die nun bereits mehrfach erwähnten Abteilungen so wichtig sind.
Grundsätzlich bestimmen die Academy-Mitglieder nur die Nominierten für den Bereich, in dem sie selbst organisiert sind – in unserem Beispiel bestimmen also nur die Schauspielerinnen und Schauspieler über die Nominierten in den vier Schauspielkategorien.
Für einzelne Kategorien gibt es aber Sonderregeln (zum Beispiel beim Besten fremdsprachigen Film), und in der Königskategorie „Bester Film“ dürfen sogar alle Academy-Mitglieder die 5 bis 10 Nominierten bestimmen.
So läuft die finale Abstimmung ab
Bevor wir uns in den Feinheiten des durchaus komplizierten und mit vielen Regeln versehenen Nominierungsprozesses verlieren, sprechen wir lieber über den finalen Wahlprozess. Schließlich geht es darum, wie entschieden wurde, wer heute Nacht einen Goldjungen mit nach Hause nehmen darf.
Grundsätzlich ist der Wahlprozess ziemlich einfach: Erst einmal gilt, dass hier nun alle Academy-Mitglieder über alle Kategorien abstimmen dürfen!
In allen Kategorien mit Ausnahme der Königskategorie „Bester Film“ (dazu gleich mehr) machen die Oscar-Wähler einfach ein Kreuz auf dem Stimmzettel bei ihrem Favoriten unter den Nominierten. Mittlerweile läuft das alles komplett online ab. Wer die meisten Stimmen hat, gewinnt den Oscar.
Sollte der bei so vielen Wählern mittlerweile immer unwahrscheinlichere Fall eintreten, dass mehrere Nominierte exakt dieselbe Anzahl an Stimmen bekommen, gibt es einen sogenannten „Tie“ (also Gleichstand) und auch mehrere Gewinner.
Dies passierte zuletzt 2013, als „Zero Dark Thirty“ und „James Bond: Skyfall“ beide für den besten Tonschnitt ausgezeichnet wurden – und der den Oscar präsentierende Mark Wahlberg auch für beide Filme die Gewinner nacheinander auf die Bühne holte.
Immer wieder gerne gefragt wird übrigens, ob die Wähler auch in jeder Kategorie, für die sie stimmberechtigt sind, abstimmen müssen. Nein, das müssen sie nicht. Wer zum Beispiel die Kurzfilme nicht gesehen hat (oder alle Kandidaten schlecht findet), kann die Kategorie bei der Abstimmung auch einfach überspringen – oder falls er nur einen Film davon gesehen hat, für diesen stimmen, weil er ihn so super findet. Natürlich kann theoretisch auch jeder abstimmen, ohne etwas gesehen zu haben. Das lässt sich nicht überprüfen.
Ein solcher Fall machte die Runde, als zwei Oscar-Wähler 2014 anonym behaupteten, für „12 Years A Slave“ gestimmt zu haben, ohne ihn gesehen zu haben – wobei sich hier immer noch die Frage stellt, was diese beiden Personen mit „dafür gestimmt haben“ meinten, denn so einfach ist das bei der Königskategorie gerade nicht.
Die Wähler in der Königskategorie für den besten Film wissen durch den dort abweichenden besonderen Wahl- und Auswertungsprozess am Ende oft gar nicht, für welchen Film ihre Stimme überhaupt gezählt wurde. Zum besonderen Vorgehen in dieser Königskategorie wollen wir nun kommen.
Sonderfall: So wird der Beste Film bestimmt
Wie bereits erläutert, kann bei der Kategorie „Bester Film“ nicht einfach ein Kreuzchen für den Favoriten gesetzt werden. Seit 2009 gibt es stattdessen ein Ranking-System, das auch über zehn Jahre später noch viele Wähler verwirrt. Bei diesem Ranking-System müssen die Oscar-Wähler die nominierten Filme (9 in diesem Jahr) in eine Rangfolge bringen.
Wir wollen das mal beispielhaft illustrieren. Wenn der Autor dieser Zeilen als Academy-Mitglied ein solches Voting machen würde, sähe dies so aus:
1. „Once Upon A Time… In Hollywood“
2. „Parasite“
3. „1917“
4. „Marriage Story“
5. „Jojo Rabbit“
6. „Little Women“
7. „The Irishman“
8. „Le Mans 66“
9. „Joker“
Bei der ersten Auszählungsrunde würde ein solcher Wahlzettel nun als Stimme für Quentin Tarantinos „Once Upon A Time… In Hollywood“ gelten, denn hier zählt bei jedem Stimmzettel nur der erste Platz.
Am Ende der ersten Auszählungsrunde werden so quasi neun Stapel mit Stimmzetteln gebildet (natürlich virtuell) und jeder Zettel liegt dabei auf dem Stapel des Films, der auf der Liste als erster genannt wurde. Dann wird der Stapel mit den wenigsten Zetteln aufgelöst und alle Zettel von nur diesem einen Stapel werden neu verteilt – und zwar auf den Stapel des Films, der auf dem jeweiligen Zettel auf Platz 2 steht. Und das wird immer so lange fortgesetzt (und wenn Platz 1 und 2 bereits draußen sind auch mit 3, 4...), bis es nur noch zwei Stapel gibt bzw. ein Film über 50% der Stimmen hat.
Für unseren Beispielzettel heißt das: Da „Once Upon…“ bei der Auszählung (sollte es keine große Überraschung geben) wohl irgendwann im Verlauf nicht unter den Filmen mit den ganz hohen Stapeln sein wird, geht die Stimme irgendwann auf einen anderen Film über – erst auf „Parasite“, vielleicht dann sogar auf „1917“ oder (in einem aber komplett theoretischen Fall) sogar noch weiter bis zum eigenen Platz 8.
Genau aus diesem Grund hat es übrigens wenig Sinn, „taktisch“ zu wählen, was angeblich einige Oscar-Wähler glauben. Zu unserem Beispiel zurück: Nach aktueller öffentlicher Wahrnehmung wird der Oscar zwischen „1917“ und „Parasite“ entschieden – mit Außenseiterchancen für „Jojo Rabbit“. Würde ich (also der Autor dieses Textes) jetzt diese Filme nach ganzen hinten setzen, in der Annahme, damit meinem persönlichen Favoriten „Once Upon…“ zu helfen, würde ich ziemlich Mist bauen. Denn ich würde vielleicht dafür sorgen, dass meine Stimme plötzlich für „Joker“ zählt, den ich aber überhaupt nicht mag, wie einige Stammleser dieser Seite wissen dürften.
Falls ihr also mal in die Situation geraten solltet, die Oscars zu wählen: Lasst jegliche Taktik weg, macht einfach ein Ranking eurer Favoriten nach eurer persönlichen Präferenz!
Gewinner wirklich geheim
Gewählt wurde übrigens zwischen dem 30. Januar und dem 4. Februar. Die Oscar-Gewinner stehen also schon seit einigen Tagen fest – und trotzdem sind nicht nur die Nominierten, sondern auch die Veranstalter ahnungslos. Es ist wirklich so: Nur zwei Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, die das Voting auswerten, wissen Bescheid. Auch diese Geheimhaltung hat übrigens Tradition.
Nur bei der allerersten Verleihung 1929 wurden die Gewinner vorab verkündet, schon bei der zweiten Verleihung hielt man sie geheim, informierte nur die Presse im Vorfeld, damit die Zeitungen für den nächsten Tag die Preisträger noch rechtzeitig drucken konnten. Seit 1940 die Los Angeles Times dieses Wissen aber vorab publizierte, wurde auch das geändert. Seit 1941 wird niemand vorab informiert.
Aktuell wissen also wirklich nur zwei Menschen, wer die Oscars 2020 gewinnen wird. Doch trotzdem wollen wir zum Abschluss dieses langen, hoffentlich informativen Artikels noch die Frage alle Fragen beantworten…
Die Gewinner 2020
Und wer gewinnt nun die Oscars 2020? Wir sagen: „1917“ wird bester Film, Sam Mendes holt sich die beste Regie, die Preise für die besten Drehbücher gehen an „Jojo Rabbit“ (adaptiert) und „Parasite“ (original) und in den vier Schauspiel-Kategorien werden Renée Zellweger (für „Judy“), Joaquin Phoenix (für „Joker“), Laura Dern (für „Marriage Story“) und Brad Pitt (für „Once Upon A Time… In Hollywood“) ausgezeichnet.
Doch das sind natürlich nur unsere Tipps. Während wir uns bei den vier Schauspielpreisen sehr sicher sind, versprechen gerade die beiden Drehbuchauszeichnungen größte Spannung – und unsere Tipps sind auch ein kleines Wagnis. Denn hier ist das Rennen besonders eng und am Ende könnten dort auch die lange Zeit favorisierten „Little Women“ und „Once Upon A Time… In Hollywood“ gewinnen.
Und vielleicht sticht ja doch noch „Parasite“ (oder sogar „Jojo Rabbit“) „1917“ aus oder es holt sich zumindest Bong Joon-Ho statt Sam Mendes den Regie-Preis. Den sogenannten Split zwischen bester Film und beste Regie gab es in den vergangenen Jahren schließlich einige Male.
All das werden wir heute Nacht erfahren. Auf unserem Twitter-Kanal begleiten wir übrigens die Oscarverleihung live – mit weiteren Tipps, Einschätzungen und Infos rund um den bedeutendsten Filmpreis der Welt.
"Joker" rockt die Oscars 2020: Alle Nominierungen in der ÜbersichtHier sind auch noch die gesammelten Tipps von FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher für alle Kategorien: