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    "Der König der Löwen": Nein, es ist nicht die Schuld des Publikums, dass Disney nur noch Remakes dreht!

    Es verselbstständigt sich gerade die Theorie, dass die Zuschauer ja selbst schuld seien, dass Disney nur noch Remakes raushaut, wenn sie jedes Mal wieder herdenweise reinrennen. Eine Gegenrede.

    Disney

    +++ Meinung +++

    Am vergangenen Wochenende hat das fotorealistische 1-zu-1-Remake von „Der König der Löwen“ in den USA mit einem Einspielergebnis von grandiosen 185 Millionen Dollar und in Deutschland mit starken 1,13 Millionen Besuchern jeweils das zweiterfolgreichste Startwochenende des Jahres nach „Avengers 4: Endgame“ hingelegt. Als Reaktion darauf kam direkt am Montagmorgen ein Kollege zu mir und fragte mich, ob ich nicht einen Meinungsartikel mit der folgenden Überschrift schreiben wolle:

    ‚Der König der Löwen‘: Ihr seid doch selbst schuld, dass Disney nur noch Remakes macht!

    Die Idee dahinter: Während die (Realfilm-)Remakes wie „Die Schöne und das Biest“, „Aladdin“ und „Der König der Löwen“ an den Kinokassen (über-)performen, erweisen sich Disney-Originalprojekte wie „A World Beyond“, „Das Zeiträtsel“ und „Der Nussknacker und die vier Reiche“ seit Jahren durch die Bank als Flops. Kein Wunder also, dass das Mäusestudio jetzt nur noch ein Remake nach dem anderen runterkurbeln lässt – wenn das Publikum doch offensichtlich gar nichts Neues sehen will. Klingt logisch – und ich war deshalb auch schon soooo kurz davor, den Artikel tatsächlich zu schreiben. Aber dann habe ich doch noch mal einen Schritt weitergedacht – und bin dabei letztendlich zu dem exakt gegenteiligen Ergebnis gekommen.

    Disney ist selbst schuld

    Nun kann man sich im ersten Schritt natürlich erst mal fragen, wie „original“ die genannten Flop-Projekte wirklich sind. Immerhin basieren die drei oben aufgelisteten Filme auf einer Freizeitparkattraktion (wie zuvor auch schon „Fluch der Karibik“), einem Young-Adult-Bestseller und auf einem Märchen/Ballett. Aber was doch viel wichtiger ist: Alle drei Filme sind enttäuschend bis geradeheraus grottig! „A World Beyond“ hatte zwar einige visuell interessante Actionszenen, ist aber dennoch mit riesigem Abstand der schwächste Film von Meisterregisseur Brad Bird („Ratatouille“, „Mission: Impossible 4“). Die Fantasy-Abenteuer „Das Zeiträtsel“ und „Der Nussknacker“ sind hingegen sogar regelrechte Schnarchfeste.

    Warum zum Teufel sollte man also dem Publikum einen Vorwurf machen, dass es sich ausgerechnet diese Filme nicht angesehen hat? Ganz im Gegenteil sollte man den Zuschauern für ihren weiten Bogen um diese Fehlschläge doch am besten gratulieren! Die Remake-Schwemme ist also weniger eine Reaktion auf die Vorlieben des Publikums als vielmehr darauf, dass Disney offenbar vollkommen verlernt hat, starke originäre Filme auf die Beine zu stellen! Und wenn das Studio nicht aufpasst, dann hat es bald nichts mehr zum Fortsetzen oder Remaken, weil da einfach überhaupt nichts Neues mehr nachkommt. Dann halt nur noch MCU, Star Wars und bei den Remakes einfach noch mal von vorne anfangen.

    Die strahlende Ausnahme

    Dass auch das breite Publikum nämlich sehr wohl auch starke originäre Filme zu goutieren versteht, sieht man zum Beispiel an den beiden Animationsfilm-Armen des Studios: Disney Animation und Pixar. Vor allem Disney Animation hat in den vergangenen Jahren mit „Die Eiskönigin“, „Zoomania“ und „Vaiana“ einen Original-Hit nach dem anderen rausgehauen, während ausgerechnet das einzige Sequel „Ralph reichts 2“ hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Und auch bei Pixar ist mit „Alles steht Kopf“ eines der komplexesten und ambitioniertesten Projekte weltweit durch die Decke gegangen. Es geht halt sehr wohl, nur müssen die Filme dann auch was taugen.

    Woran das Publikum aber sehr wohl schuld ist!

    An einer anderen Stelle trägt das Publikum aber sehr wohl eine „Mitschuld“ – nämlich an der zunehmenden „Feigheit“ innerhalb der Remake-Produktionen. Während „Der König der Löwen“ bei Kritikern und Internetkommentatoren offensichtlich zu den umstrittensten Disney-Filmen überhaupt zählt, was zu einem guten Teil auch an der nahezu 1-zu-1-Nacherzählung des Zeichentrick-Originals liegt, hat der Film vom US-Publikum einen astreinen A-Cinemascore (wird beim Verlassen des Kinosaals abgefragt) verliehen bekommen. 

    Natürlich nicht alle, aber doch viele Zuschauer und Kommentatoren scheinen auf einer grünen Wiese also nach Neuerungen, neuen Interpretationen, weniger sklavischen Adaptionen zu verlangen. Aber wenn es dann um konkrete Änderungen an ihren Kindheitsfilmen geht, ist das Geheul / die Ablehnung plötzlich doch oft groß – und damit meinen wir längst nicht nur die „Arielle“-Neubesetzung. Diese Widersprüchlichkeit zwischen getätigten Aussagen und tatsächlichem Konsum erinnert mich an eine heute oft zu Lehrzwecken eingesetzte Marktforschungsstudie über Nudelsoßen, bei der fast alle Befragten sagten, dass ihnen bei der Tomatensoße ein „original italienischer Geschmack“ das Allerwichtigste sei. Das auf den Ergebnissen der Umfrage basierende Ergebnis floppte in den Supermärkten allerdings legendär – während das Unternehmen anschließend mit einer extra zuckrigen Soße in Rekordzeit zum Marktführer aufstieg.

    „Der König der Löwen“ läuft seit dem 17. Juli in den deutschen Kinos.

    Der König der Löwen
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