„Für eine deutsche Serie ganz gut“ lautet gern mal das in seinem Lob gleichzeitig auch sehr abwertende Urteil, wenn eine Produktion aus hiesigen Gefilden auf offenbar überraschende Gegenliebe stößt. Bei „Dark“ kann man sich diesen Zusatz aber getrost sparen: Die erste deutsche Netflix-Produktion wurde zu Recht nicht nur hierzulande, sondern vor allem auch international gefeiert und gehörte mit ihrem ungewöhnlichen Mix aus Zeitreise-Mystery und Kleinstadt-Familiendrama auch für uns zu den besten Serien des Jahres 2017. Und die langersehnte zweite Staffel setzt den eingeschlagenen Weg nun in mehrerlei Hinsicht konsequent fort...
Wann sind wir überhaupt?
Die zweite Season „Dark“ knüpft nicht nahtlos an das Cliffhanger-Ende der ersten, sondern erst einige Monate später an (und beginnt übrigens am 21. Juni!). Nachdem Jonas (Louis Hofmann) herausgefunden hat, was mit den verschwundenen Kindern aus Winden passiert ist und was es mit dem Zeitreise-Tunnel in den örtlichen Höhlen auf sich hat, ist er nun schon eine Weile in der postapokalyptischen Zukunft (inzwischen des Jahres 2053) gestrandet, wo offenbar ein Unfall im Atomkraftwerk zu einer verheerenden Katastrophe mit zahlreichen Todesopfern geführt hat.
Während Jonas sowohl versucht, einen Weg zurückzufinden als auch das unvermeidlich scheinende Unglück doch noch irgendwie ungeschehen zu machen, werden auch in den anderen Zeitebenen immer mehr Menschen in die Mysterien von Winden hineingezogen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbinden...
Schwerer Einstieg
„Dark“ macht es einem zu Beginn der zweiten Staffel nicht gerade leicht. Das auch für die neuen Folgen wieder verantwortliche Showrunner-Duo Baran bo Odar (Regie) und Jantje Friese (Drehbuch), das nach dem „Dark“-Erfolg inzwischen einen Exklusiv-Deal mit Netflix hat und für den Streaming-Anbieter schon an seiner nächsten ambitionierten Serie „1899“ werkelt, steigt ohne große Umschweife oder eine wirkliche Rekapitulation der bisherigen Ereignisse direkt voll in die verzweigte Handlung ein, was angesichts der verworrenen Story und der anderthalb Jahre Abstand zwischen den Staffeln zweifellos mutig ist. Dass direkt zu Beginn noch eine völlig neue Zeitebene eingeführt wird, macht es zudem nicht unbedingt einfacher.
Wer die Geschehnisse der ersten Season und die Verbindungen zwischen den vielen in mehreren Zeitebenen auftretenden Figuren nicht mehr so präsent hat, kann sich hier schnell etwas verloren fühlen. Wir empfehlen daher im Vorfeld zumindest nochmal das Schauen von Recaps und Studieren von Stammbäumen, wenn nicht gar eine erneute Sichtung der kompletten ersten Staffel. Wenn man sich nämlich nicht die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrechen muss, wie Person XY jetzt nochmal ins große Ganze passt, kann man viel ungehinderter in das spannende Mystery-Geflecht abtauchen, das Odar und Friese so behutsam und geschickt weiterspinnen, dass Staffel eins und zwei wie aus einem Guss wirken.
Endloser Kreislauf?
Was der zweiten „Dark“-Staffel im Vergleich zur ersten etwas abgeht, ist die Atmosphäre des völlig Ungewissen zu Beginn und der damit verbundene unbehagliche Aufbau einer Welt, in der man generell erstmal herausfinden musste, was denn hier überhaupt los ist. Erst nach und nach kristallisierte sich damals der faszinierende Zeitreise-Plot heraus, inzwischen stecken wir mittendrin – was natürlich bei weitem nicht heißt, dass es keine Mysterien mehr zu lösen gilt.
Noch immer ziehen einen die Fragen, wer denn eigentlich auf welcher Seite steht und was genau aus welchen Gründen und auf welche Weise erreichen will, spielend von Folge zu Folge. Clever werden die vielen (und erneut toll gespielten) Figuren noch enger miteinander verknüpft und nach und nach weitere Verbindungen zwischen ihnen enthüllt. So kommt hier wirklich jedem irgendeine Bedeutung im großen Puzzle zu, das ganz langsam ein Gesamtbild ergibt (oder zumindest zu ergeben scheint).
Dabei spielt auch die erwähnte neue Zeitebene eine sehr zentrale Rolle, wenn es darum geht, die (vermeintlichen?) Ursprünge der weitreichenden Geschehnisse in Winden zu ergründen. Bisweilen wird es hier allerdings auch etwas redundant. Wie schon gegen Ende von Staffel eins wird wieder und wieder betont und demonstriert, dass nichts veränderbar ist und alles so geschieht, wie es schon einmal geschehen ist. Das nutzt sich nach dem Aha-Effekt der ersten Male dann irgendwann doch etwas ab, auch wenn es so weiterhin seinen Zweck erfüllt, die Erwartung darauf zu steigern, was denn passiert, wenn es doch noch gelingen sollte, aus dem Zyklus auszubrechen.
Durchdachtes Gesamtkonzept
Generell wird in der zweiten „Dark“-Staffel auch anhand kleinster Details deutlich, wieviel schon in der ersten Season angelegt und angedeutet war und teilweise erst jetzt schlüssig weitergeführt oder aufgelöst wird. Anders als bei so manch anderer Mystery-Serie (Ja, „Lost“, wir meinen dich!) stand hier ganz offensichtlich ein durchdachtes Gesamtkonzept und kein recht willkürliches Jonglieren mit Mysterien um der Mysterien Willen an erster Stelle – so funktioniert gute Mystery-Unterhaltung.
Schön ist dabei auch, mit welchem Ernst die Serie weiterhin präsentiert wird. Die Selbstsicherheit, mit der sich Baran bo Odar und Jantje Friese in ihre doch recht abstruse Geschichte stürzen, ist – und an dieser Stelle müssen wir einen solchen Zusatz dann doch mal bemühen – gerade für eine Produktion aus Deutschland, wo derartige Genre-Stoffen nach wie vor eine Rarität sind, noch immer absolut erstaunlich und erfrischend.
Und im Gegensatz zur ebenfalls gelungenen deutschen Netflix-Serie „How To Sell Drugs Online (Fast)“, wo vielleicht etwas zu gezwungen US-Vorbildern nachgeeifert wird, wirkt bei „Dark“ inzwischen alles ein Stück weit natürlicher und eigenständiger. Manchmal gibt man sich hier mit (pseudo-)philosophischen Zitaten und Diskussionen vielleicht etwas zu bedeutungsschwanger, aber selbst das versprüht im Gesamtkontext einen gewissen, fast schon B-Movie-artigen Charme.
Getragen wird das Ganze zu einem Löwenanteil auch erneut von Odars fantastischer Inszenierung. Selbst die trostlose Postapokalypse fängt er mit einfachen Mitteln glaubwürdig und effektiv ein und schafft es so, noch etwas mehr Abwechslung in seine ohnehin schon unglaublich dichte und stimmungsvolle Welt zu bringen.
Fazit
Zur ersten Staffel „Dark“ haben wir 2017 geschrieben, dass das abschließende Urteil bei einer derartigen Mystery-Geschichte stark vom Gesamtbild am Ende abhängt. Und das gilt auch weiterhin. Erst mit der bereits angekündigten dritten und letzten Staffel wird sich endgültig zeigen, ob die Serie als Gesamtwerk restlos überzeugen kann. Doch wenn die Reise so konsequent und spannend weitergeht wie nun in Season zwei, sind wir hier noch immer guter Dinge, dass „Dark“ über die Zeiten hinweg eine Netflix-Ausnahmeserie bleiben wird – und das nicht nur im deutschen Vergleich.
"Dark": Neuer Trailer zur 2. Staffel der Netflix-Serie verrät, wie viele Staffeln noch kommenAlle acht Folgen der zweiten „Dark“-Staffel können ab sofort bei Netflix abgerufen werden.
Daneben gehen beim Streamingdienst heute aber auch noch die Doku-Serien „Mädchen hinter Gittern“, „The Confession Tapes“ und „The Casketeers“ sowie die Teenie-Serie „GO! Sei du selbst“ in ihre zweiten Seasons. Neuen Netflix-Stoff gibt es zudem mit der Comedy-Serie „Mr. Iglesias“ und dem Bollywood-Hit „Jaoon Kahan Bata Ae Dil“.