Die Luft ist raus: Mit dem mauen „X-Men: Dark Phoenix“ veröffentlicht Disney diese Woche das Finale der 2011 neugestarteten Mutanten-Kinosaga – aber wohl nur, weil dieser Film eben vor der Übernahme von Fox gedreht wurde und nicht, weil man selbst groß an diesen vierten „X-Men“ mit James McAvoy und Michael Fassbender glauben würde. Schon der Vorgänger „Apocalypse“ ist nicht sonderlich beliebt und blieb an den Kassen hinter den Erwartungen. Aus der Superheldenfilm-Reihe, deren Erstling „X-Men“ im Jahr 2000 maßgeblich zum Fundament beitrug, auf das der nach wie vor anhaltende Boom fußt, ist ein Auslaufmodell geworden.
X-Men: Dark PhoenixDer Fundus an Geschichten und Helden, allen voran Wolverine, hat aber nach wie vor Strahlkraft – und die Kinorechte dazu, die Comic-Konzern Marvel an Fox verkaufte, befinden sich nun komplett im Besitz von Disney. Kevin Feige, Chef der Filmschmiede Marvel Studios, wird sich nun daran versuchen, Comic-Fans mit Kino-Faible einen alten Traum zu erfüllen:
Die Helden der Filme aus dem Marvel Cinematic Universe sollen auf die Mutanten treffen – was in den Comics längst Alltag ist (dort etwa mischen Wolverine und seine Kollegen auch im „Civil War“ mit) und im Kino wegen der Rechtelage bisher verhindert wurde, wird auch auf der Leinwand passieren. Jeder mit jedem, so lautet das Motto. Wer bereits beim großen Aufgebot im Finale von „Avengers 4: Endgame“ einen Nerdgasmus hatte, dem droht nun ein massiver Herzkasper.
Wann ziehen die Menschen mit den mutierten Genen, die Stürme verursachen können oder Krallen ausfahren, ins Marvel Cinematic Universe ein? Ein verbindliches Datum ist nicht bekannt. Kevin Feige wich entsprechenden Fragen bisher aus, indem er darauf verwies, sich überhaupt erst Gedanken zu machen, sobald Fox rechtsverbindlich zu Disney gehört (was nun der Fall ist). Man braucht nicht die Gedankenlesefähigkeiten eines Professor X, um darauf zu kommen, dass Feige auch vor der finalisierten Übernahme schon mal überlegt haben dürfte, wann und wo er die „X-Men“-Premiere im MCU steigen lässt. Unsere derzeitige Vermutung: In „Avengers 5“, allerfrühestens 2021.
"X-Men"-Pause
Blockbuster brauchen in der Regel eine Vorbereitungszeit von drei bis vier Jahren vom Beginn der Vorproduktion bis zum Kinostart. Davon unabhängig aber müssen Feige und Disney mit den X-Men gar nicht so sehr auf die Tube drücken. Erstens haben sie die Kinoreche nun komplett im eigenen Haus: Wenn eine Filmfirma das Recht erwirbt, einen Comic zu adaptieren, muss sie das für gewöhnlich innerhalb eines bestimmten Zeitraums tun, andernfalls gehen die Rechte zurück (weswegen Sony zum Beispiel die eher planlos wirkenden „Amazing Spider-Man“-Filme mit Andrew Garfield produzierte). Aber da Marvel seit 2009 komplett zu Disney gehört, kontrolliert der Mäusekonzern nun sowohl die Marvel-Comics, als auch die Marvel-Filme komplett (minus „Spider-Man“ bei Sony).
Zweitens gilt, was der frühere „X-Men“-Regisseur Matthew Vaughn kürzlich zu Protokoll gab: Das „X-Men“-Kinofranchise dürfte für eine Weile auf Eis gelegt werden, einfach um den Hunger danach wieder zu wecken. Im Zeitraum 2011 bis 2020, vom Prequel „Erste Entscheidung“ bis zum mehrfach verschobenen Spin-off „New Mutants“ (das Disney noch veröffentlichen muss), liegen insgesamt neun „X-Men“-Filme – macht im Schnitt fast einen pro Jahr.
Ok, Disney kann sich mit den X-Men ein paar Jahre Zeit lassen. Aber warum sollten die Mutanten ausgerechnet im nächsten „Avengers“ ihre MCU-Einführung bekommen und nicht zum Beispiel in einem „X-Men“-Abenteuer, der ausschließlich ihnen gewidmet ist? Weil der nächste Team-Up-Film damit ein Alleinstellungsmerkmal bekäme, das er bitter nötig hat.
Die X-Men in "Avengers 5"?
„Avengers“ von 2012 war etwas Besonderes, weil hier das erste große Heldentreffen der Kinogeschichte veranstaltet wurde. Heute ist das Konzept hinlänglich bekannt, damals war es neu: Iron Man (Robert Downey Jr.), Thor (Chris Hemsworth) und Captain Amerika (Chris Evans) mussten solo ran, bevor sie zusammengeschmissen wurden – und wer in einem Kinosaal voller Fans saß, als Thor mit seinem Hammer auf Caps Schild haute, der weiß, wie sehr diese Premiere gefeiert wurde. In „Avengers: Age Of Ultron“ wurde die Anzahl der Helden erhöht, in „Avengers: Infinity War“ dann mit Thanos die bis dato größte Gefahr des MCU etabliert und in „Avengers: Endgame“ ging es um die verheerenden Auswirkungen.
Wir haben gesehen, wie Held und Held um Held miteinander interagiert. Wir haben gesehen, wie ein Titan, gestützt auf fragwürdige Moralvorstellungen die Hälfte aller Lebewesen des Universums mit einem Fingerschnipser auslöscht. Wir haben gesehen, wie die Überlebenden mit dem Umstand hadern, dass sie nun alleine sind. Da ist keine produktive Steigerung mehr möglich. Soll es in „Avengers 5“ (Arbeitstitel), wo wahrscheinlich ein von Captain Marvel (Brie Larson) angeführtes Team übernimmt, einfach nur um einen noch mächtigeren Gegenspieler gehen, der noch mehr Menschen/Wesen umbringt?
Die „Avengers“-Filme haben Event-Charakter, aber in Sachen Bedrohung und Zerstörung dürfte mit „Infinity War“ und „Endgame“ das Limit erreicht sein. Und was ist das Event, auf das vor allem Comic-Fans, aber auch Film-Fans der „X-Men“- und MCU-Teile seit Jahren warten: die Ankunft der Mutanten!
So könnten die "X-Men" in "Avengers 5" integriert werden
Die Haupthandlung des Marvel Cinematic Universe (MCU) reicht zurück bis in den Zweiten Weltkrieg, wo aus Steve Rogers der als Propagandafigur eingesetzte Supersoldat Captain Amerika wurde. In „Guardians Of The Galaxy“ spielt Peter Quills Geburts-Jahrzehnt eine Rolle, die 80er, „Captain Marvel“ ist in den Neunzigern angesiedelt – aber nie wird an irgendeiner Stelle von den Mutanten geredet. Ging halt nicht, weil die Filmrechte dazu an Fox verkauft worden waren (weswegen auch Scarlet Witch und Quicksilver in „Avengers 2: Age Of Ultron“ keine Mutanten sind, obwohl das in den Comics sehr wohl der Fall ist). Kevin Feige hat nun mehrere Optionen, die X-Men an so später Stelle im Marvel Cinematic Universe vorzustellen:
Es gibt die Mutanten schon lange, aber sie waren versteckt.In den Comics und „X-Men“-Filmen leben viele Menschen, deren Gene mutiert sind, unentdeckt unter Menschen mit gewöhnlichen Genen. Die Frage, ob sich ein Mutant zu erkennen geben soll und zu welchem Preis, ist eines der Dauer-Themen (und kann als Metapher verstanden werden: Wie geht die Gesellschaft mit Minderheiten um? Sind wie auch immer geartete, als fremd empfundene Menschen eine Bedrohung?). Doch in der MCU-Geschichte werden Superhelden nach dem ersten „Avengers“-Film als Normalität empfunden. Spätestens dann hätten sich doch wenigstens ein paar der Mutanten mit ihren Fähigkeiten outen können.
Die Mutationen passieren ganz frisch. In der „X-Men“-Geschichte ist Bösewicht Apocalypse (im Film gespielt von Oscar Isaac) einer der ersten, uralten Mutanten. Die Mutation entstand natürlich, ohne äußere Einwirkung. Rassistisch denkende Mutanten wie Magneto (Ian McKellen / Michael Fassbender) halten sich für mehr wert als unmutierte Menschen, auch weil die Genveränderung ein natürlicher Prozess war.
Aber was, wenn die Mutationen im Marvel Cinematic Universe erst in „Avengers 5“ passieren – und zwar doch durch externen Einfluss? Beispielsweise könnten besondere Kometen auf die Erde krachen und mit ihrer Strahlung für die Gen-Veränderung sorgen. Diese Variante wäre aber ebenfalls problematisch. Zur „X-Men“-Geschichte gehört, dass die Mutanten wegen ihrer Andersartigkeit einen teils jahrzehntelangen Kampf um Anerkennung führen mussten. Dieses Story-Element würde fehlen – und außerdem dürften die Kräfte der Neu-Mutanten in „Avengers 5“ dann wenig beeindruckend seien, da sie nicht trainiert werden konnten. X-Men wie Professor X oder Storm brauchten schließlich eine Weile, bis sie mit ihren übermenschlichen Fähigkeiten umgehen konnten.
Die Mutanten kommen aus einer anderen Dimension rüber. In „Doctor Strange“ wurde über das Konzept des Multiversums gesprochen: Demnach existieren sehr viele, sehr unterschiedliche Realitäten (und anscheinend stammt auch der neue „Spider-Man“-Bösewicht Mysterio (Jake Gyllenhaal) aus einer dieser anderen Realitäten). In den Comics ist die Idee verschiedener Dimensionen ein simpler, willkommener Kniff, damit Autoren bekannte, weil X-mal erzählte Geschichten variieren können.
Im tollen Animations-Film „Spider-Man: A New Universe“ wurde dieses Konzept gerade erst auf spaßige Weise ins Kino übertragen. Warum es sich an Stelle von Kevin Feige also nicht einfach machen und die Mutanten aus einer Dimension ins Marvel Cinematic Universe einfliegen, in der sie schon lange existierten (dann allerdings nicht gespielt von James McAvoy, Michael Fassbender & Co., sondern von neuen, günstigeren Darstellern).
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