+++Meinung+++
Es war schon vor „Avengers: Endgame“ zu erahnen, als langsam klar wurde, dass es der (vorerst?) letzte Auftritt von Chris Evans im MCU werden würde: Der von dem Schauspieler verkörperte Captain America tritt ab und übergibt sein Schild (und den Heldennamen) an einen seiner treuen Mitstreiter. Dass in diesem Moment „Falcon“ Sam Wilson (Anthony Mackie) zu ihm geht und nicht „Winter Soldier“ Bucky Barnes (Sebastian Stan), regt viele Fans auf. Unter dem Hashtag #NotMySteve kritisieren sie die Marvel-Macher seit Wochen in den Sozialen Medien hinsichtlich einiger Entscheidungen von Captain America – vor allem wegen der Wahl seines Nachfolgers. Bucky sei der ältere und engere Freund. Es sei daher logisch, dass Cap diesem seine Nachfolge anvertraue, wird da argumentiert. Da bin ich aber anderer Meinung.
Dass es entweder Sam oder Bucky wird, war zu erwarten. In den Comics treten sie beide jeweils in verschiedenen Geschichten die Nachfolge von Steve Rogers an, in den Filmen wurden sie beide dafür in Stellung gebracht. So sehr ich vielleicht noch nachvollziehen kann, dass Steve Bucky durchaus noch mal eine Umarmung geben sollte, ist seine Entscheidung, Falcon zum Captain America zu machen, ist aber dann doch die einzige im Rahmen der bisherigen MCU-Kinoerzählung (und nur diese zählt) logische: Denn nur Falcon ist ein guter Mann.
Der gute Mann
Es geht sehr oft in den bisherigen Filmen darum, dass Captain America „a good man“, ein guter Mann, ist. Schon in Joe Johnstons „Captain America: The First Avenger“ gibt es diesen Ausspruch. Auch in „Avengers: Endgame“ fällt dieses Zitat noch einmal. In diesem Moment schlagen die Regisseure Joe und Anthony Russo sowie die Drehbuchautoren Christoper Markus und Stephen McFeely eine ihrer vielen Brücken zurück zu den vorherigen Filmen. Immer wieder verweisen sie in Dialogen und Szenen auf all die MCU-Filme zuvor, wie sie schon mit dem grandiosen Papierfußballspiel zwischen Iron Man und Nebula sowie Tony Starks anschließender „Abschiedsbotschaft“ zu einem frühen Zeitpunkt deutlich machen – schließlich dienen diese, Szenen vor allem dazu, richtig große Bögen zur bisherigen Entwicklung schlagen.
Und der „good man“-Bogen ist wie die meisten dieser Szenen nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern als Aussage für die Gegenwart zu verstehen. In „The First Avenger“ stellt Stanley Tuccis Dr. Abraham Erskine den starken und den guten Mann gegenüber. Und Bucky ist zwar der starke Mann, es braucht aber einen „guten Mann“ als neuen Captain America. Und diese Anforderung erfüllt der sich aufopferungsvoll um Veteranen kümmernde Sam.
Bucky hat zwar Vergebung und zurück ins richtige Leben gefunden, doch er war für eine ziemlich lange Zeit ein gehirngewaschener Killer des Feindes. Er ist kein guter Mann, er ist nur ein gebrochener. Er traut sich nicht einmal mehr selbst und fürchtet, dass die alten Programmierungen in seinem Gehirn ihn irgendwann wieder zur Waffe werden lassen. Nicht umsonst wollte er sich aus dem Kampf zurückziehen und griff erst mit dem Beginn des „Infinity War“ notgedrungen wieder zur Waffe. Neben der durch den Film selbst deutlich gelieferten Begründung gegen Bucky kann man übrigens noch viel mehr ins Feld führen. Wäre für ihn der Captain-America-Mantel nicht eher eine Bürde und Last? Wie soll Bucky, der mit kaum einen anderem Avenger bisher viel interagiert hat, ein akzeptierter Teamplayer, sogar Anführer werden? Nein, Bucky als Captain America hätte für mich – zu diesem Zeitpunkt – (noch) keinen Sinn ergeben.
Bucky spielt weiter eine Rolle
Vielleicht ändert sich das in Zukunft. Wir werden nämlich mehr von Bucky sehen. Für Disney+ wird eine Serie entstehen, in der wir Abenteuer von Anthony Mackie als neuem Captain America und Sebastian Stan als Bucky Barnes in der Post-„Endgame“-Welt gezeigt bekommen. Was genau da passiert, ob beide ein Team bilden und ob Falcon vielleicht irgendwann das Schild an seinen Partner weitergibt, wenn dieser alle Traumata überwunden hat, wenn dieser doch wirklich ein „guter Mann“ ist, wird die Zukunft zeigen…