Wenn eine Sport-Dokumentation mal ins Kino kommt, ist das sowieso schon etwas Besonderes, weil normalerweise das Fernsehen, Direct to DVD oder heutzutage die Streamingdienste wie Netflix erster Anlaufpunkt für eine Veröffentlichung sind. Aber einige Berg- und Kletterfilme haben es in den vergangenen Jahren doch auf die große Leinwand geschafft. Der erfolgreichste von ihnen war Pepe Danquarts „Am Limit“ (2007). Die Kletter-Doku über die Huber-Buam Thomas und Alexander erreichte 187.000 Besucher in Deutschland.
Überragender Kinostart von „Free Solo“ in Deutschland
So furios wie „Free Solo“ ist allerdings noch nie ein Kletterfilm in den deutschen Kinos gestartet. Am Start-Donnerstag verkauften sich 24.000 Tickets (via Blickpunktfilm) für Jimmy Chins und Elizabeth Chai Vasarhelyis Film über den weltbesten Freeclimber Alex Honnold, der „free solo“, also allein und ohne Seilsicherung, als erster Mensch den legendären El Capitan im Yosemite Valley in Kalifornien bestieg. Die Besucherzahl für das gesamte Wochenende vorauszusagen, ist dieses Mal sehr schwierig, da „Free Solo“ meistens als Event am Donnerstag und Sonntag in den Kinos geplant ist und dazwischen nur wenige Vorstellungen laufen.
Free SoloAber was macht „Free Solo“ so besonders? Das beginnt schon mit der tatsächlichen sportlichen Leistung, die in dieser Form bisher noch kein Mensch auf der Erde je erbracht hat. Einen 975 hohen, meist senkrecht abfallenden Fels mit minimalen Möglichkeiten, Griffe zu fassen, komplett ohne Sicherung in einem Zug in unter vier Stunden zu erklimmen, hat bisher nur Alex Honnold überhaupt gewagt. Bei diesen sensationellen Bildern, die Profibergsteiger Jimmy Chin und seine Regiepartnerin Elizabeth Chai Vasarhelyi zeigen, schießt einem schon beim bloßen Zusehen das Adrenalin in die Adern.
Über vier Stunden ist Honnold jeweils nur einen Fehlgriff vom Tod entfernt. Und dennoch ist der Mittdreißiger kein gewissenloser Draufgänger. Seinen Angriff auf den El Capitan, den mit Abstand berühmtesten Berg der Freiklettererszene, hat er in zahlreichen Testdurchläufen (am Seil) so gut es nur geht, vorbereitet.
Alex Honnolds sportliche Leistung ist übermenschlich
Um Honnolds alles überragendes Können besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick zu seinem Kletter-Kumpel Tommy Caldwell, der auch in „Free Solo“ als Begleiter und Unterstützer Leinwandzeit hat. Caldwell ist selbst einer der besten Freikletterer der Welt, was in Josh Lowells und Peter Mortimers Doku „Durch die Wand“ (2017) gewürdigt wurde. Caldwell meistert die „Dawn Wall“ genannte Route am El Capitan und braucht dafür fast unzählige Versuche mit vielen Abstürzen ins Seil. Allerdings ist die Dawn-Wall-Route auch schwieriger als die „Freerider“-Variante, die Honnold geklettert ist. Doch Honnold hatte diese Sicherheit eben nicht, was einen gigantischen Unterschied macht. Ein Griff ins Leere hätte die Katastrophe bedeutet.
Das ist pures menschliches Drama, das die beiden Filmemache auf einer zweiten erzählerischen Ebene in „Free Solo“ wunderbar sichtbar machen. Die Zuschauer werden zum Mitleiden und Mitfiebern in die Kinositze gepresst. So ist der Film gleichzeitig auch ein Charakterdrama.
Man leidet furchtbar mit
Fast gegen Ende von „Free Solo“ gibt es bemerkenswert aufwühlende Szene, in der ein Kamermann des Filmteams mit einem Mega-Teleobjektiv Honnolds Kletterei weit oben am El Capitan verfolgt und es nervlich nicht mehr aushält. Er kann einfach nicht mehr hinschauen, weil der Tod so nahe ist. Dieses Gefühl hat man als Zuschauer oft, obwohl der Ausgang bekannt ist. „Free Solo“ ist ein Film, der einen extrem mitnimmt und reinzieht. Der Oscar als bester Dokumentarfilm ist hochverdient.
„Free Solo“ läuft seit dem 21. März 2019 in den deutschen Kinos.