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    Kino-Star mit Down-Syndrom: Wir sprechen mit Luisa Wöllisch über "Die Goldfische"

    U. a. Tom Schilling und Axel Stein spielen in der Komödie „Die Goldfische“ Menschen mit Behinderungen. Dabei ist auch Luisa Wöllisch - die aber tatsächlich das Down-Syndrom hat. Wir haben die Münchner Schauspielerin in ihrer Heimatstadt getroffen.

    Matthias Fleischer / Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wiedemann & Berg Film GmbH & Co. KG

    Seit dem 21. März 2019 läuft „Die Goldfische“ in den deutschen Kinos und ist fast schon dafür prädestiniert, nicht nur zu unterhalten, sondern auch für Diskussionen zu sorgen. Denn wie schon unter anderem 2006 bei „Wo ist Fred?“ mit Til Schweiger und Jürgen Vogel stellt sich auch hier die Frage: Darf man über oder mit „Behinderten“ lachen? Eine, die sich am ehesten ein Urteil erlauben kann, ist Luisa Wöllisch. Die 1996 mit dem Down-Syndrom geborene Schauspielerin weiß, was es heißt, sich mit einer Einschränkung in unserer Gesellschaft durchsetzen zu müssen und damit akzeptiert zu werden.

    In „Die Goldfische“ ist sie Teil einer Behinderten-WG. Gemeinsam reist die bunt gemischte Truppe nach Zürich, wobei niemand weiß, dass Portfolio-Manager Oliver (Tom Schilling) sie nur benutzt, um Schwarzgeld über die Grenze zu schmuggeln. Denn ein Behinderten-Bus wird sicher nicht kontrolliert. Denkste!

    Luisa Wöllisch erobert als freche Franzi auf Anhieb die Zuschauerherzen. Im Interview verriet sie uns nicht nur, wie ernst sie ihren Beruf nimmt, sondern sprach mit uns auch über Humor, Herausforderungen und den Begriff „Behinderte“.

    Ein Stunt als größte Herausforderung

    FILMSTARTS: In der Komödie „Die Goldfische“ sind Sie das aufgeweckte Mädchen Franzi und die einzige im Cast, die tatsächlich ein Down-Syndrom hat. Wie groß empfanden Sie die Herausforderung, hier mitzuspielen?

    Luisa Wöllisch: Also meine große Herausforderung war, dass die Textpassagen teilweise auf eine kindliche Art geschrieben worden sind, die ich vielleicht nicht so gesagt hätte. Beim Drehen gab es aber nur eine Herausforderung als ich der Birgit Minichmayr beim Autofahren ins Lenkrad greifen sollte. Ich wusste anfangs nicht, wie ich das machen sollte. Aber die Stuntleute und das Team haben mich sehr gut unterstützt. Dann war das gar nicht mehr so schlimm.

    FILMSTARTS: „Die Goldfische“ ist eine Komödie, in der Witze auch auf Kosten von Menschen mit Beeinträchtigungen gemacht werden, die viel mehr über sich selbst lachen können als andere es vermuten würden. Ist da was dran?

    Luisa Wöllisch: Das finde ich nicht. Jeder kann über jeden lachen. Nicht nur Menschen ohne Beeinträchtigungen über Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern auch umgekehrt. Wir alle sollten zusammen lachen, und zwar viel und über Sachen, die Spaß machen.

    © Jürgen Olczyk / Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wiedemann & Berg Film GmbH & Co. KG

    FILMSTARTS: Es gibt immer wieder heftige Diskussionen über die Benutzung des Begriffs „Behinderte“. Ist diese Bezeichnung für Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten noch zeitgemäß? Wie stehen Sie dazu?

    Luisa Wöllisch: Im Grunde genommen würde ich „Behinderung“ nicht sagen wollen. Das Wort hört sich einfach nicht so schön an. Ich mag den Begriff Inklusion lieber oder man kann zu mir auch sagen: „Du bist ein normaler Mensch mit Down-Syndrom.“

    FILMSTARTS: Sie wurden bereits von mehreren Seiten gelobt, dass Sie immer so perfekt vorbereitet und vor allem auch so textsicher waren. Haben Sie eine bestimmte Methode, Texte zu lernen?

    Luisa Wöllisch: Bei mir ist es so, dass ich ganz viel durchs Hören lerne. Ich kann mich nicht hinsetzen und mir die Texte die ganze Zeit durchlesen, da würde ich wahnsinnig werden. Deshalb spreche ich mir die Texte aufs Handy und höre sie mir immer wieder an. Aber ich schaue mir nicht nur meine Texte an, sondern auch die der anderen. Wenn also Tom Schilling in seiner Rolle als Oliver was sagte, wusste ich sofort, wann ich einspringen musste.

    Die Goldfische

    FILMSTARTS: Hatten Sie das Gefühl, dass Sie Ihren Kollegen ein bisschen die Angst nehmen mussten, die es nicht gewohnt waren mit einer Schauspielerin zu arbeiten, die das Down-Syndrom hat?

    Luisa Wöllisch: Nein, das war nicht so. Es war einfach, aber klar war es auch für mich eine der Herausforderungen, denn jeder nimmt es anders auf mit jemanden zu arbeiten, der wirklich eine Behinderung hat so wie ich. Aber es war toll in dem Team, weil keiner abweisend war. Alle waren offen zu mir und haben viel mit mir gesprochen. Das hat mir so gutgetan, dass ich immer weiter Spaß daran hatte, mit ihnen zu arbeiten.

    FILMSTARTS: Sie haben sich mit der Schauspielerei Ihren Traum erfüllt. Welchen Rat würden Sie anderen Menschen mit Down-Syndrom geben, die sich das vielleicht nicht sofort trauen würden? Wie haben Sie sich immer wieder motiviert?

    Luisa Wöllisch: Mich hat jetzt nochmals angetrieben, dass ich vom Theater zum Film gegangen bin. Das ist ja auch ein sehr großer Schritt, um den mich alle sehr beneidet haben. Zum Beispiel der Sohn einer Münchner Theaterleiterin der natürlich auch Schauspieler werden will. Für ihn ist es aber schwieriger, weil er in seiner Aussprache nicht so deutlich ist wie ich. Da muss man schauen, wie man das auf dieser Basis dennoch schafft. Ich kann Leute, die Schauspieler werden wollen und eine Einschränkung haben, mit auf dem Weg geben, dass sie an sich selbst glauben und das machen sollen, was ihnen Spaß macht. Am wichtigsten ist aber: Keine Angst haben.

    Wir sind normale Menschen

    FILMSTARTS: Menschen mit Einschränkungen werden zuerst gern in Werkstätten gesteckt. Wie groß ist eigentlich das Angebot, sich künstlerisch zu entwickeln?

    Luisa Wöllisch: Ich finde nicht, dass man Leute sofort in einer Behinderten-WG oder in eine Werkstatt schicken muss. Das ist nicht in Ordnung, weil wir immer noch normale Menschen sind. Das war auch bei mir so, aber meine Eltern wollten es einfach nicht, dass ich in eine Werkstatt gehe. Ich selbst fände es auch schrecklich, wenn man den ganzen Tag dort sein muss und immer nur eine Sache machen darf. Ich mag an der Schauspielerei, dass man sich da frei entfalten kann.

    „Die Goldfische“ mit Luisa Wöllisch an der Seite von unter anderem Tom Schilling, Jella Haase und Axel Stein läuft seit dem 21. März 2019 im Kino.

     

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