Achtung, es folgen natürlich Spoiler zu „Captain Marvel“!
Mit „Captain Marvel“ umfasst das Marvel Cinematic Universe (MCU) nun 21 Filme. 21 Filme, die zwar allesamt unter der Oberaufsicht von Kevin Feige entstanden sind, aber dennoch von verschiedenen Drehbuchautoren und Regisseuren umgesetzt wurden. Da es bei Marvel auch kein Gegenstück zur berühmten, noch von George Lucas auf den Weg gebrachten, über den Kanon wachenden und auf Widersprüche achtenden Story Group gibt, hat sich in den elf Jahren seit „Iron Man“ durchaus der eine oder andere inhaltliche Widerspruch eingeschlichen – man denke etwa an den Zeitsprung in „Spider-Man: Homecoming“, der nicht zur restlichen MCU-Timeline passt (und längst auch als Fehler eingestanden wurde).
Spätestens nachdem klar war, dass „Captain Marvel“ ein Prequel in den 90er Jahren werden würde, stand auch hier bei vielen Fans die Befürchtung im Raum, dass es hier zu Widersprüchen mit den vorher erschienenen, aber chronologisch später angesiedelten MCU-Titeln kommen würde. Und wer bei „Captain Marvel“ mit Argusaugen hinsieht, der erkennt tatsächlich die eine oder andere kleine Ungereimtheit. Die meisten angeblichen Probleme lassen sich jedoch ziemlich leicht erklären. Das gilt auch für den scheinbaren Widerspruch um Nick Furys fehlendes Auge, dem wir bereits einen eigenen Artikel gewidmet haben:
"Captain Marvel"-Aufreger: Darum ist Nick Furys Augenklappe doch kein Problem!Nick Furys Position
Dass Nick Fury (Samuel L. Jackson) zur Zeit von „Captain Marvel“ noch nicht an der Spitze von S.H.I.E.L.D. steht, ist in unseren Augen etwa kein Problem. Fury ist der Geheimorganisation in den 80er Jahren beigetreten und steht im „Captain Marvel“-Handlungsjahr 1995 offensichtlich in einer Art mittleren Führungsposition (und ist kein einfacher Agent, wie im Vorfeld die Runde machte). Irgendwann danach wurde er stellvertretender Chef der S.H.I.E.L.D.-Zweigstelle in Bogotá, wo er die Tochter von Alexander Pierce (Robert Redford) rettete, wie wir in „The Return Of The First Avenger“ erfahren. Dafür wurde er zum Direktor ernannt und Pierce wechselte zum Weltsicherheitsrat.
Nick Fury und die Aliens
Bislang sah es so aus, als ob Thor (Chris Hemsworth) der erste Außerirdische war, dem Nick Fury und Phil Coulson (Clark Gregg) in den MCU-Filmen begegnet sind, kurze Zeit später folgten dann noch Loki (Tom Hiddleston) und seine Chitauri. Dass Fury und Coulson nun schon Jahre vorher auf Alien-Rassen wie die Kree und die Skrulls getroffen sind, stellt in unseren Augen jedoch keinen Widerspruch dar. Vielmehr erklärt es wohl, warum die S.H.I.E.L.D.-Agenten selbst beim Kontakt mit Donnergöttern und Außerirdischen so cool bleiben.
Fury sagt zwar in „The Avengers“, dass man wegen Thor versucht hat, aus dem Tesserakt Waffen zu machen, weil man „letztes Jahr Besuch von einem anderen Planeten erhalten hat“ und lernen musste, dass man nicht allein ist. Doch diese Aussage beinhaltet nicht unbedingt, dass das wirklich der erste Kontakt mit Aliens für ihn ist. Schließlich ist Fury ein paranoider Geheimniskrämer (gerade nach den Ereignissen in „Captain Marvel“, wo klar wird, dass er explizit niemandem mehr vertrauen kann), der den Avengers nicht unbedingt alles verraten will und kaum so einfach offenbaren dürfte, dass es noch mehr Aliens gibt.
Zudem deutet er in derselben Szene schon an, dass er weiß, dass die Asgardianer nicht die Einzigen da draußen sind. Formuliert er das zuerst noch als Frage, ist der folgende Satz, dass sie nicht die einzige Bedrohung sind, eine Aussage. Also: Unserer Meinung nach kein Widerspruch.
Hinzu kommt: Der Kontakt mit Captain Marvel erklärt auch noch einmal, warum Nick Fury bereits in der Post-Credit-Szene von „Iron Man“ zu Tony Stark (Robert Downey Jr.) sagt, dass er nicht der einzige Superheld, sondern nur „Teil eines größeren Universums“ geworden sei (bisher wurde diese Aussage vor allem auf Captain America gemünzt).
Warum merkt keiner was?
Doch die S.H.I.E.L.D.-Agenten sind ja nicht die einzigen Menschen auf der Erde: In „Captain Marvel“ fällt eine merkwürdig gekleidete junge Frau vom Himmel, ein Haufen Raketen explodiert in der Atmosphäre und ein außerirdischen Raumschiff stürzt in der Wüste ab – warum, könnte man sich nun fragen, hat das keiner gemerkt?
Die Antwort findet sich bereits in der obigen Auflistung: Nahezu alle kritischen Ereignisse tragen sich eben in (oder über) einem abgelegenen und ausgestorbenen Wüstengebiet zu. Im Endeffekt dürften – im Gegensatz zur Schlacht von New York in „The Avengers“ – einfach nicht genügend Leute mitbekommen haben, dass hier eine halbe Alieninvasion abgewehrt wurde. Und selbst der eine Sicherheitsmann, der Captain Marvel vom Himmel stürzen sehen hat, dürfte für eine Behörde wie S.H.I.E.L.D. wohl kein großes Problem darstellen.
Der Tesserakt
In dem blauen Würfel war die ganze Zeit über einer der mächtigen Infinity-Steine verborgen, nämlich der Raumstein. Das wissen MCU-Fans spätestens seit „Avengers 3: Infinity War“. Doch kann es überhaupt sein, dass der Tesserakt auch in „Captain Marvel“ eine Rolle spielt? Die kurze Antwort: ja.
Die lange Antwort: Wie wir in „Captain America“ sehen, fällt der Tesserakt im Jahr 1945 ins Meer, nachdem Red Skull (Hugo Weaving) ihn in seinem Flugzeug in die Hand genommen hat. Anschließend birgt ihn Tony Starks Vater Howard (Dominic Cooper) aus dem Wasser und forscht eine Weile damit herum, übergibt ihn aber schließlich an S.H.I.E.L.D. Schlussendlich landet der blaue Würfel bei Project P.E.G.A.S.U.S., einer extra zur Erforschung des Tesserakts gegründeten Unterabteilung. Dass Mar-Vell (Annette Benning) in den späten 80er Jahren bei P.E.G.A.S.U.S. mit dem Würfel herumforscht, geht also in Ordnung.
Auch dass der Würfel sechs Jahre lang in einem getarnten Raumschiff im Erdorbit herumfliegt, ist kein Widerspruch. Vermutlich dachte man bei S.H.I.E.L.D., der Würfel sei gemeinsam mit dem abgestürzten Raumschiff der Wissenschaftlerin zerstört worden (nicht vergessen: damals wusste ja noch niemand von den Infinity-Steinen). Und in der Post-Credit-Szene von „Captain Marvel” würgt Goose den Würfel ja wieder aus, so dass die Forschung weitergehen kann, bis ihn sich Loki in „The Avengers“ schließlich schnappt.
Die Avengers-Initiative
Apropos Avengers: In „Captain Marvel” erfahren wir auch, woher eigentlich der Name der Avengers-Initiative stammt: „Avenger“ ist der Spitzname und die Pilotenkennung von Carol Danvers. Als er diesen Namen auf einem Bild von Danvers‘ Jet sieht, beschließt Fury, den bisherigen Namen für seine Idee einer Superhelden-Eingreiftruppe zu ändern. Auch das ist kein Widerspruch zum bisherigen MCU, denn der Begriff „Avenger-Initiative“ fällt in den Filmen erstmals im Jahr 2008, in der Post-Credit-Szene von „Iron Man“ (s. Video oben).
Wer ist der mächtigste Held im Universum?
In „Guardians Of The Galaxy” warnt Korath (Djimon Hounsou) seinen Boss Ronan (Lee Pace) davor, Thanos um den gesuchten Machtstein zu betrügen. Seine Worte: „Thanos ist das mächtigste Wesen im Universum!“
Doch dank Kevin Feige wissen wir mittlerweile, dass nicht Thanos, sondern Captain Marvel das mächtigste Wesen im Universum ist. Ein Widerspruch? Wohl kaum, denn erstens haben weder Korath noch Ronan das volle Ausmaß von Captain Marvels Macht gesehen (die Zerstörung eines Raumschiffs ist für sich keine derart umwerfende Machtdemonstration) und zweitens liegt die Begegnung mit der Superheldin zum Handlungszeitpunkt von „Guardians Of The Galaxy“ bereits knapp 20 Jahre zurück. Gut möglich also, dass Korath in der Zwischenzeit den verrückten Titanen als mächtiger einschätzt – selbst, wenn er sich dabei irrt.
Ronan und Korath
Auch die Tatsache, dass Ronan und Korath in „Captain Marvel“ auftreten, stellt keinen Widerspruch zum bisherigen Kanon dar. Beide sind Kree, die in den 90er Jahren noch Teil der regulären Kree-Streitkräfte sind, bevor sie sich in „Guardians Of The Galaxy“ schließlich vom Imperium abwenden und auf eigene Faust handeln.
Klar: In einem „GotG“-Prequel-Comic erfahren wir, dass Korath schon als Kind gemeinsam mit Gamora und Nebula unter Thanos trainierte, was man durchaus als Widerspruch zu „Captain Marvel“ verstehen könnte. Doch die Ereignisse dieses Comics betrachtet etwa auch James Gunn nicht als offiziellen Teil des Kanons (und er widersprach ihnen bereits in „Guardians Of The Galaxy Vol. 2“ deutlich):
Im Großen und Ganzen haben die „Captain Marvel“-Macher unserer Meinung nach also gute Arbeit dabei geleistet, das MCU-Prequel in die bisherige Timeline zu integrieren. Oder sind euch andere Widersprüche aufgefallen? Wer sich davon selbst ein Bild machen möchte, kann das seit dem 7. März 2019 in den deutschen Kinos tun.