„Roma“ oder „Green Book“ – viel lief bei den Oscars auf dieses Duell hinaus. Als „Green Book“ dann in der Kategorie „Bestes originales Drehbuch“ über den Netflix-Konkurrenten triumphierte, zeichnete es sich ab und so war es keine große Überraschung mehr, als Julia Roberts bekanntgab, dass „Green Book“ den Oscar als bester Film gewinnt. Spike Lee war trotzdem fassungslos. Wie diverse Reporter berichten, wedelte er zuerst wütend mit den Armen und versuchte anschließend aus dem Saal zu stürmen. Dabei wurde er aber gestoppt und soll angeblich eine längere Unterhaltung mit „Get Out“-Regisseur Jordan Peele geführt haben, der laut anwesender Presse bei der Bekanntgabe des Oscargewinners ebenfalls den Applaus verweigert haben soll. Anschließend habe Lee die Dankesrede des „Green Book“-Teams mit dem Rücken zur Bühne verfolgt und sei erst danach wieder auf seinen Platz gegangen.
Lee, dessen Film „BlacKkKlansman“ ebenfalls in der Königskategorie nominiert war, kommentierte später seine aufsehenerregende Ablehnung mehr als süffisant. Mit ein paar Gläsern Champagner oder Sekt intus bezeichnete er sich auf der Pressekonferenz für seinen Oscargewinn für das beste adaptierte Drehbuch als „snakebite“, was so viel wie „verflucht“ bedeutet: „Jedes Mal, wenn jemand fährt, verliere ich.“
Damit nahm er Bezug auf die Oscars 1990, als „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ der große Gewinner des Abends und Lees heute als Klassiker geltendes Meisterwerk „Do The Right Thing“ zum Entsetzen vieler Insider nicht einmal als bester Film nominiert war. „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ wird gerne mit „Green Book“ verglichen, wobei Lee auf einen Unterschied hinweist: Sie haben die Sitzordnung geändert. Soll heißen: In „Green Book“ wird die schwarze Figur chauffiert und sitzt demzufolge hinten, bei „Miss Daisy ist es umgekehrt“. Daneben kommentierte der bekennende Basketballfan seine Reaktion noch damit, dass er dachte, er habe am Spielfeldrand gesessen und „der Schiedsrichter eine schlechte Entscheidung“ gefällt.
Darum gibt es Kritik an "Green Book"
Dass Lee so ausrastete und nach Berichten auch zahlreicher anwesender anderer Stars den Applaus verweigerte, hat mit den vielen Kontroversen um „Green Book“ zu tun, über die wir bereits einen eigenen Artikel geschrieben haben. Im Zentrum steht vor allem die Frage, wie wahr die wahre Geschichte dahinter überhaupt ist und dass eine Rassismus-Geschichte einmal mehr durch die Augen und anhand des Erweckungserlebnisses eines Weißen, einer White-Saviour-Figur, erzählt wird (gespielt von Viggo Mortensen).
Auch im Netz findet sich reichlich Kritik an „Green Book“, wobei auch darauf eingegangen wird, dass der Film gerade ästhetisch wenig bietet. Zum erst fünften Mal in der Geschichte der Oscars wurde ein Werk auch als bester Film ausgezeichnet, ohne dass der dafür verantwortliche Regisseur überhaupt nominiert war (interessanterweise ist „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ eines der anderen vier Beispiele). Daneben wird sich auch über mögliche Verwechslungen lustig gemacht.
Am Ende triumphieren die "Green Book"-Fans
Doch bei aller Kritik muss man am Ende feststellen, dass „Green Book“ sehr vielen Menschen gut oder sehr gut gefällt – sowohl in Hollywood als auch wohl in den Sozialen Medien. In Hollywood ist es offensichtlich, schließlich hat die Filmindustrie „Green Book“ nun einmal ausgezeichnet, auch wenn dem Drama mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali höchstwahrscheinlich von dem unglaublich engen Rennen in diesem Jahr profitiert hat.
Und auch in den Sozialen Medien konnten wir – zumindest in Deutschland – auch viele positive Stimmen zum „Green Book“-Gewinn finden:
Da können also die „Green Book“-Kritiker (auch für den Autor dieser Zeilen war es der schwächste aller acht nominierten Filme in der Königskategorie) noch so enttäuscht sein und einige US- und deutsche Kollegen bereits vom „schwächsten Oscargewinner seit ‚L.A. Crash‘“ schreiben. Hier auf FILMSTARTS.de hat „Green Book“ übrigens vier Sterne.
Green Book - Eine besondere Freundschaft Oscars 2019: Alle Gewinner in der Übersicht