Bereits 1994 arbeitete Jon Landau zum ersten Mal mit James Cameron zusammen. Damals bescherte uns das Duo den Schwarzenegger-Klassiker „True Lies“, der als erster Film mit einem Produktionsbudget von über 100 Millionen Dollar Geschichte schrieb. Seitdem sind die beiden ein unzertrennliches Team, das für Kino der Superlative steht: Es folgte unter anderem der mit elf Oscars prämierte „Titanic“, der außerdem auch noch so lange der erfolgreichste Film aller Zeiten war, bis sich Cameron und Landau mit „Avatar“ selbst entthronten. Die beiden Filme spielten 2,187 bzw. 2,788 Milliarden Dollar ein und führen die Rangliste der finanziell erfolgreichsten Filme bis heute an — vor Marvel, Star Wars und Co.
Über 20 Jahre tüftelten die beiden nun, um „Alita: Battle Angel“ auf die Leinwand zu bringen. Letztlich war es allerdings Kult-Regisseur Robert Rodriguez („Sin City“), der die Manga-Verfilmung für das Dream-Team inszenieren durfte. Wir haben Jon Landau in Berlin getroffen und mit ihm aber nicht nur über die Wahl des Regisseurs und die lange Entwicklungsphase des Films gesprochen, sondern außerdem festgestellt, dass im Zentrum des Films eine ebenso interessante wie starke weibliche Hauptfigur steht — und „Alita“ deswegen auch ein ganz typischer James-Cameron-Film ist.
"Alita": Anders als die anderen
FILMSTARTS: Du bist seit Mitte der 80er Jahre im Filmgeschäft, hast als Produzent in dieser Zeit aber nur eine Handvoll Filme umgesetzt. Es scheint so, als würdest du deine Projekte also mit größter Sorgfalt wählen. Was macht „Alita: Battle Angel“ für dich so besonders?
Jon Landau: Alita ist eine Figur, mit der man sich identifizieren, mit der man mitfühlen kann. Yukito Kishiro erzählt in seinem Manga von einer Reise der Selbstfindung und Selbstbestimmung. Unsere Titelheldin erkennt, dass sie selbst ihres eigenen Schicksals Schmied ist – und ich denke, das ist eine wichtige Botschaft nicht nur für James [Cameron] und mich, sondern für Filmfans auf der ganzen Welt. Denn ich glaube, in jedem von uns steckt ein wenig Alita.
FILMSTARTS: Live-Action-Verfilmungen von Mangas stehen oftmals hart in der Kritik. Was habt ihr versucht, mit „Alita: Battle Angel“ anders und vielleicht auch besser zu machen als andere Filmemacher zuvor?
Jon Landau: Wir haben uns vor allem ein Manga vorgenommen, das im Vergleich zu anderen viel leichter zu adaptieren ist – unter anderem, weil Kishiros Geschichte auch nicht ausdrücklich in Asien spielt und auch keine asiatische Titelfigur hat. Zudem trafen wir die Abmachung, dass wir die Vorlage unter keinen Umständen verzerren würden, sondern ihr lediglich den fürs Kino benötigten Feinschliff verpassen.
FILMSTARTS: Die Arbeit an „Alita: Battle Angel“ hat für euch vor gut 20 Jahren begonnen. Hattet ihr anfangs bestimmte Darsteller für die Rollen im Kopf, die letztendlich aus ihren Rollen herausgewachsen sind?
Jon Landau: Wenn wir einen Film machen, beschäftigen wir uns erst sehr spät mit der Frage, welche Schauspieler wir wählen. Es ist nicht wie „Mission: Impossible“, für den man unbedingt Tom Cruise braucht. Erst wenn das Projekt kurz vor der Realisierung steht, suchen wir uns Darsteller, die oftmals auch gar nicht so bekannt sind und dadurch mit ihren Rollen besser verschmelzen können. Wir wollen nicht, dass man in unseren Filmen diesem oder jenem Star bei der Arbeit zusieht, sondern dass die Figuren als das akzeptiert werden, was sie sind. Das haben wir auch schon bei „Titanic“ und „Avatar“ so gehandhabt.
Rodriguez statt Cameron
FILMSTARTS: Inwiefern ist „Alita: Battle Angel“ ein klassischer James-Cameron-Film?
Jon Landau: Das beginnt schon beim Drehbuch, an dem James lange Zeit gearbeitet hat und in dessen Zentrum – wie auch in „Aliens“, den „Terminator“-Filmen und natürlich auch „Titanic“ – eine starke weibliche Hauptfigur steht. Darüber hinaus bekommen die Zuschauer einmal mehr Actionszenen zu sehen, wie es sie noch nie gab. Worauf James aber ganz besonderen Wert legt, ist, dass die Action stets auch die Geschichte vorantreibt. Man unterbricht die Erzählung nicht, um es zwischendurch mal krachen zu lassen. Denn er schreibt Actionszenen so, dass seine Figuren sich darin entwickeln und somit einen stetigen Wandel durchmachen, den der Zuschauer begleiten und vor allem nachvollziehen und fühlen kann. Genau das ist es, was auch „Alita“ zu einem James-Cameron-Film macht.
FILMSTARTS: Wie seid ihr auf Robert Rodriguez gekommen, als James Cameron entschieden hat, dass er bei „Alita“ nicht Regie führen würde? Warum war ausgerechnet er der Richtige für den Job?
Jon Landau: Wir wollten das Projekt nicht einfach irgendeinem Regisseur übergeben, denn „Alita“ war unser Baby – und das gibt man nicht einfach so ab. Stattdessen hielten wir nach einem Filmemacher Ausschau, mit dem wir es sozusagen gemeinsam „großziehen“ konnten. James erzählte Robert bei einem Abendessen schließlich von dem Projekt, woraufhin dieser bestürzt war: Wenn James mit den „Avatar“-Sequels in den nächsten Jahren alle Hände voll zu tun hat, was würde dann mit „Alita“ passieren?
FILMSTARTS: Und so habt ihr den „Ziehvater“ für euer Baby gefunden…
Jon Landau: Ganz genau. James hat Robert dann Aufnahmen gezeigt, in denen Alitas Geschichte anhand einiger Skizzen in 15 Minuten grob erzählt wurde. Robert verfiel unserer Heldin sofort, woraufhin ihm James nicht nur sein 186-seitiges Drehbuch, sondern darüber hinaus auch noch 600 Seiten an Notizen zukommen ließ. Er gab Robert mit auf den Weg, dass er den Film machen dürfte, wenn er das Skript knacken und maßgeblich kürzen würde, ohne dabei dessen Quintessenz zu verlieren. Robert zog sich vier Monate lang zurück und reichte schließlich ein 128-seitiges Drehbuch ein, die genauso viel Herz hatte wie James‘ Version. Von da an wussten wir, dass Robert der Richtige ist – er hatte die Generalprobe mit Bravour bestanden.
FILMSTARTS: Und es war eine goldrichtige Entscheidung, denn unter der spektakulären Action hat „Alita“ vor allem das Herz am rechten Fleck.
Jon Landau: Und nur darum geht es im Kino – um die Emotionen, mit denen du aus dem Film gehst. Robert hat es einfach verstanden, das Herz der Geschichte bei all der Action dennoch zu bewahren.
Brutaler Manga, brutaler Film?
FILMSTARTS: Stand es in all den Jahren, in denen ihr an dem Film gearbeitet habt, eigentlich auch einmal zur Debatte, die expliziten Gewaltdarstellungen aus dem Manga ebenso schonungslos auf die Leinwand zu bringen?
Jon Landau: Für mich war vom ersten Tag klar, dass „Alita: Battle Angel“ eine PG-13-Freigabe (hierzulande FSK 12) haben wird, weil die Geschichte meiner Meinung nach vor allem junge Zuschauer inspirieren sollte. Wir hatten aber auch viel Spielraum, weil es etwas ganz anderes ist, Gewalt lediglich zwischen Cyborgs oder zwischen Menschen zu zeigen. So konnten wir einerseits die Bedürfnisse hart gesottener Filmfans befriedigen, ohne jüngere Zuschauer gleichzeitig zu verstören.
FILMSTARTS: Es gab nur einen Moment, in dem ich dachte: „Habe ich das gerade wirklich gesehen?“
Jon Landau: Ja, ich weiß genau welche Szene du meinst. Hier haben wir die uns gegebenen Freiheiten auch durchaus ausgereizt, allerdings spielen Licht und Schnitt hier eine große Rolle. Wir zeigen nicht mehr als notwendig, sondern wollen lediglich vermitteln, was gerade passiert ist und schneiden deswegen auch schnurstracks wieder weg.
FILMSTARTS: Es kommt eben ganz auf die Wirkung an. Auch am Ende von „Sieben“ dachten damals viele, den Inhalt der Schachtel gesehen zu haben…
Jon Landau: Das ist genau, was ich meine!
Die "Alita"-Fortsetzung(en)
FILMSTARTS: Wer den Film gesehen hat, wird sich zweifelsohne fragen, wie es weitergeht. Es fühlt sich so an, als gäbe es in der Welt von Alita noch so viel mehr zu entdecken. Wie weit steckt ihr denn schon in den Vorbereitungen zu Teil 2?
Jon Landau: Hochmut kommt vor dem Fall. Lass uns erst einmal den Kinostart von „Alita“ abwarten – wichtig ist, dass es auch genügend Leute gibt, die unsere Filme sehen wollen. Kishiro hat bereits Blaupausen für die Fortsetzung angefertigt und James Cameron hat noch über 600 Seiten an Notizen, die über die Geschichte des ersten Films hinausgehen und nicht nur weitere Abenteuer in potentiellen Fortsetzungen zutage bringen könnten, sondern den Schauspielern auch jetzt schon dabei halfen, ein Gefühl für die Geschichte und ihre Charaktere zu bekommen. Sollte das Publikum nach einem zweiten Teil verlangen, würden wir uns freuen. Wir sind bereit!
„Alita: Battle Angel“ läuft seit dem 14. Februar deutschlandweit im Kino.