FILMSTARTS: Für den ersten „Ralph reichts“-Film habt ihr damals all diese Rechte an Figuren von Videospielunternehmen wie SEGA oder Nintendo erhalten, die normalerweise sehr zurückhaltend sind, wenn es um die Verwendung ihrer Marken geht. Hatte da nicht Disney auch Angst, dass die dann zwei Jahre später bei Disney ankommen, um sich auch mal eine Figur auszuleihen. Denn dann kann Disney ja schlecht auf einmal „Nein“ sagen...
Clark Spencer: In Anbetracht der Großzügigkeit, die uns gegenüber gezeigt wurde, hoffe ich einfach, dass wenn jemand mit einem guten Projekt zu uns kommt, wir dann auch ähnlich großzügig sein werden. Aber der Schlüssel beim ersten Film war für uns, dass wir eine sehr gute Beziehung zu diesen Teams aus den verschiedenen Unternehmen aufgebaut haben. Wir wollten, dass sich die Figuren auch bei uns genauso anfühlen, wie sie kreiert wurden. Also haben wir ihnen das Modell geschickt und Kommentare zurückbekommen. Wir haben ihnen die Animationen geschickt und Kommentare zurückbekommen. Als Resultat hatten sie einfach das Gefühl, dass wir mit ihrem geistigen Eigentum so respektvoll wie möglich umgehen.
Mobilisierte Massen
FILMSTARTS: Zwischen „Toy Story“ und „Toy Story 2“ lagen damals vier Jahre – und jeder hat sofort erkannt, welche technischen Fortschritte damals zwischen den beiden Filmen gemacht wurden. Zwischen „Ralph reichts“ und „Chaos im Netz“ liegen nun sogar sechs Jahre – aber zumindest für das untrainierte Auge wird es immer schwieriger zu erkennen, welche Fortschritte im Animationsfach heute noch gemacht werden. Was ist denn der größte technische Sprung, der euch zwischen den beiden Filmen gelungen ist?
Clark Spencer: Wenn man sich Ralph und Vanellope genau ansieht, dann ist gerade ihre Kleidung sehr viel detailreicher – das ist ein ganz neuer Level, inzwischen kann man da wirklich jeden einzelnen Faden erkennen. Außerdem haben wir ein neues Rendering-Programm, das unter anderem dazu geführt hat, dass die Süßigkeiten in „Sugar Rush“ jetzt wirklich wie Süßigkeiten aussehen.
FILMSTARTS: Gibt es denn Szenen in „Ralph reichts 2“, an die ihr euch vor sechs Jahren gar nicht erst herangewagt hättet?
Clark Spencer: Auf jeden Fall. Das Internet ist so riesig, mit all den Charakteren und Webseiten. Das hätten wir vor sechs Jahren in der Form ganz sicher nicht hinbekommen. Außerdem ist vieles im Internet digital – es gibt also viele digitale Bildschirme und halb durchsichtige Hologramme. Die hätte unser altes Rendering-Programm so ebenfalls nicht hingekriegt. Ich mag es, wenn die Story eines Films die technische Entwicklung ein Stück weit vor sich her treibt – so haben wir etwa für „Zoomania“ ein ganz neues System entwickelt, damit sich das Fell der Tiere realistisch in der Luft bewegt. Im Fall von „Chaos im Netz“ ist es nun ein brandneues System für Massenszenen, das wir einfach entwickeln mussten, weil es einfach einige Einstellungen mit so unglaublich vielen Charakteren gibt, dass sie vorher unmöglich gewesen wären.
Wenn man sich einfach so bei "Star Wars" bedienen kann
FILMSTARTS: Disney ist ein riesiger Konzern, da hat man ja selbst als Angestellter normalweise nur mit einem kleinen Bruchteil der Mitarbeiter wirklich direkt etwas zu tun. Wie war es denn für dich, jetzt auch mal die Leute von Marvel und Lucasfilm kennenzulernen, die ja jeweils auch einige Figuren zu „Ralph reichts 2“ beigesteuert haben?
Clark Spencer: Es war großartig. Walt Disney hatte damals eine tolle Idee: Man solle zuerst eine Figur entwickeln, in die sich die Welt verliebt, und dann um sie herum Geschichten erzählen. Und inzwischen gibt es bei Disney so viele tolle Figuren, egal ob aus „Star Wars“, von Marvel oder von Pixar. Und wenn in unserem Film nun C-3PO, Sturmtruppler oder MCU-Helden auftreten, dann kann man direkt mit den entsprechenden Abteilungen zusammenarbeiten und sie können uns alles erzählen, was es über die Figuren zu wissen gibt – schließlich weiß niemand besser über sie Bescheid als diejenigen, die sie kreiert haben.
Ralph reichts 2: Chaos im NetzFILMSTARTS: Als ihr zu Lucasfilm gegangen seid, wusstet ihr da schon ganz genau, welche Figuren ihr haben wollt? Oder wurde gemeinsam beschlossen, welche Figuren in eurem Film auftreten sollen?
Clark Spencer: Nein, wir sind schon hingegangen und haben ihnen vorgeschlagen, welche Figuren unserer Meinung nach Sinn machen würden. Und dann haben wir ihnen die Szenen gezeigt und sie gefragt, wie sie die Charaktere in dem Moment inszenieren würden. Ihre Tipps waren für uns unglaublich wichtig.
Bloß nicht die Kommentare lesen
FILMSTARTS: Im Film heißt es einmal, es sei die erste Regel des Internets, bloß niemals die Kommentare zu lesen. Du hast einen Oscar zu Hause stehen und machst Filme, die meistens ziemlich gut beim Publikum ankommen. Hältst du dich trotzdem an diese Regel?
Clark Spencer: Es ist hart, nicht zumindest ein paar zu lesen. Aber ich versuche schon, nicht alle zu lesen. Und am Ende des Tages sage ich zu mir selbst, dass ich Filme machen möchte, auf die ich selbst stolz sein kann. Und wenn mir das gelungen ist, kann ich im Anschluss eh nicht alle Aspekte kontrollieren, die dazu beitragen, ob ein Film sein Publikum findet oder nicht. Am schönsten sind für mich sowieso die Momente, wo jemand auf mich zukommt und sagt: „'Zoomania' ist mein Lieblingsfilm.“ Oder: „'Baymax' ist mein Lieblingsfilm.“ Oder: „'Lilo & Snitch' ist mein Lieblingsfilm.“ Wenn einer der Filme, an denen ich beteiligt war, einen solchen Effekt auf jemanden hat, dann bedeutet das die Welt für mich. Das war bei mir genauso. Meine Großeltern hatten ein Kino – und die Filme, die ich dort damals gesehen habe, haben maßgeblich beeinflusst, wer ich heute bin.
FILMSTARTS: Wir leben in einer Zeit, in der dank der sozialen Medien jedes winzige Detail plötzlich zu einer riesigen Diskussion anschwellen kann. Und im Fall von „Chaos im Netz“ war die erste Sache, über die plötzlich alle geredet haben, dass Cinderella sichtbare Ohren hat. Hat euch das sehr überrascht, dass ausgerechnet diese Story viral gegangen ist?
Clark Spencer: Es ist lustig, weil man über sowas einfach gar nicht nachdenkt. Natürlich gab es mal eine Diskussion, in der wir gesagt haben, dass es ohne Ohren merkwürdig aussehen würde, nun wo sie da zwischen all den anderen Disney-Prinzessinnen sitzt. Aber für uns sind das eh nicht die echten Disney-Prinzessinnen, sondern ihre Avatare auf einer Disney-Fanseite. Deshalb wollten wir auch, dass sie sich anfühlen, als würden sie alle in dieselbe Welt gehören. Wären wir da auf jede Spezifität ihrer eigenen Filme eingegangen, hätte es sich vermutlich nicht so angefühlt, als ob sie dort tatsächlich in einer WG zusammenwohnen. Aber die Diskussion haben wir trotzdem nicht vorhergesehen.
Es gibt nicht die eine Formel für einen erfolgreichen Film
FILMSTARTS: Mittlerweile setzen die meisten Disney-Blockbuster im Rest der Welt mehr um als in den USA selbst. Hat diese Verschiebung auch dazu geführt, dass ihr anders an die Filme rangeht, im Besonderen an den Humor?
Clark Spencer: Es besteht durchaus der Wunsch herauszufinden, wie man sicherstellen kann, dass ein Film auch in diesem Markt und diesem Markt und diesem Markt Erfolg haben wird. Denn du hast Recht, das internationale Geschäft wird immer wichtiger. Aber wenn man das so macht, dann ist man meiner Meinung nach auf dem Holzweg. Man muss vielmehr herausfinden, was der emotionale Kern einer Geschichte ist und wie man diesen auf eine amüsante Art erzählen kann – und dann wird der Film auch überall funktionieren. Es gibt da auch einfach keine präzise Wissenschaft. Es werden andauernd Filme veröffentlicht – und manche sind erfolgreich, andere nicht. Wenn es eine Formel gäbe, würden die aber einfach alle anwenden und alle Filme wären erfolgreich. Wenn man sich zu sehr darauf konzentriert, einen Film auf ein Ziel hin zuzuschneiden, wird man meiner Meinung nach aber immer scheitern.
„Ralph reichts 2: Chaos im Netz“ läuft seit dem 24. Januar in den deutschen Kinos.