Nachdem sich Computerspiele immer mehr wie Filme anfühlen, sollen Filme nun auch interaktiv werden. Und wo wäre dieses Konzept auch besser aufgehoben als bei „Black Mirror“, jener Anthologie-Serie, die sich in jeder Episode aufs Neue kritisch mit moderner Technologie auseinandersetzt? Bevor es nun also zu einer regulären fünften Staffel kommt, die 2019 folgen soll, bekamen Fans der Serie mit „Bandersnatch“ jetzt ein einzigartiges Filmerlebnis spendiert. Mit euren Entscheidungen könnt ihr nämlich das Handeln des Protagonisten Stefan (Fionn Whitehead) steuern und so den Verlauf der Geschichte ändern, die auf fünf verschiedene Arten (mit sogar noch einmal Variationen) enden kann. Insgesamt fünf Stunden Filmmaterial gibt es daher auf Netflix zum Abruf. Je nachdem, wie man sich als Zuschauer bei den vielen Möglichkeiten entscheidet, sollen der einzelne daraus resultierende Film zwischen 40 und 90 Minuten laufen.
Achtung, im folgenden Text findet ihr zahlreiche Spoiler zu „Black Mirror: Bandersnatch“.
Das Meta-Netflix-Ende
Stefan findet heraus, dass er von Netflix, einem Streamingdienst aus der Zukunft, kontrolliert wird und versucht seiner Therapeutin, Dr. Haynes (Alice Lowe), zu erklären, was hier wirklich vor sich geht. Das Szenario endet - je nach eurer Wahl:
Variante 1 gipfelt in einem actionreichen Kampf zwischen den beiden, woraufhin Stefan von seinem vermeintlichen Vater Peter (Craig Parkinson) aus Dr. Haynes Büro gezerrt wird.
Sollte man auf mehr Action verzichten, endet Variante 2 damit, dass Stefan aus dem Fenster springt und sich plötzlich an einem Filmset wiederfindet, wie zu erkennen ist, nachdem jemand „cut“ schreit. Und Stefan ist auch nicht Stefan, sondern ein Schauspieler namens Mike, dem gesagt wird, dass laut Drehbuch nun die Kampfszene an der Reihe ist und kein Sprung aus dem Fenster. Stefan aber besteht darauf, Stefan zu sein, woraufhin die Crewmitglieder einen Arzt ans Set rufen.
Stefan im Gefängnis
Unabhängig von Colins (Will Poulter) Schicksal, erhält Stefan eine Videokassette, auf der Davies (Jeff Minter) Nervenzusammenbruch sowie Details zum Mord an seiner Frau deutlich werden. Entscheidet sich der Zuschauer, nachdem Stefan merkt, dass er von jemandem kontrolliert wird, für das Symbol, kommt es zum Streit zwischen Stefan und dessen Vater. Hier wird man als Zuschauer gezwungen (also im Meta-Meta-Sinne des Films auch kontrolliert), Stefan dazu anzuweisen, den Vater zu töten und kann wahlweise die Leiche vergraben oder zerstückeln.Entscheidet man sich fürs Vergraben, bekommt Stefan einen Anruf von Thakur (Asim Chaudhry), dem Boss der Computerspielfirma. Dieser will wissen, wo das fertige Spiel ist. Für den darauf folgenden Ausgang gibt es erneut mehrere Varianten, die von Entscheidungen abhängen, die man im Verlauf des Films getroffen hat, aber alle zum selben Ergebnis führen
- Thakur schickt Colin zu Stefans Haus, der Zeuge wird, wie dieser seinen Vater ermordet. Unabhängig von der Möglichkeit, nun auch Colin zu töten, endet Stefan im Gefängnis und TuckerSoft muss schließen.
- Sollte man vorher Colins Selbstmord beobachtet haben, taucht stattdessen dessen Freundin Kitty (Tallulah Haddon) auf der Suche nach ihm bei TuckerSoft auf und auch bei Stefans auf. Ob Stefan ihr die Wahrheit über Colins Schicksal sagt, ändert nichts am eigentlichen Ende: Stefan geht für Mord hinter Gitter und TuckerSoft muss schließen.
- In einem dritten Szenario ist Thakur so wütend, weil Stefan seine Deadline nicht eingehalten hat, dass er ihm höchstpersönlich einen Besuch abstattet, woraufhin er von Stefan ermordet wird und dieser hinter Schloss und Riegel landet.
Die Geschichte wiederholt sich
Ist Colin noch am Leben und (!) man entscheidet sich in der vorherigen Variante für das Zerstückeln des Vaters, besucht Stefan danach Dr. Haynes und erklärt in aller Ruhe, dass er das Spiel vollenden konnte, indem er einige komplizierte Optionen entfernte und so nur die Illusion des freien Willens ließ. Das Spiel erscheint und erhält eine Fünf-Sterne-Wertung in der TV-Sendung Microplay. Stirbt Colin, findet das Szenario, in dem Kitty Stefan einen Besuch abstattet zwar statt, hat aber keinen weiteren Einfluss auf das Ende – Bandersnatch bekommt auch hier eine Fünf-Sterne-Wertung.
Im Jahr 2018 sehen wir die mittlerweile erwachsene Pearl Ritman (Laura Evelyn), die das Vermächtnis ihres Vaters mit einer Art Reboot von Bandersnatch antreten will. Doch wie auch schon bei Stefan geht auch dieses Mal etwas schief: Der Code des Spiels löscht sich eigenständig und Pearl wird gemeinsam mit dem Zuschauer vor die Wahl gestellt – Tee über die Tastatur schütten oder den Computer zerstören? Das Ergebnis ist dasselbe, das Spiel endet.
Das P.A.C.-Ende
Um zu diesem Ende zu gelangen, muss Colin in den Tod springen. Entscheidet sich Stefan außerdem, zu springen, findet man sich in der Weihnachtszeit wieder – Bandersnatch wurde bereits veröffentlicht und erhält schlechte Kritiken und man bekommt die Option, wieder zurück zu gehen und zwar zur Entscheidung, nach einem Besuch bei Dr. Haynes in seinem Zimmer entweder ein Buch über das Programmieren oder ein Familienfoto aufzuheben. Das Buch führt dabei zur Entdeckung von Peters Safe.
Der Inhalt vom diesen offenbart Stefan, dass er seit je her ein Experiment war. Peter ist nicht sein leiblicher Vater, sondern hat lediglich mit Dr. Haynes zusammengearbeitet, um sein Verhalten aufzuzeichnen und zu studieren. Stefan wurde überwacht und medikamentös eingestellt. Peter kommt in jenem Augenblick ins Zimmer, woraufhin ihn Stefan tötet.
Anschließend führt die Geschichte den Zuschauer zurück zur Entscheidung, wer Stefan nun kontrolliert, wobei die Wahl jetzt zwischen P.A.C.S. und dem Symbol fällt. Wählt man Ersteres (als neue Option), tötet Stefan den vermeintlichen Vater Peter erneut (und dieses Mal automatisch), woraufhin eine Telefonnummer ermittelt werden muss (es ist übrigens 20451 falls ihr euch dieses Ende euch noch anschauen wollt). Nachdem die Wahrheit über P.A.C.S. enthüllt wurde, kontaktiert Stefan auch Dr. Haynes, um sie wissen zu lassen, dass er hinter ihr Geheimnis gekommen ist, er Peter bereits getötet hat und sie als nächstes an der Reihe wäre. Er begräbt Peter, wird daraufhin allerdings verhaftet. Bandersnatch erscheint mit dem unfertigen Code und erhält nur eine durchschnittliche Bewertung in der TV-Sendung Microplay.
Die Zeitreise
Um zum fünften Ende zu gelangen, müssen einige bestimmte Entscheidungen getroffen werden. Stefan muss mit Dr. Haynes über seine Mutter sprechen, Colin folgen und mit ihm high werden, außerdem muss Colin in den Tod springen, die Medikamente müssen runtergespült werden, das Familienfoto muss aufgehoben werden und das P.A.C.-Ende muss durchlebt werden – erst dann hat man die Wahl, nicht direkt den Abspann zu sehen, sondern noch einmal zu Peters Safe zurückzukehren.
Mit der Safe-Kombination TOY geht es zurück in der Zeit: Stefan ist noch einmal fünf Jahre alt und findet sich in jenem Szenario wieder, das einst den Tod seiner Mutter zur Folge hatte. Die verpasste damals ja ihren eigentlichen Zug, weil Stefan seinen Plüschhasen nicht finden konnte, und musste deswegen den späteren Zug nehmen, der entgleiste, wodurch sie starb. Stefan findet seinen Hasen jetzt immerhin, bevor die Mutter das Haus verrlässt und kann mit ihr gehen. Wer sich auch dazu entscheidet, mit der Mutter zu gehen (und damit quasi mit ihr im Zug zu sterben), sieht Stefan schließlich im Jahr 1984 tot im Stuhl sitzen – in jener Therapiesitzung mit Dr. Haynes, die er zu Beginn des Films abhält.
Der Ablauf des Films ermöglicht es übrigens auch, verschiedene dieser Enden nacheinander zu sehen. Um wirklich alle fünf zu sehen, muss man aber mehrere Anläufe nehmen.