Regie-Duos sind in Hollywood keine Seltenheit mehr – man denke an die Russo-Brüder, die zuletzt mit „Avengers: Infinity War“ sogar einen der größten Kinokassenhits der bisherigen Geschichte ablieferten. Doch trotzdem ist es nun völlig außergewöhnlich, dass die Gewerkschaft der Regisseure, die DGA, verfügt hat, dass Lasse Hallström und Joe Johnston als Regisseure des Fantasy-Märchens „Der Nussknacker und die vier Reiche“ gemeinsam in Vor- und Abspann gelistet werden.
Wie die DGA in ihrer Stellungnahme zur Entscheidung selbst erklärte, sei ihnen kein vergleichbarer Fall bekannt, wo zwei Regisseure, die nicht als Team zusammenarbeiteten, trotzdem gemeinsam bei einem großen Hollywoodfilm gelistet wurden. Die strengen Regeln der DGA sehen eigentlich vor, dass nur ein einziger Filmemacher eine Nennung als Regisseur bekommen darf. Etablierte Teams sind die einzige festgeschriebene Ausnahme. Weitere Ausnahmen sind selten, bekannt ist zum Beispiel der Film „Mavericks – Lebe deinen Traum“, wo Regisseur Curtis Hanson während des Drehs schwer erkrankte und Michael Apted für ihn einsprang und am Ende beide aufgrund dieser besonderen Ausnahmesituation als Regisseur gelistet wurden. Wenn in der Vergangenheit verschiedene Regisseure an einem Film arbeiteten, entschied die DGA aber normalerweise, wer als alleiniger Regisseur gelistetet wird. Prominentes Beispiel war jüngst „Solo: A Star Wars Story“. Hier löste Ron Howard bekanntlich die beiden eigentlichen Regisseure Phil Lord und Chris Miller (also schon ein Duo) ab. Er drehte weite Teile des Films neu, aber trotzdem sind noch viele Szenen von Lord und Miller im Film. Sie werden aber nicht als Regisseure gelistet, nur Howard ist der Regisseur.
Darum ist der Fall so besonders
Die Entscheidung bei „Der Nussknacker und die vier Reiche“ ist aber nun eine Überraschung, da sie auch nicht mit dem „Mavericks“-Fall (dort wollte man sowohl dem schwer kranken Filmemacher als auch dem hilfsbereiten Ersatz nicht den Credit verwehren) vergleichbar ist. Ursprünglich war Lasse Hallström der alleinige Regisseur von Disneys Fantasy-Geschichte. Der durch Filme wie „Chocolat“, „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ oder zuletzt „Bailey – Ein Freund fürs Leben“ bekannte Schwede verantwortete die Hauptdreharbeiten. Doch nach Ansicht des bisherigen Materials ging es an die bei einer Produktion so üblichen Nachdrehs. Die übernahm Joe Johnston. Dass der Regisseur von Filmen wie „Jumanji“, „Jurassic Park III“ und „Captain America: The First Avenger“ einsprang, wurde damals aber schon nicht als Absetzung von Hallström verstanden. Vielmehr hieß es, der Schwede habe keine Zeit und Johnstons langjährige Erfahrung im Special-Effects-Bereich mache ihn zu einer geeigneten Wahl.
Anschließend soll Hallström dann auch wieder zurückgekehrt sein und die gesamte Post-Produktion und den Schnitt des finalen Films aus seinem Material und dem von Kollege Joe Johnston überwacht haben. Da die Nachdrehs unter Johnstons Regie aber ungewöhnlich umfangreich waren (die Rede ist von 32 Drehtagen), entschied die DGA nun aber überraschend dem Wunsch Disneys nachzukommen, ihn neben Hallström auch als Regisseur zu listen. Der Schwede zeigte sich davon auch begeistert und erklärte in einer Stellungnahme, dass es „ein Segen war“, dass Joe Johnston eingesprungen sei, als er nicht zur Verfügung stand. Es habe großen Spaß gemacht, mit dem „ultimativen Experten in Sachen visuelle Effekte“ zusammen zu arbeiten.
Keira Knightley als pinke Fee auf ersten Bildern zu Disneys "Der Nussknacker und die vier Reiche"Die Entscheidung der DGA wird in Hollywood auch deswegen besonders diskutiert, weil sich viele Insider fragen, ob es eine Kehrtwende in der bisherigen Ein-Regisseur-Linie ist oder wann solche Ausnahmeregelungen greifen. Gerade erst kürzlich entschied die DGA zum Beispiel, dass Bryan Singer als einziger Regisseur beim Queen-Biopic „Bohemian Rhapsody“ zu nennen ist, obwohl er während der Produktion gefeuert und durch Dexter Fletcher ersetzt wurde. Für viel Aufsehen sorgte auch der Fall „Sin City“. Nachdem die DGA entschied, dass Comic-Autor Frank Miller nicht als zweiter Regisseur neben Robert Rodriguez gelistet werden darf, widersetzte sich der frustrierte Rodriguez und verließ die Gewerkschaft. Doch da die großen Filmstudios sich vertraglich verpflichtet haben, nur mit Regisseuren zu arbeiten, die Mitglied in der DGA sind, konnte der Regisseur in den Folgejahren keinen Film mehr für ein großes Studio drehen.
Das hatte ganz direkte Auswirkungen, denn eigentlich war Rodriguez zu diesem Zeitpunkt bereits dabei, für Paramount eine „John Carter“-Verfilmung vorzubereiten. Der Regisseur war gezwungen, den anvisierten großen Blockbuster zu verlassen. Das ganze Projekt ging darauf den Bach runter, Paramount gab die gesamten Rechte an, die anschließend Disney übernahm. Das Mäusestudio brachte sieben Jahre später „John Carter – Zwischen zwei Welten“ in die Kinos. Das Sci-Fi-Abenteuer floppte aber.
Darum geht es in "Der Nussknacker und die vier Reiche"
„Der Nussknacker und die vier Reiche“ ist inspiriert von dem klassischen Ballett „Der Nussknacker“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowski und E.T.A. Hoffmanns 1816 erschienener Erzählung „Nussknacker und Mäusekönig“. Im Mittelpunkt steht die junge Clara (Mackenzie Foy), die an Weihnachten in einer Parallelwelt landet, wo sie das Land der Schneeflocken, das Land der Blumen und das Land der Süßigkeiten entdeckt und die vielen Bewohner dieser drei Reiche, wie die Zuckerfee (Keira Knightley), kennenlernt. Doch dann erfährt sie, dass es noch ein viertes Reich gibt, das von einer Tyrannin (Helen Mirren) beherrscht wird. Gemeinsam mit dem jungen Soldaten Phillip (Jayden Fowora-Knight) macht sie sich auf, das Reich zu befreien.
Kinostart von „Der Nussknacker und die vier Reiche“ ist am 1. November 2018.