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    Darum ist die Darstellung von Mantis in "Avengers 3: Infinity War" NICHT sexistisch: Eine Gegenrede

    Im Netz kursiert der Vorwurf, dass die Darstellung der Figur Mantis in „Avengers: Infinity War“ sexistisch sei. FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher kann diesen Vorwurf nicht verstehen. Eine Gegenrede…

    Marvel

    Achtung: Der nachfolgende Text enthält SPOILER zu „Avengers 3: Infinity War“

    Dass die von der französischen Schauspielerin Pom Klementieff gespielte Figur Mantis in „Avengers: Infinity War“ und zuvor auch schon in „Guardians Of The Galaxy 2“ immerzu zweifelt, ihrer wahren Stärke nicht vertraut und fast schon duckmäuserisch agiert, ist sexistisch! Solche und ähnliche Aussagen las ich nach dem Kinostart von „Avengers: Infinity War“ zuhauf und belächelte sie meist müde. Doch nun gibt es auf der renommierten Entertainment-Webseite The Mary Sue einen sehr ausführlichen Artikel, in dem diese These noch einmal aufgegriffen wird. In „We Need to Talk About Avengers: Infinity War’s Treatment of Mantis” wird sehr detailliert ausgeführt, warum die Charakterzeichnung und Darstellung der Figur sexistisch sein soll.

    Bevor ich darauf eingehe, möchte ich erst einmal die Kernpunkte der Argumentation auflisten. Der komplette Artikel findet sich auf themarysue.com:

    - Wenn die Helden Thanos (Josh Brolin) auf Titan beinahe den Handschuh entreißen, ist die Kraft von Mantis, ihn ruhig zu stellen, wichtiger als die Kräfte aller übrigen Helden. Trotzdem äußere Mantis als einzige immer wieder Zweifel und erkläre, dass Thanos zu stark für sie sei. Ihre Zweifel-Aussagen seien „im besten Fall überflüssig, im schlechtesten Fall sexistisch“.

    - Mantis‘ stetiges Zweifeln (auch in „Guardians Of The Galaxy Vol. 2” ist sie sich schließlich nicht sicher, dass sie Kurt Russells Ego zum Einschlafen bringen kann) fühle sich an wie ein Äquivalent zu zweifelnden Frauen in der Arbeitswelt, die eigene Ideen mit einem „ich denke“, einem „vielleicht“ etc. abschwächen.

    - Mantis‘ Zweifel sowie auch die einmal mit ihr in Verbindung gebrachte Aussage, ihre Kräfte seien „nutzlos“, erwecken den Eindruck, dass die gesamte Figur Mantis nutzlos sei, wobei doch das genaue Gegenteil der Fall ist.

    - die Unsicherheit der Figur ist das komplette Gegenteil zu ihrer Darstellung in den Comics. Dort ist Mantis eine Kick-Ass-Kriegerin mit Martial-Arts-Fähigkeiten, die andere Frauen beschützt. Man habe ihr die Facetten der Vorlage geraubt, indem man sie als unterwürfige Dienerin von Ego einführte, die nur wegen einer einzigen Kraft ausgenutzt wird. Als zusätzlichen Beleg hierfür wird die Kritik von Mantis-Comic-Zeichner Steve Englehart angeführt, der sich über ihre Darstellung in „Guardians 2“ beschwerte.

    - Das Zweifeln von Mantis bringe keinen erzählerischen Nutzen. Dass die Bösewichte (sowohl Thanos als auch Ego) unglaublich stark seien, erfahre man auch so. Und wenn man das Publikum noch einmal daran erinnern müsse, warum fallen dann all diese Aussagen einer weiblichen Figur zu?

    Umgeben von starken Frauenfiguren

    In dem Artikel wird sich dann noch in den meiner Ansicht nach absurden Gedankengang verstiegen, dass alles damit zusammenhängen könnte, dass die männlichen Mantis-Autoren James Gunn („Guardians Of The Galaxy 2“) sowie Christopher Markus und Stephen McFeely („Avengers 3: Infinity War“) dies vielleicht so geschrieben hätten, weil sie ihr Leben lang hören, wie sich Frauen am Arbeitsplatz unterschätzen oder für ihre Fähigkeiten entschuldigen. Dieses Frauenbild sei quasi in ihrem Unterbewusstsein verankert. Absurd ist der Gedankengang schon deshalb, weil selbst eingestanden wird: Es sind dieselben Männer, die ganz andere Zeilen für Gamora und Black Widow geschrieben haben. Es scheine also eher „ein Mantis-Problem statt eines Frauenfiguren-Problems“ zu sein, heißt es so in dem Artikel, in dem auch noch Figuren wie Okoye als Gegenbeispiel genannt werden.

    Natürlich stimmt es, dass Mantis in ihren bisherigen beiden Filmauftritten über deutlich weniger Selbstbewusstsein verfügt als ihr Comic-Vorbild. Sie unterscheidet sich massiv von diesem und natürlich gibt es die Puristen unter den Anhängern, die das schlecht finden. Ist es aber gleich sexistisch? Dann wäre es immer sexistisch, wenn man eine mächtige weibliche Figur bei ihren ersten Filmauftritten schwächer zeigen würde als in den Vorlagen. Dabei ist dies doch ein ganz gewöhnlicher Kniff, um noch erzählerischen Raum hin zur vollen Stärke einer Figur zu haben. Daher kann ich diesen Gedankengang nicht nachvollziehen. Zudem sind Mantis‘ Unsicherheit und ihr Zweifeln für mich gerade nicht überflüssig, sondern haben wahrscheinlich einen erzählerischen Hintergrund.

    Ich bin mir sicher: Mantis wird wichtig!

    Der erzählerische Nutzen liegt hier für mich nicht unbedingt darin, dass Mantis uns klar macht, wie mächtig Thanos in „Avengers: Infinity War“ ist – wobei man sogar hier gegenargumentieren kann, dass sie im Gegensatz zu den anderen Helden einen Einblick in seinen Kopf bekommt und so nicht nur seine physische sondern auch seine psychische Stärke beurteilen kann. Dass sie ihre Zweifel so deutlich und wiederholt in Worte fasst, ist Teil ihrer Charakterentwicklung. Dass das MCU über nun mittlerweile 19 Filme so herausragend funktioniert, ist sicher nicht den teilweise sogar austauschbaren Actionsequenzen oder den nicht immer wirklich überzeugenden Bösewichten geschuldet, sondern den Heldenfiguren – und hier vor allem einem Umstand: Dass diese Figuren allesamt eine Reise machen, eine Entwicklung durchleben.

    Mantis steht noch am Anfang dieser Reise. Die Filmfigur war quasi eine Sklavin, wurde – wie es die Autorin selbst schreibt – „ausgenutzt“. Woher soll ihr Selbstbewusstsein stammen? Ihr wurde zudem nie klar, wie mächtig sie ist. Doch das kann noch kommen und ich bin überzeugt: Es wird noch kommen. Wir werden eine Entwicklung bei Mantis sehen. Sie wird Selbstbewusstsein gewinnen, sie wird sich ihrer Macht stärker bewusst sein und sie wird auch im Kampf neue Facetten (und womöglich eines Tages Martial-Arts) offenbaren – womöglich schon in „Avengers 4“, spätestens aber in „Guardians Of The Galaxy Vol. 3“. Warum ich mir da so sicher bin? Das hängt mit einer anderen Figur zusammen, die im Artikel auf The Mary Sue sogar selbst als lobendes Gegenbeispiel ins Feld geführt wird.

    Beispiel Scarlet Witch

    Als Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) in „Avengers: Age Of Ultron” eingeführt wurde, war sie ebenfalls eine sehr zweifelnde Figur. Sie fühlte sich zudem als Außenseiterin, war nicht Teil eines Teams, integrierte sich auch nur schwer in dieses. Obwohl ihre Figur gar nicht einmal so viele Szenen hatte (ich glaube, da wird Mantis sogar mehr Platz bekommen), ist sie nun in ihrem dritten Film bereits deutlich selbstbewusster. Wenn sie am Anfang Vision (Paul Bettany) vor dem scheinbar sicheren Tod rettet, wird alleine schon durch diese Handlung ihr nächster Entwicklungsschritt deutlich. Und Scarlet Witch ist übrigens eine der allermächtigsten Figuren in den Comic-Vorlagen. Auch sie wurde deutlich schwächer eingeführt und wird sich nun erst nach und nach ihrer ganzen Kraft bewusst, versteht es erst nach und nach, diese einzusetzen.

    Das führt mich auch zu dem wiederholt in dem Artikel angeführten Vergleich mit Frauen, die sich in der Arbeitswelt selbst unsicherer geben als ihre männlichen Kollegen. Ohne direkt auf dieses Problem eingehen zu wollen, stellt sich mir die Frage: Ist es dann nicht besser eine Figur zu zeigen, die auch zweifelt, diese Zweifel aber nach und nach ablegt und sich weiterentwickelt? Das scheint mir persönlich doch ermutigender als das Einführen einer übermächtigen, selbstbewussten Figur, bei der es keinen oder kaum mehr Raum nach oben gibt.

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