Achtung, der folgende Text enthält Spoiler zu „Avengers 3: Infinity War“!
Iron Man, Captain America, Thor, Hulk und unzählige andere Superhelden: Auch ohne Spider-Man konnten mich die Marvel-Filme immer super unterhalten. Dabei würde es sie ohne die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft vielleicht gar nicht erst geben. Spidey, der Held meiner Kindheit ist auch der Held von „Avengers 3: Infinity War” und zu verdanken ist das einem ganz besonderen Film.
Am 6. Juni 2002 kam nämlich „Spider-Man” in die Kinos. Ein Film, der mich mit meinen damals zarten 10 Jahren schlichtweg umgehauen hat. Superhelden auf der großen Leinwand – damit hatte ich zuvor noch gar keine Erfahrungen gemacht. Natürlich gab es bereits die vier „Batman”-Kinofilme oder den ersten „X-Men”. Doch das durfte ich damals alles allerdings noch nicht sehen und so war „Spider-Man” mein erstes richtiges Superhelden-Erlebnis im Kino und es sollte ein unvergessliches werden.
Eine Spinne macht den Comicfilm salonfähig
Sam Raimis Sommer-Blockbuster brachte meine absolute Lieblingsfigur, die ich zuvor gespannt im Fernsehen in der Zeichentrickserie „New Spider-Man” verfolgte, genauso auf die Leinwand, wie ich mir es immer vorgestellt habe. Vom Design des Anzugs über die unvergessliche Musik Danny Elfmans bis hin zur unglaublichen Performance von Tobey Maguire als Peter Parker – wie liebevoll die Comics und die Serie hier umgesetzt wurden, suchte seinesgleichen und auch heute kann ich diesen fantastischen Film noch mit großen Augen genießen. Auch Raimis Idee, Spider-Man organische Web-Shooter zu verpassen (was später in einigen Comics sogar übernommen wurde), schien mir perfekt.
Für mich steht jedenfalls fest: Ohne diesen Film wäre das Genre heute nicht annähernd das, was es ist, denn für den späteren Erfolg von Comicverfilmungen und dafür, dass eben auch so ein ursprünglich völlig unbekannter Held wie Iron Man Fuß fassen und damit ein gigantisches Universum in Gang setzen kann – dazu benötigte es unbedingt zunächst einen kräftigen Impuls. Bis Christopher Nolans „The Dark Knight” 2008 in die Kinos kam, war „Spider-Man” für mich der Nonplusultra-Film des Heldenkinos. Übrigens finde ich im Gegensatz zu den meisten Anderen auch den umstrittenen dritten Teil rundum gelungen.
Eine Instant-Suppe als Reboot
Doch danach startete Sony sein „Spider-Man”-Franchise einfach neu. Nur fünf Jahre nach dem letzten Film erschien im Jahr 2012 das Reboot „The Amazing Spider-Man”. Und auch wenn Schauspieler Andrew Garfield das Erbe von Tobey Maguire absolut überzeugend auszufüllen vermochte, konnte ich nur sehr wenig mit Marc Webbs Marken-Neustart anfangen. Denn im Grunde wurde einfach noch einmal die gleiche Geschichte von vorne erzählt. Vor allem Peters Vorgeschichte und der Tod seines Onkels Ben (im Reboot von Martin Sheen verkörpert) wirkte einfach nur müde aufgewärmt. Dem Film fehlte letztendlich gänzlich die Eigenständigkeit.
Mit diesen Problemen hat der neue Spider-Man, der dritte innerhalb von gut fünfzehn Jahren, nicht zu kämpfen. Nach dem Anfang 2015 beschlossenen Deal zwischen Sony und Disney durfte Peter Parker nämlich endlich im MCU an der Seite der Avengers mitwirken. Doch das hieß natürlich, dass das eigentlich gerade erst gestartete „Amazing Spider-Man-Franchise” wieder begraben werden musste und mit dem jungen Tom Holland ein neuer Hauptdarsteller her musste. Ein Volltreffer, wie sich später herausstellen sollte.
Alles auf eine Karte
Für mich war die Meldung damals jedoch erst einmal ein Schock und noch heute trauere ich dieser Entscheidung ebenso hinterher, wie ich sie gutheiße. Denn obwohl das 2012er-Reboot mich damals schwer enttäuscht hat, konnte der Nachfolger „The Amazing Spider-Man 2: Rise Of Electro” mich enorm überzeugen. Ohne all den Story-Ballast des Vorgängers, ohne den Zwang, eine Origin-Story erzählen zu müssen, funktionierte der Webb-Garfield-Spidey plötzlich. Und auch an Netze, die nicht mehr aus Peters Arm, sondern – wie in den originalen Comics – aus einer Apparatur geschossen kommen, konnte ich mich langsam gewöhnen. Gerade das enorm tragische wie mutige Ende, welches auch die Sinister-Six, quasi das Suicide Squad des Spiderverse, für spätere Filme ankündigte, machten enorm Lust auf die Zukunft. Das liegt jedoch nun komplett auf Eis. Alles nur, damit Spidey Captain Americas Schild klauen darf.
Doch tatsächlich ist Tom Hollands Version des New Yorker Superhelden das Beste, was den Avengers passieren konnte. Seine stark verjüngte und einfach erfreulich normale Figur des Peter Parker bildet einen wunderbaren Kontrast zum Rest des Ensembles, der vornehmlich aus enorm kampferprobten Supersoldaten oder sogar Göttern besteht. Aber auch von seinen eigenen Vorgängern kann sich Holland absetzen. Denn die Marvel Studios haben es zusammen mit Sony geschafft, den neuen Spider-Man eben nicht erneut wie eine Kopie rüberkommen zu lassen, sondern etwas komplett Individuelles und Autarkes kreiert.
Spidey an der Seite der Avengers: Ein Novum
So schwingt sich Hollands Peter auch in „Avengers 3” mit frechen wie lockeren Sprüchen durch die Szenerie und auch seine wichtige Beziehung zu Tony Stark (Robert Downey Jr.) sticht mehr denn je heraus. Schon in „Spider-Man: Homecoming”, der in meinem MCU-Ranking den vierten Platz belegt, hat man Stark alias Iron Man nicht etwa lediglich aus Marketingzwecken integriert: Für Peter ist Tony nicht nur ein Mentor, sondern auch eine Vaterfigur und ersetzt damit quasi die Figur des Onkel Ben, die im MCU gar nicht erst auftaucht oder erwähnt wird.
Auch sonst wird die Vorgeschichte von Spidey nicht erzählt. Ein Glücksgriff für das gesamte Marvel-Universum. Denn wirklich jeder sollte einerseits mittlerweile wissen, dass Peter von einer Spinne gebissen wurde und bei seiner Tante lebt und auf der anderen Seite erlebt man als Zuschauer am eigenen Leib mit, wie der Oberschüler plötzlich ohne Umschweife aus seiner gewohnten Umgebung in Queens gerissen und in einen epischen Kampf um Leben und Tod geworfen wird – bereits eingeleitet durch den ersten MCU-Auftritt in „The First Avenger: Civil War”, als Tony seinen Schützling spontan für den Kampf gegen den desertierten Kollegen Steve Rogers/Captain America rekrutiert und trotz Hausaufgaben aus New York einfliegen lässt. Diese extremen Gegensätze des gewöhnlich Alltäglichen aus der Welt Peters und dem Gigantismus der Avengers machen den Reiz des neuen Spider-Mans und eben auch seinen anschließenden inneren Konflikt in „Homecoming” ungemein aus.
Der tragischste aller Tode in “Infinity War”
Dass Peter also am Ende von „Avengers 3: Infinity War” sich nach dem verlorenen Kampf gegen Thanos in Luft auflöst und in den Armen von seinem Beschützer Tony einen dramatischen Tod stirbt, ist für mich folglich der wohl tragischste Verlust im ganzen Film. Doch natürlich trägt man bei Marvel und Sony nicht schon wieder einen Spidey-Darsteller zu Grabe. „Homecoming 2” ist ja schließlich schon angekündigt und wir haben bereits ausführlich darüber diskutiert, ob und wie die gefallenen Helden zurückkehren könnten.
Die Avengers haben jedenfalls auch eine Weile gut ohne ihren Wandkrabbler funktioniert, doch nun sind sowohl das Team selbst als auch die zukünftigen Filme für mich ohne Spidey nicht mehr vorstellbar. Also alles richtig gemacht, Sony? Nicht ganz, denn auch weiterhin würde ich wahnsinnig gern eine Fortsetzung zu Marc Webbs großartigem „The Amazing Spider-Man 2” sehen. Eine „Macke” daraus ist übrigens erhalten geblieben: Netze, die aus Apparaten verschossen werden, mutet mir wie in den alten Comics auch Tom Holland zu.