Achtung: Es folgen SPOILER zu „Avengers: Infinity War“.
Am Ende von „Avengers: Infinity War“ reduziert Thanos mit einem Fingerschnipsen die Hälfte der Bevölkerung auf allen Planeten. Wenn am 22. Juni 2018 die neuen Episoden von „Luke Cage“ auf Netflix verfügbar sind, werden aber trotzdem weiterhin alle Menschen auf der Erde leben – und keiner hat eine Ahnung von Thanos‘ Plänen.
2. Staffel "Luke Cage" spielt vor dem „Infinity War“
Denn bei der Serien-Abteilung hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Aufgrund des völlig unterschiedlichen Produktionsrhythmus für eine Netflix-Serie und einen Kinofilm wäre es schwierig bis unmöglich, immer mit den Ereignissen im anderen Medium Schritt zu halten. Nachdrehs oder Änderungen im Schnitt nach Testvorführungen können einiges über den Haufen werfen. Eine kurzfristige und rasche Umsetzung einer neuen Staffel kann von dort plötzlich alles verändern. Da könnte man es gar nicht riskieren, auf künftige Ereignisse im anderen Medium Bezug zu nehmen. Deswegen laufen die Ereignisse der Netflix-Serien nicht parallel zu den Filmen.
Natürlich hält man sich bei Marvel mit Zeitangaben weitestgehend zurück – der Fehler bei „Spider-Man: Homecoming“ dürfte da eine Lehre sein. Aber trotzdem können wir davon ausgehen, dass das Gros der in der Gegenwart angesiedelten Filme ungefähr zu der Zeit spielt, in der sie auch veröffentlicht werden. Thanos‘ Attacke auf die Erde spielt also ungefähr im April / Mai 2018 (siehe auch Tony Starks Verweis auf die sechs Jahre, die seit der ersten Attacke auf New York verstrichen sind, die im Mai 2012 war). Die Netflix-Serien sind allerdings bislang noch nicht 2018 angekommen.
Auch hier gibt es keine klare Terminierung, man bleibt noch nebulöser. Nur einzelne Events lassen sich durch Bezüge ermitteln. So wird in der ersten Staffel von „Luke Cage“ die kommende NBA-Saison 2015/2016 kurz angesprochen. Die Ereignisse müssen also im Spätsommer / Herbst 2015 spielen, obwohl die Serie erst im Herbst 2016 veröffentlicht wurde. Allgemein scheinen die Netflix-Serien rund ein knappes Jahr vor dem jeweiligen Veröffentlichungsdatum zu spielen.
Die jüngsten Ereignisse in der zweiten Season von „Jessica Jones“ dürften so auf Frühjahr / Frühsommer 2017 terminierbar sein, also so rund zehn Monate vor dem Veröffentlichungstermin im März 2018. Und auch die zweite Staffel von „Luke Cage“ wird so wahrscheinlich noch viele Monate vor dem Angriff von Thanos auf die Erde spielen. Das Polster ist sogar so groß, dass auch kommende Staffeln wie die dritte Season von „Daredevil“ oder die zweite von „Iron Fist“ noch vor dem „Infinity War“ spielen könnten.
Sonderfall: "Agents Of S.H.I.E.L.D."
Bei der nicht für Netflix, sondern für das klassische Fernsehen produzieren Serie „Agents Of S.H.I.E.L.D.“ sieht es anders aus. Die Episoden spielen meist parallel zur Echtzeit. Hier läuft aber auch die Produktion anders ab: Es wird nur wenige Wochen im Voraus gedreht, Episode für Episode. Selbst während einer Staffel kann man hier noch auf Zuschauerfeedback reagieren, beliebte Figuren ausbauen, unbeliebte rausschreiben und so auch auf die Filme besser Bezug nehmen.
In der am 27. April 2018 ausgestrahlten Folge „Option Two“ wurde so schon auf die „merkwürdigen Ereignisse in New York“ verwiesen, womit die Ankunft der ersten Schergen von Thanos, ihr Kampf gegen Doctor Strange, Iron Man und Spider-Man sowie das anschließende Verschwinden von Tony Stark von der Erde gemeint ist. In den kommenden Episoden könnte es noch weitere Verweise geben – allerdings hat man sich auch hier geschickt ein kleines Hintertürchen offen gehalten: Ohne zu viel spoilern zu wollen, aber Coulson (Clark Gregg) und Co. finden sich gerade an einem Ort wieder, an dem sie nichts mehr von den Geschehnissen in der Außenwelt mitbekommen können. Und wenn nicht gerade einer von ihnen vom Winde verweht wird…
Die neue Folge gibt es am heutigen 4. Mai 2018 in den USA, über VoD-Dienste wie iTunes oder Amazon steht sie morgen in der englischen Originalfassung zum Kauf.
Animositäten hinter den Kulissen
Dass die Serien nun gar nicht bis kaum auf den „Infinity War“ Bezug nehmen, lässt sich also durchaus inhaltlich begründen. Dass Serien- und Filmemacher aber insgesamt kaum miteinander kooperieren und nicht mal irgendein Avenger zum Beispiel erwähnt, dass in „Hell’s Kitchen“ ein maskierter Rächer sein Unwesen treibt, hat aber auch noch tiefergehende Gründe.
Einst unterstanden alle Teams dem mächtigen Marvel-CEO Ike Perlmutter. Heute ist dies nicht mehr so. Es gibt zwei getrennte Firmen: Marvel Television und Marvel Studios haben heute nur noch wenig miteinander zu tun. Ein Austausch findet kaum statt. Denn Perlmutter und sein Beraterteam nahmen kräftig Einfluss auf Kevin Feiges Filmpläne und sollen diesem immer wieder ins Handwerk gepfuscht und Risiken verhindert haben. Mehrere Stars standen deswegen vor dem Absprung (wie Robert Downey Jr., der plötzlich null Lust mehr auf das Marvel-Universum zu haben schien). Bei den Planungen von „The First Avenger: Civil War“ soll der Streit zwischen Perlmutter und Feige schließlich eskaliert sein. Als Kevin Feige angeblich sogar mit Kündigung drohte, schritt Disney ein. Seitdem untersteht die Filmabteilung der Konzernmutter. Feige hat dort alle Freiheiten und kann diese auch an die Regisseure weitergeben. Die TV-Abteilung ist weiterhin unter der Kontrolle von Perlmutter.
Da die weiteren Hintergründe dieses internen Streits den Rahmen dieses Artikels sprengen würden, verweisen wir auf unsere vorherige Berichterstattung und die Artikel zu dem Thema aus dem September 2015:
- Machtverschiebung bei Marvel: Kino und Serien-Universum entfernen sich weiter voneinander
- Nach Marvel-Machtverschiebung: Kevin Feige gibt Regisseuren (und sich) mehr Einfluss
- Neue Details zum Marvel-Machtkampf: Es gab Streit über "Avengers 2" und "Captain America 3" und Kevin Feige drohte mit Kündigung
- Nach Marvel-Machtkampf: Vertragsverlängerungen mit den Stars ist wahrscheinlicher geworden