John Krasinskis „A Quiet Place“ ist nicht nur ein Überraschungs-Hit an den US-Kinokassen, sondern für uns auch einer der intensivsten, spannendsten und originellsten Horrorfilme des Jahres, in dem eine Familie in einer postapokalyptischen Welt möglichst leise sein muss – denn jedes gesprochene Wort oder unvorsichtige Geräusch kann die tödlichen Kreaturen anlocken, die bereits einen Großteil der Menschheit ausgelöscht haben.
A Quiet Place„A Quiet Place“ markiert dabei zugleich die erste Zusammenarbeit von John Krasinski und seiner Frau Emily Blunt („Sicario“) nach zehn Jahren Ehe. Zudem wird die taubstumme Tochter Regan von der auch selbst stummen Schauspielerin Millicent Simmonds („Wonderstruck“) verkörpert – leider noch immer eine absolute Ausnahme in Hollywood. Und Noah Jupe („Wunder“, „Suburbicon“, „Die Macht des Bösen“) ist trotz seiner 13 Jahre bereits ein ganz alter Hase im Schauspielgeschäft…
FILMSTARTS: Emily, nach zehn Jahren Ehe ist „A Quiet Place“ der erste Film, den du zusammen mit deinem Mann John gedreht hast. Wieso jetzt?
Emily Blunt: Weil ich die Mutter so gut verstanden habe. Ich habe eine tiefe Verbindung dazu gefühlt, wie sie der Kälte dieser Welt widersteht und ihren Kindern trotz allem die Möglichkeit, sich zu entwickeln, bieten will. Ich habe noch nie eine solche fürsorgliche Mutterrolle gespielt – es ist definitiv meine bisher persönlichste Rolle.
FILMSTARTS: Fühlst du dich denn generell mit Rollen wohler, die dir nicht so nahe sind?
Emily Blunt: Nicht unbedingt. Die haben ihre ganz eigenen Herausforderungen. Nimm „Girl On The Train“ zum Beispiel. Ich bin keine Alkoholikerin. Ich bin nicht einsam. Ich hasse mich nicht selbst. In solchen Fällen recherchiere ich, ich lese, ich versetze mich in diesen Menschen hinein und versuche zu verstehen, warum er Dinge tut. Aber am Ende bleiben es erlernte Verhaltensweisen, die ich da vorführe, während mit „A Quiet Place“ auf eine ganz andere Weise nahe ist. Das ist mein alltägliches Leben, ich habe zwei kleine Kinder und alles, was ich will, ist sie zu beschützen.
FILMSTARTS: Hast du denn Ängste in Bezug auf deine Kinder, von denen du weißt, dass sie irrational sind?
Emily Blunt: Alle. Alle Ängste, die ich habe, sind irrational. Ich lasse sie nicht mal unbeaufsichtigt essen, weil ich Angst habe, dass sie sich verschlucken und ersticken könnten.
Wie ist es mit dem Ehemann als Regisseur?
FILMSTARTS: Hast du denn bei der Arbeit mit John noch eine neue Seite an ihm entdeckt, die dich auch nach zehn Jahren Ehe noch überrascht hat?
Emily Blunt: Seine Fähigkeit, mit Stress umzugehen. Er kümmert sich den ganzen Tag lang um alle Leute am Set, telefoniert auf der Heimfahrt mit dem Studio und abends Zuhause noch mit den Kostümleuten und Set-Dekorateuren. Von dem Moment, wo er die Augen aufgemacht hat, gab es nur diesen Film – und trotzdem hat er die Ruhe gehabt, um jeden Morgen mit seinen Kindern zu frühstücken. Auf einem professionellen Level hat mich außerdem sein visuelles Gespür überrascht. Ich hätte nie gedacht, dass er weiß, wie man eine Kamera so bewegt.
FILMSTARTS: Millicent und Noah, wann wart ihr mehr aufgeregt – vor der ersten Szene mit John Krasinski oder der ersten Szene mit Emily Blunt?
Noah Jupe: Vor dem Treffen mit Emily, weil sie in einigen meiner Lieblingsfilme mitspielt. Die Filme mit John habe ich mir erst während des Drehs angesehen.
Millicent Simmonds: Für mich war es John. Ich habe nicht viele Filme gesehen, in denen Emily mitgespielt hat, ich erinnere mich nur an einen, in dem sie eine Assistentin in einem Büro spielt…
Noah Jupe: … „Der Teufel trägt Prada“…
Millicent Simmonds: Ja, genau der. Aber ich kannte John aus „The Office“, meine Familie liebt die Sitcom und ich habe ihn darin sehr, sehr oft gesehen.
FILMSTARTS: War deine Familie denn aufgeregt, dass du mit John zusammenarbeiten wirst?
Millicent Simmonds: Oh ja. Auch wegen Emily. Sie waren ganz aufgeregt, aber dann haben sie das Skript gelesen und „Nein“ gesagt, weil es zu furchterregend sei. Ich habe sogar geweint. Aber dann haben sie schließlich doch „Okay“ gesagt und mich von da an auch bei jedem meiner Schritte unterstützt.
Alte Hollywoodweisheit: Arbeite nie mit Kindern!
FILMSTARTS: Emily, wie war denn die Arbeit mit den Kindern am Set?
Emily Blunt: Es ist lustig, denn jeder warnt einen, dass man es bloß nicht machen soll. Aber das Talent von Kindern ist so roh, wenn sie eine Szene spielen, dann gibt es da nichts Überlegtes oder Gezieltes. Deshalb sieht man bei Kindern auch sofort, ob jemand es draufhat oder nicht. Beim Dreh von „Marry Poppins‘ Rückkehr“ hatten wir einen kleinen Jungen, der immer so sehr auf Draht war, dass man zwar nie wusste, was man bekommt, aber was immer es war, es war immer Gold wert.
FILMSTARTS: Könntest du dir denn vorstellen, dass deine eigenen Kinder auch mal Schauspieler werden?
Emily Blunt: Ich bete dafür, dass sie es nicht werden. Einer der Gründe, warum wir aus Los Angeles nach New York umgezogen sind, ist, dass man hier viel besser erkennt, welche Möglichkeiten es sonst noch so in der Welt gibt außer dem Filmemachen. Diese Industrie ist ja bei uns Zuhause nun schon vertreten – und ich hoffe, dass sie da raus gehen und sich etwas Eigenes suchen.
FILMSTARTS: Emily und Noah, habt ihr eigentlich Gebärdensprache gelernt für den Dreh – oder habt ihr nur die Gebärden auswendig gelernt, die ihr für die nächste Szene braucht?
Emily Blunt: Ich weiß nicht, was taube Menschen zu meinen Gebärden sagen werden, ich hoffe, sie respektieren den Versuch. Ich habe von unserem Experten am Set gelernt, dass es auch nicht nur darum geht, die Gebärden zu beherrschen, man muss sich auch passend zu seinem Charakter einsetzen – wie unsere Sprache sind auch sie schließlich der Ausdruck einer Persönlichkeit. John setzt die Gebärden als Vater zum Beispiel sehr effizient ein, während ich als Mutter viel mehr Wärme dabei ausstrahle.
Noah Jupe: Aber es braucht auch einfach eine lange Zeit, bis man es richtig beherrscht. Ich kann inzwischen die Basics. Millicent und ich haben im selben Hotel gewohnt und eh die ganze Zeit zusammen rumgehangen. Erst habe ich das Alphabet gelernt – dann konnte ich ihr die Worte buchstabieren und sie hat mir dann die Gebärde gezeigt.
Schmutzige Worte in Gebärdensprache
FILMSTARTS: Millicent, war Noah denn ein guter Schüler?
Millicent Simmonds: Ich denke schon. Er fragt mich andauernd nach neuen Gebärden, allerdings geht es dabei meistens um Schimpfworte.
FILMSTARTS: Millicent, gab es denn etwas an deiner Figur, von dem du unbedingt wolltest, dass es in Bezug auf ihre Taubheit richtig dargestellt wird? Vielleicht auch, weil es sonst in Hollywoodfilmen oft falsch repräsentiert wird?
Millicent Simmonds: Ich hatte nie ein Vorbild in Hollywood. Ich habe von Marlee Matlin gehört und sie in „Switched At Birth“ gesehen – aber es gab keinen tauben Star, zu dem ich heraufschauen konnte. Deshalb hoffe ich schon, dass taube Kinder, die sich „A Quiet Place“ ansehen, davon inspiriert werden und erkennen, dass sie dasselbe auch erreichen können. Es gibt momentan eine Menge Diskussionen über die Repräsentation verschiedener Gruppen in Hollywood – und für Menschen mit Behinderungen sollte dasselbe gelten.
FILMSTARST: Was war denn für euch der spaßigste Moment beim Dreh?
Noah Lupe: Die Szene, in der ich das Baby halten durfte. Wir hatten ein acht Monate altes Baby am Set und als ich es gehalten habe, wurde ich so emotional, dass ich sogar geweint habe. Vor vier Jahren wurde mein kleiner Bruder geboren und das war ganz großartig – und jetzt ist das alles wieder hochgekommen.
Millicent Simmonds: Für mich waren es die Szenen, in denen wir mit dem Truck fahren durften. Da sind wir auch ganz schön zusammengekracht, es war eine ziemlich verrückte Sache.
Noah Lupe: Sie haben den Truck auf einem beweglichen Gestell gebaut, das war fast wie in einer Achterbahn. Wir wurden darin wirklich ganz schön rumgeschleudert.
„A Quiet Place“ läuft aktuell in den deutschen Kinos – und hier könnt ihr auch noch unser sehr, sehr ausführliches Interview mit Hauptdarsteller, Regisseur und Drehbuchautor John Krasinski nachlesen!