Nein, ich habe nicht darauf gewartet, Han Solos junge Jahre als Kinofilm zu sehen. Wenn Obi-Wan und Luke den Schmuggler in „Krieg der Sterne“ das erste Mal treffen, er sich lässig neben Chewie an den Tisch in der Kantina setzt und mit seinem Millennium Falken angibt, reicht mir das als Einführung. Es reicht, wie Han über seine geliebte, blitzschnelle Schrottmühle spricht, wie er den Erfolg beim Kessel-Flug erwähnt – ich muss als Zuschauer nicht dabei sein, wenn Han diesen Rekord beim legendären Weltraum-Rennen tatsächlich fliegt. Auch weiß ich, dass Han und Chewie beste, treueste und engste Freunde sind, ohne gesehen zu haben, wie das Kennenlernen lief. Und ich spüre die alte Rivalität zwischen Han und seinem zwielichtigen Kumpel Lando Calrissian, als sich die beiden in „Episode 5“ in der Wolkenstadt wiederbegegnen – eine Szene, in der Lando den Falken beim Spiel zähneknirschend an Han verliert, ist dafür überhaupt nicht nötig. Wie viele andere Fans habe ich nicht auf das „Han Solo“-Prequel gewartet, mit dem sich Disney und Lucasfilm gerade abmühen und das von manchem Beobachter auch wegen der chaotischen Produktion bereits abgeschrieben wird. Aber ob ein Film gut ist oder nicht, entscheidet sich erst im Kino. Und auch wenn mich Han Solos Vergangenheit nicht interessiert, kann sie trotzdem verdammt unterhaltsam sein.
Einen „Star Wars“-Ablegerfilm, der von einem neuen Regisseur in massiven Nachdrehs geändert und fertiggestellt wird, gab’s bereits vor „Solo“: Obgleich Disney seine Schauspieler in Interviews so tun ließ, als sei am Set alles in bester Ordnung, gilt es als offenes Geheimnis, dass „Rogue One“-Regisseur Gareth Edwards bei den teuren, ungewöhnlich langen zusätzlichen Dreharbeiten zu seinem Spin-off faktisch nichts mehr zu melden hatte, weil Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy diesen Job an Ersatzmann Tony Gilroy („Das Bourne Vermächtnis“) übertragen haben soll. Nun war Kennedys Eingriff bei „Solo: A Star Wars Story“ ungleich härter, da die Regisseure Phil Lord und Chris Miller hier ganz offiziell gefeuert wurden, Ron Howards anschließend offenbar fast den ganzen Film noch mal neu drehte und dafür auch folgerichtig im Abspann alleine als Regisseur genannt werden wird. Doch wer kann mit Sicherheit sagen, dass Lord und Miller, die im Unterschied zu Howard vor „Solo“ noch nie eine vergleichbare Großproduktion stemmen mussten und angeblich gefeuert wurden, da sie zu viel improvisieren ließen und pro Tag zu wenig verwertbares Material einlieferten, den besseren Film gemacht hätten?
"Star Wars"-Drehs tun weh
An „Rogue One“ jedenfalls gefällt mir vor allem der packende, hochdramatische Schlussakt, in dem die Rebellen auf dem Tropenplaneten gehetzt und verzweifelt versuchen, die Todessternpläne irgendwie ins All zu leaken – es heißt, dass an diesem Finale die meisten der späten Änderungen vorgenommen wurden. Wer außerdem glaubt, alle Regisseure hätten bei einem „Star Wars“-Dreh eine so spaßige, fluffige Zeit wie sie der stets fröhliche Rian Johnson offenbar bei „Star Wars 8: Die letzten Jedi“ hatte, der lese eine beliebige Biografie über die Leiden des jungen George Lucas vor, während und nach den Dreharbeiten zu „Krieg der Sterne“ (es ist ein Wunder der Macht, dass seine Haare erst später schneeweiß wurden).
Eine Produktion, die stottert und ächzt wie der Falke vorm alljährlichen Space-TÜV, muss also nichts heißen – besonders dann nicht, wenn eine so tolle Crew am Steuer sitzt: Jeder „Star Wars“-Film unter Kathleen Kennedy war am Ende mindestens solide. Ron Howard mag uns jüngst mit der mittelmäßigen Stangenware „Inferno“ und im „Herzen der See“ gelangweilt haben, ist aber eben auch der Mann hinter dem spannenden „Frost/Nixon“ und dem Meisterwerk „Apollo 13“ (und vermutlich allein schon wegen seiner entspannten „Alles wird gut“-Art der Richtige, um die verunsicherte Mannschaft einer teuren Großproduktion in voller Fahrt zu übernehmen). Das Drehbuch zu „Solo: A Star Wars Story“ kommt vom Vater-Sohn-Gespann Lawrence und Jon Kasdan – ersterer ein „Star Wars“-Autorenveteran, ohne den „Das Imperium schlägt zurück“ heute wahrscheinlich kein Filmklassiker wäre. Außerdem, ja, mag ich Alden Ehrenreich.
Ohne Ford geht's auch
Vielleicht engagierte Lucasfilm wirklich einen Schauspielcoach, damit Ehrenreich mehr wirkt wie Harrison Ford. Vielleicht mit Erfolg, vielleicht nicht (der Trailer deutet auf letzteres). Mir wird das dann egal, wenn ich mehr als Film- und weniger als „Star Wars“-Fan im Kino sitze. Ich mochte Ehrenreich in seiner kleinen Rolle als dämlicher, selbstbesoffener Cowboy-Schauspieler in der Hollywood-Satire „Hail, Caesar!“ und ich mochte ihn als in sich gekehrten, total in die Jungschauspielerin Marla (Lily Collins) verknallten Fahrer in Warren Beattys tragikomischem Howard-Hughes-Film „Regeln spielen keine Rolle“. Alden Ehrenreich kann einen Film tragen und wird im „Solo“-Spin-off von einem Ensemble unterstützt, für das dem Casting-Team wie schon bei „Das Erwachen der Macht“, „Rogue One“ und „Die letzten Jedi“ gar nicht genug zu danken ist. Die neuen „Star Wars“-Filme gehören mit ihrer Mischung aus Neuentdeckungen und versierten alten Hasen zum Besten, was Hollywood derzeit bietet.
Bitte auf der Zunge zergehen lassen: Woody Harrelson, diese fleischgewordene Traumpaarung aus cool und kumpelig, der gerade erst wieder im meisterhaften, schwarzhumorigen Drama „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ als Sherriff glänzte, spielt Han Solos Mentor (in einem Film wohlgemerkt, der das passende Western-Feeling haben soll). Ich könnte an dieser Stelle aufhören, aber das wäre ein bisschen unfair gegenüber Donald Glover, der als junger Lando gewiss sein unter anderem in der Comedy-Serie „Community“ erprobtes komödiantisches Timing einbringen kann und gegenüber Emilia Clarke, die als Hans mysteriöse Kumpeline Qi'Ra sicher beweisen können wird, dass sie nicht nur Drachen im Griff hat, sondern auch junge Schmuggler.
„Solo: A Star Wars Story“ startet bereits am 24. Mai 2018 in den deutschen Kinos.