FILMSTARTS trifft Jennifer Lawrence und Chris Pratt zwischen zwei Szenen in einem Nebenraum des Raumschiffs Avalon. Die zuvor gedrehte und „Date Night“ betitelte Szene (die auch in Auszügen im Trailer zu sehen ist) nahm erstaunliche fünf Stunden in Anspruch. Die Laune ist dennoch prächtig, die beiden haben offenbar Spaß am Set. „Passengers“ [hier geht's zum großen Set-Bericht] spielt im Jahr 2350, wo die Menschheit zu interstellaren Reisen durch den Weltraum fähig ist. Mehrere Tausende Personen machen sich an Bord des gigantischen Raumschiffs Avalon auf die 120 Jahre dauernde Odyssee, einen neuen Planeten zu besiedeln. Die Passagiere befinden sich im Kälteschlaf und sollen erst weniger Monate vor der Ankunft aufgeweckt werden. Als der Maschinenbauingenieur Jim Preston (Chris Pratt) durch eine Fehlfunktion 30 Jahre vor der geplanten Zeit erwacht, dauert es nicht lange, bevor auch die New Yorker Journalistin Aurora Lane (Jennifer Lawrence) aus dem Schlaf gerissen wird…
Ihr seid extrem vielbeschäftigte Schauspieler und musstet euren Terminplan ganz schön strecken, um „Passengers“ möglich zu machen. Warum seid ihr dennoch dabei?
Jennifer Lawrence: Ich wollte noch nie so gern „Nein“ zu einem Film sagen wie hier, weil ich direkt nach den „Die Tribute von Panem“-Filmen keinen weiteren großen Film machen wollte. Ich hätte das Drehbuch fast nicht gelesen, aber dann habe ich es doch getan und liebte es sofort. Ich habe darüber ein paar Tage nachgedacht, es nochmal gelesen. Ich konnte einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken. Es ist so eine schöne Liebesgeschichte, so einzigartig und kühn. Und so konnte ich diese Chance einfach nicht vorbeiziehen lassen. Der andere Grund, es abzusagen, war einfach, dass ich keine Zeit hatte. Aber irgendwie haben wir das hingekriegt. Du hast auch keine Zeit, Chris?
Chris Pratt: Ja, bei mir ist es dasselbe. Ich habe meine nächsten Jahre schon durchgeplant, ich sollte eigentlich zuhause sitzen und mich etwas erholen, aber meine Managerin sagte mir, ich müsse dieses Drehbuch unbedingt lesen. Normalerweise hasst sie alles, was ich angeboten bekomme. Sie hat mich freundlich in die Richtung gedrängt, das Script zu lesen, weil ich es erstmal habe liegen lassen. Was es aber noch besser macht: Nachdem ich es gelesen hatte, dachte ich mir, wie toll es wäre, wenn Jennifer Lawrence die andere Person in dem Film spielen würde. Das wäre perfekt.
Jennifer Lawrence: Er ist ein echter Charmeur.
Chris Pratt: Es ist wahr… Jedenfalls meinte ich zu meiner Managerin, ob Jennifer das nicht machen würde? Ist das ihr Ding? Man sollte eben immer groß denken. Dann hatte sie das Drehbuch irgendwann gelesen und mochte es. Ich dachte, what the fuck, oh my god. Jetzt machen wir diesen Film zusammen.
FILMSTARTS: Das Drehbuch von Jon Spaihts ist seit 2007 im Umlauf, war auf der renommierten Blacklist der besten unverfilmten Drehbücher, jeder lobt es, viele Regisseure und Schauspieler-Kombinationen waren schon mit dem Projekt verbunden und scheiterten vor euch – warum hat es fast zehn Jahre bis zur tatsächlichen Umsetzung gedauert?
Chris Pratt: Es musste alles perfekt sein. Keine Ahnung. Schicksal?!
Jennifer Lawrence: Das Drehbuch ist unglaublich, jeder liebt es.
Chris Pratt: Es ist wie mit einem großen, wunderschönen, sündhaft teuren Haus in den Hollywood Hills. Alle Leute wollen das Haus, aber die meisten können es sich nicht leisten, obwohl es schon eine Weile auf dem Markt ist. Aber das ist das beste Grundstück in Hollywood, denke ich. Der Grund, warum es bisher niemand machen konnte, ist: Du musst es richtig machen! Du brauchst ein großes Budget und musst wissen, wie du es einsetzen kannst.
FILMSTARTS: Es ist interessant, thematisch könnte der Film überall spielen, er müsste nicht in diesem Raumschiff verortet sein. Aber es geht offensichtlich um Einsamkeit und wie wir damit umgehen. Wie sehr brauchen wir eine andere menschliche Person zu Interaktion?
Jennifer Lawrence: Ja, das ist wahrscheinlich ein Element der Geschichte. Ich habe mich wirklich für das Projekt begeistert, als ich erfahren, dass … oh, das ist die eine Sache, über die ich im Vorfeld nicht reden darf. Ich hätte es beinahe versaut.
Jennifer Lawrence schaut fragend zur Pressereferentin [sie enthüllt den Twist, den wir euch aber lieber nicht verraten wollen]...
FILMSTARTS: Hat es für die Chemie zwischen euch beiden am Set geholfen, dass ihr die große Liebesszene im Film so früh gedreht habt? Hat euch das enger zusammengebracht?
Chris Pratt: Ich glaube, dass der Drehplan keinen strategischen Hintergrund für die Schauspieler hat. Er richtet sich eher nach den Sets, die offensichtlich riesig und teuer sind. Für mich war der 27. Oktober 2015 - der Tag, an dem wir die Liebesszene spielen sollten - der Termin, auf den ich mich eingerichtet hatte. Ich wusste a) das ist eine Riesensache und b) immer wenn du so exponiert auf der Leinwand zu sehen bist, musst du über Diäten und Training nachdenken. Darauf musste ich mich mental und körperlich vorbereiten. Die Wahrheit ist: Schauspielern ist es nicht nur peinlich, Nacktszenen zu spielen, vielmehr ist jede Art von Szene peinlich. Wenn du ein Umfeld hast, in dem du dich sicher fühlst und du denkst, du kannst es nicht versauen, weil du den Leuten hinter der Kamera vertraust, macht das diese Erfahrungen um vieles einfacher.
FILMSTARTS: Könnt ihr euch mit euren Figuren und ihrer Reise identifizieren?
Jennifer Lawrence: Oh, ich bin nicht gut in sowas. Ich identifiziere mich nicht wirklich mit meinen Charakteren oder versuche es erst gar nicht. Sie sind andere Leute auf anderen Wegen, manchmal bewundere ich sie…. Oh, da ist Morten [Tyldum] …
Regisseur Morten Tyldum trottet am Interviewraum vorbei, schaut hinein und verschwindet umgehend nach einem Kopfnicken wieder…
Jennifer Lawrence: Da war Morten…
Chris Pratt: Für mich gab es Momente, wo Morten mich daran erinnern musste, wie ich mich von meiner Figur Jim Preston unterscheide, was eine gute Sache für einen Schauspieler ist. Manchmal wollen Künstler eine Rolle spielen, als wären sie eine komplett andere Person, sie sehen anders aus, klingen anders. Mein Schauspielstil ist natürlicher, ich setze meine eigene Person in die Schuhe der Figur. Jede Situation, in die er gerät, durchlebe ich praktisch aus meiner Position. Aber manchmal pfeift mich Morten zurück und erinnert mich, das ist Jim, nicht du… Aber ja, sowas wie Einsamkeit fühlt man auch beim Dreh. Ich habe eine Familie und die Entscheidung getroffen, einen Beruf auszuüben, bei dem ich immer längere Zeit von ihr getrennt bin. Diese beiden Personen im Film haben die Entscheidung getroffen, an Bord dieses Raumschiffs zu steigen und die Menschen, die sie lieben, nie wieder zu sehen.
Jennifer Lawrence [ruft dazwischen]: Das ist eine großartige Antwort, die nehme ich auch.
FILMSTARTS: Habt ihr schon die Spezialeffekt-Aufnahmen gedreht? Im Studio an den Seilen hängend… Wie war die Erfahrung?
Chris Pratt: Es war cool … für fünf Minuten, dann anstrengend - die härteste Arbeit, die ich physisch bisher beim Drehen abliefern musste. Es nervt und ist wirklich hart. Diese Raumanzüge sind schwer, aber sie sehen fabelhaft aus.
FILMSTARTS: Die Science-Fiction-Erzählung ist episch angelegt, aber im Kern nur auf zwei Schauspieler ausgelegt. War das eine Herausforderung, hat euch das eingeschüchtert oder hat es einfach nur Spaß gemacht?
Jennifer Lawrence: Ja, der Film ist gigantisch und episch auf der einen Seite und sehr intim auf der anderen, an so etwas habe ich noch nie gearbeitet.
Chris Pratt: Jetzt weiß ich endlich mal, wie sich die Crew beim Filmemachen immer fühlen muss. Wir als Schauspieler kommen sonst vielleicht drei Stunden am Tag vorbei, haben Dienstag und Donnerstag frei und beklagen uns, wie eng doch der Drehplan ist. Aber jetzt frage ich mich: Wie, ich muss den ganzen Tag hier sein? Die ganze Zeit? Eingebunden in jede Einstellung? Fuck this! Oh, das ist so hart [ironisch].
FILMSTARTS: Stimmt es, dass ihr euch vor diesem Film noch nie begegnet seid?
Chris Pratt: Ja, das ist richtig.
Jennifer Lawrence: Wir haben uns zum ersten Mal hier am Set in Atlanta gesehen.
Chris Pratt: Fast, wir hatten doch noch eine Drehbuchlesung in deinem Haus…
Jennifer Lawrence: Aber eigentlich waren wir vorher schon oft in der Klatschpresse, weil wir angeblich eine Affäre miteinander hatten.
Chris Pratt: Ja, lange bevor wir uns zum ersten Mal getroffen haben.
Jennifer Lawrence: Aber ich habe noch nicht einmal seine E-Mail-Adresse.
Wie war denn die erste Begegnung?
Jennifer Lawrence: Er ist einfach der netteste Typ überhaupt und wir sind super miteinander ausgekommen.
Chris Pratt: Es war großartig, man weiß nie, wie jemand wirklich ist. Vorher hat man eine Idee davon…
Jennifer Lawrence [spricht dazwischen]: Sie ist ein Monster!
Chris Pratt: Nein, das habe ich wirklich nicht erwartet. Ich dachte schon, sie wäre cool, nett und witzig. Es ist wahr, ich liebe es, mit ihr arbeiten.
Jennifer Lawrence [gerührt]: Oh, danke.
FILMSTARTS: Vorhin beim Dreh war zu sehen, dass du vor der Szene getanzt hast. Machst du das immer?
Chris Pratt: Ja, manchmal schmeiße ich einfach Musik rein und tanze ein bisschen.
Jennifer Lawrence [lacht]: Er ist immer positiv, hat Energie. Vier Uhr morgens? Egal. Wir hatten gestern einen 16-Stunden-Tag und er tanzt hier und inspiriert die ganze Crew.
Chris Pratt: Ich weiß auch nicht genau, warum ich das tue. Das ist ansteckend. Wenn du eine gute Einstellung hast, können die anderen keine schlechte haben.
FILMSTARTS: Wie war denn die Arbeit mit Regisseur Morten Tyldum? Wie hat er es geschafft, dass ihr euch beim Dreh geborgen gefühlt habt, wie ihr es vorher schon einmal beschrieben habt?
Chris Pratt: Ehrlich gesagt hebe ich mir mein Urteil über Regisseure immer solange auf, bis ich gesehen habe, was wir gedreht haben. Manchmal denke ich, das wird großartig... doch dann denke ich, was zum Teufel. Dann arbeite ich mit Filmemachern und frage mich, was zum Geier macht der Typ da überhaupt, dann sehe ich es und denke: Oh, mein Gott, das ist brillant. Dann wieder gibt es Situationen, wo du denkst, dieser Typ ist nicht gut und er ist es wirklich nicht. Lange Rede, kurzer Sinn, bevor du die Szenen nicht im fertigen Film siehst, kannst du dir kein abschließendes Urteil bilden. Mit Morten gibt es Situation, wo er schwierig ist, aber wir kämpfen es aus. Wir drehen eine Menge Takes, um es perfekt hinzukriegen, wobei man in dem Moment manchmal aufhören will, um den Tag zu beenden. Er will aber weiterdrehen, das kann einen schon auf die Palme bringen, in diesem speziellen Moment. Aber ich bin dankbar für seine Hartnäckigkeit, wenn ich die gedrehten Szenen dann sehe. Er bringt jede Phase seines Körpers und sein ganzes Leben in diesen Film.
„Passengers“ startet am 5. Januar 2017 in den deutschen Kinos!