Zuletzt schien es, als gerate die Karriere von Johnny Depp ins Wanken. Entweder variierte seine Performance höchstens von lustlos bis routiniert („Transcendence“), oder er überzeugte zwar schauspielerisch, doch dafür nicht an den Kinokassen („Mortdecai – Der Teilzeitgauner“). Zudem musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, fast ausschließlich in die Rolle eines irgendwie sympathisch verschrobenen Sonderlings zu schlüpfen. Doch Scott Coopers Gangster-Thriller „Black Mass“ dürfte - zumindest den ersten Kritiken nach zu urteilen - die Wende einläuten.
Variety lobt den Film als eine Art Gegenentwurf zu Martin Scorseses „Departed – Unter Feinden“. Mit seinem „bewusst zurückhaltenden 70er-Stil“ richte sich Coopers Films wohl weniger an die Multiplex-Massen, doch dafür umso mehr an Filmliebhaber. Darüber hinaus erklärt das Branchenblatt Depps Darstellung des Bostoner Schwerverbrechers James „Whitey“ Bulger zu einer der besten seiner gesamten Karriere: „Seit er an der Seite von Al Pacino in ‚Donnie Brasco‘ spielte, ging Depp nicht mehr derart in einem Film auf; selbst sein J.M. Barrie aus ‚Wenn Träume fliegen lernen‘, für den er eine Oscar-Nominierung bekam, wirkt im Vergleich wie eine wilde Ansammlung von unpassenden Ticks und Eigenheiten.“
Ähnliche Töne stimmt auch The Hollywood Reporter an. Depp sei so charismatisch, wie es die Rolle verlange, vollkommen überzeugend und angsteinflößend als Bulger, der gleichermaßen mit Freund und Feind spiele. Des Weiteren zieht The Hollywood Reporter Vergleiche zwischen dem Inszenierungsstil von Regisseur Scott Cooper und „Der Pate“-Altmeister Francis Ford Coppola und adelt auch die Leistungen der übrigen Schauspieler. So bezeichnet Todd McCarthy Joel Edgerton („The Gift“) als „herausragend“ und hebt Peter Sarsgaard („Experimenter“) für „einige denkwürdige Momente“ hervor.
Wer also die Hoffnung, Johnny Depp noch einmal in einer im besten Sinne außergewöhnlichen Rolle zu sehen, schon aufgegeben hat, darf sich von „Black Mass“ ab dem 15. Oktober 2015 eines Besseren belehren lassen.